Eine Hand rüttelte vorsichtig an meiner Schulter. Ich hatte ehrlich gesagt keine Lust aufzuwachen, aber die Person wollte nicht lockerlassen. Murmelnd fluchend kuschelte ich mich tiefer in die dünne, flauschige Decke. Lass mich in Ruhe, Mensch.
Doch der Mensch hatte anscheinend nicht vor mich schlafen zu lassen. „Yoongi, du solltest im Bett schlafen, nicht hier. Du bist unterkühlt, die Decke hier reicht nicht." Genervt seufzte ich und blinzelte dem Jungen ins Gesicht. Er lächelte freundlich, aber ich fiel nicht darauf rein. Er hatte mich brutal aus dem Schlaf gerissen, er verdiente die Todesstrafe.
Ich versuchte ruhig zu bleiben, suchte einen Ausweg aus dieser Situation, vielleicht hätte ich ihn sonst wirklich umgebracht. „Wo ist die Toilette?" Ein leichtes Schmollen schlich sich auf meine Lippen. Ich wollte doch nur schlafen. Draußen war es nach wie vor dunkel, die Uhr an der Wand gegenüber zeigte mir, dass ich nur knapp eine halbe Stunde geschlafen hatte.
Jimin deutete auf eine offene Tür, gegenüber von der schrägen Wand. „Den Flur geradeaus entlang und die erste Tür rechts. Das Badezimmer ist dann auf der linken Seite. Du kannst es nicht verfehlen." Er schien echt nett, aber ich merkte, dass er aufgewühlt war. Das mit seinem Kumpel schien ihn echt runterzuziehen. Was wohl mit ihm passiert ist?
Ich, für meinen Teil, machte mich auf den Weg. Ich verließ das Wohnzimmer und betrat den Flur, der nach rechts und geradeaus führte. Der Boden war wie in den anderen Zimmern mit Parkett versetzt. Die Wände waren hell und mit Bildern versehen, auch hier wären die Lichter an, aber auf einer sehr sanften Stufe.
Im Vorbeigehen besah ich die Fotos und Gemälde interessiert. In der Mitte aller Bilder hing ein großes Gemälde, es war ziemlich dunkel gehalten. Angedeutete Wolken bildeten einen Schleier, der sich quer durch das Bild zog. Über dem Nebel stand die Abbildung des Vollmondes, umrandet von ein paar Sternen, unter dem Nebel war eine Reihe dunkler Umrisse von Häusern zu sehen. In der unteren rechten Seite stand in silberner Schrift der Name Park Jimin. Hatte er das wirklich selbst gemalt?
Fasziniert betrachtete ich die Fotos, welche rund um das Gemälde angeordnet waren. Es waren alles Aufnahmen aus der Natur. Eine Rose, das Geäst einer Birke im Sommer, von unten aufgenommen, der Mond über einem See, das Schilf an beiden Seiten. Insgesamt waren die Bilder bei Nacht geschossen wurden, das Licht schien etwas unnatürlich. Jimin schien nicht nur talentiert im Malen zu sein, sondern auch im Fotografieren.
Doch dann stockte ich. Ein Foto fiel offensichtlich aus der Reihe. Es war in dieser Wohnung aufgenommen, im Wohnzimmer. Es zeigte das Sofa, auf welchem ich vor wenigen Minuten noch geschlafen habe. Ein Junge lag an meiner Stelle, die Kopfkissen ebenso, wie ich sie hatte, angeordnet. Die Decke lag auseinandergefaltet über der Lehne.
Der Junge, der da in den Himmel starrte, war ohne Zweifel Jungkook. Die Lampe erleuchtete gut seine Gesichtszüge, wie er sehnsüchtig zu den Sternen aufsah, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er trug schwarze Kleidung. Eine Hose mit vielen Taschen, einen dicken Pullover, welcher an einem Arm hochgekrempelt war. Er zeigte einen leicht abgenutzten Verband, welcher um seinen Arm gewickelt war.
Erschrocken starrte ich auf das Bild. Ja, es war wirklich Jungkook, der Junge, durch den ich hier war, der Grund, warum ich eigentlich in einem Bett liegen sollte, mich ausruhen sollte, mich erholen sollte. Der Junge, der mir den Sternenhimmel gezeigt hatte, der Junge, welcher mich so sehr verwirrte, welcher mich durcheinanderbrachte, der Junge, der Nichts tun musste und ich fühlte mich trotzdem so wohl in seiner Nähe.
Jungkook.
Ich huschte ohne einen weiteren Blick ins Badezimmer direkt zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Kaltes Wasser strömte über meine Hände, sammelte sich in der gebildeten Schüssel. Ich senkte meinen Kopf, klatschte die Eiseskälte in mein Gesicht. Ich stützte mich an dem Becken ab und sah in den Spiegel. Die Haare, die mir in die Stirn fielen, tropften, meine Augen blinzelten sekündlich. Ich hatte eine Spur.
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Night Love ~Yoonkook~
FanficEin Junge, allein in der finsteren Welt, abgeschieden von anderen Seelen. Ein Junge, welcher oft nicht schlafen kann und somit seine Zeit nutzt, um nachts spazieren zu gehen. Zwei Welten treffen aufeinander, welche so unterschiedlich scheinen auf d...