5. Kapitel

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Still schlenderte ich durch die Straßen Seouls. Heute Nacht wählte ich eine andere Strecke, mit der Hoffnung meinen Kopf ein wenig freizubekommen. Meine Gedanken hatten bis jetzt ihr Bestes getan um mich wachgehalten. Ich sah alle paar Sekunden diesen Jungen vor mir, welcher zu mir herunter auf den Boden sprang.

Das leise Rauschen des Flusses lenkte mich tatsächlich etwas ab und ich blickte vom Asphalt auf. Am Rand der Brücke stand eine Gestalt und blickte hinab in den reißenden Strom. Es sah gefährlich aus, wie nah die Person am Ende stand, beinahe als würde sie einen gewissen Plan haben.

„Hey! Du!" Unsicher brach meine Stimme und verlor sich im Rauschen des Wassers. Die Gestalt drehte sich ganz langsam zu mir um und blickte mir direkt in die Augen. Meine Bewegung gefror und ich konnte für einige Momente nicht Mal einen Millimeter zurücklegen.

„Wird das jetzt eine tägliche Sache?" Das war eine sehr gute Frage, auch wenn das erst das zweite Mal ist und damit noch nicht so auffällig. Eine Straßenlaterne beleuchtete ihn von oben bis unten und ich bekam einen sehr klären Einblick in sein Aussehen. Er trug eine Maske, aber seine Augen strahlten mir entgegen.

Natürlich, Braunäugige gibt es wie Sand am Strand, aber das Braun in seinen Augen war anders. Oder hatte ich einfach nur noch nie auf die Augen meiner Mitmenschen geachtet?

Seine Augen wirkten stumpf, das Licht spiegelte sich nur schwach in ihnen, aber trotzdem wirkten sie warm und herzensgut. Es war ein dunkles Karamell, welches vermutlich ohne Licht besser leuchten konnte.

Ohne ein Wort trat der Fremde einen Schritt auf mich zu. Ohne es wirklich zu wollen kam ich ihm entgegen, bis uns nur noch wenige Zentimeter trennten. Ich hatte mich längst in seinen Seelenspiegeln verloren, die mich von oben bis unten scannten.

Kopfschüttelnd drehte er sich wieder dem Wasser zu und gab ein stumpfes Kichern von sich.

„Von mir aus kann das öfter passieren, es ist sehr interessant." Er hob eine Augenbraue und blickte über seine Schulter zu mir herüber. „Was ist los, kannst du nicht schlafen?" „Hm." Er hob eine Hand an seine Stirn und atmete einmal laut ein und aus.

Mein Blick wanderte an seinem Handgelenk auf und ab. Er hatte einen Verband um die Wunde gewickelt, doch würde ich nicht an den Rändern die eigentliche Farbe erkennen, würde ich sagen, er wäre statt weiß rot. Vorsichtig streckte ich eine Hand aus und umschloss mit ihr seinen Unterarm.

„Du solltest die Wunde nicht nur verbinden, sondern auch versorgen, ordentlich. Der Verband muss gewechselt werden." Seufzend ließ ich den Arm wieder los.

„Warum interessierst du dich dafür?" Wenn ich mich nicht ganz doll täuschte, würde ich sagen, seine Stimme wurde weicher.

Selbst etwas verwirrt zuckte ich mit den Schultern. Er hatte Recht. Ich habe mich eigentlich nie um Leute gekümmert, es sei denn sie waren in meinem Freundeskreis. Und davon eigentlich auch nur Namjoon. Hoseok geht es eh immer gut, da muss man sich nicht sorgen. Aber warum dieser Fremde?

„Ich weiß es nicht." „Sehr überzeugend." Frustriert schüttelte ich meinen Kopf. „Du weißt es wirklich nicht?", er klang sehr verwirrt, aber was sollte ich sagen? Ich hatte selbst keine Ahnung. Etwas unwohl kratzte ich mich am Hals und zog eine Grimasse.

„Wie heißt du?" Ich hätte diese Worte bei der Lautstärke des Flusses fast nicht verstanden. „Yoongi." Ich sah ihn nicken, ehe er sich wieder dem Wasser widmete. Als er nicht zum Reden ansetzte flüsterte ich: „Und du?"

Langsam wandte er sich um und lehnte sich rücklinks gegen das Geländer. Sein Blick wanderte vom Boden nach oben, wie in Zeitlupe. Ich hörte mein Herz stoppen, als er an meinen Augen ankam.

„Jungkook"

Night Love ~Yoonkook~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt