Direkt danach

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„Hermine, Ron?", das war eindeutig Harrys Stimme. „Hermine", das war Draco? Konnte das möglich sein? Ich nahm ein letztes Mal all meine Kraft zusammen und brachte ein halblautes: „Hier!", heraus. Es schien laut genug gewesen zu sein, denn wenige Sekunden später stürmten Draco und Harry zu mir. Harry zerrte Ron von mir weg, dieser wehrte sich und erklärte irgendwas davon, dass ich es so gewollt hätte. Draco kam zu mir und als er mich sah zog er sofort sein Hemd aus und wickelte mich darin ein. Dann zog er mich an sich und drückte mich. Plötzlich fühlte ich mich sicher und geborgen, als könnte mir niemand etwas tun, doch dieses Gefühl hielt nicht lange an, denn Draco schob mich in Harrys Arme. Dieser sagte etwas, das klang wie: „Hier, tu was du nicht lassen kannst, ich darf nicht ich bin Auror". Und Draco tat etwas. Ron, der mit magischen Handschellen gefesselt auf dem Boden saß, erlebte wahrlich sein blaues Wunder. Draco schlug auf ihn ein, immer wieder ins Gesicht, solange bis Ron stöhnend zusammensackte. Dann, zum krönenden Abschluss, trat er ihm mit voller Wucht in die Eier. Ich hatte nicht mal den Hauch von Mitleid mit Ron. Ich spürte, wie sich Erleichterung in mir breit machte. Meine vielen Fragen beschloss ich später zu stellen, jetzt wollte ich nach Hause. Doch plötzlich ließen meine Beine nach und mir wurde schwarz vor Augen.Um mich herum herrschte Stille. Ich fühlte mich wie in einer Schwebe zwischen Leben und Tod. Alles fühlte sich surreal an. Wo war ich? Was war geschehen? Ich wusste nichts, mein Kopf war komplett leer. Ich fühlte mich schwindelig. So als wäre ich in der Sekunde, in der ich ohnmächtig geworden war, stecken geblieben. Was zur Hölle war das für ein Gefühl und was hatte es ausgelöst. Ich erinnerte mich an nichts. Um mich herum war alles schwarz und in meinen Ohren rauschte es. Das Rauschen wurde immer lauter und schließlich fast unerträglich. Und dann wandelte es sich plötzlich in Stimmengewirr. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch alles um mich herum blendete, sodass ich es nicht direkt schaffte. Und dann spürte ich wie jemand nach meiner Hand griff und sie festhielt. „Wir haben sie", hörte ich eine mir unbekannte Stimme sagen und dann wurde es um mich herum wieder leiser. „Sie braucht jetzt viel Ruhe, wenn sie wieder richtig wach ist sagen sie mir Bescheid!", befahl die unbekannte Stimme und dann schien die Person sich zu entfernen. Nun griff auch jemand nach meiner anderen Hand. Und langsam kehrte meine Erinnerung zurück. In winzigen Bröckchen. Ich reimte mir zusammen, dass ich wohl im Krankenhaus sei, doch wie und warum ich hergekommen war erschloss sich mir nicht. Ich versuchte erneut meine Augen zu öffnen und nach einigen Versuchen gelang es mir. Neben meinem Bett saßen Draco und Harry, jeweils auf einer Seite von mir. „Hermine", Harrys Stimme klang zugleich erfreut und sorgenvoll. Er sprang auf und brachte mir einen Becher mit Wasser. Ich nahm einen Schluck, als er mir das Gefäß vorsichtig an die Lippen setzte. Die beiden sahen völlig fertig aus. Was war bloß passiert? „Was ist passiert?", krächzte ich mit rauer Stimme und sah fragend von einem zum anderen. Draco hatte noch kein Wort gesagt, doch sein Griff um meine Hand hatte sich verfestigt, so als würde er mich nie wieder loslassen. Harry schien zu überlegen, wo er anfangen sollte und sagte schließlich: „Du bist umgekippt, da haben wir dich ins St. Mungos gebracht. Aber keine Sorge, Ron ist in sicherer Verwahrung, er kann dir nichts mehr tun! Oh Mann, Hermine, es tut mir so leid, hätte ich das geahnt, dann hätte ich dich niemals mit ihm alleine gelassen!" Ich verstand die Welt nicht mehr. „Ron ist was? Was ist passiert? Was hat er mit mir gemacht? Ich weiß nichts mehr", meine Stimme war brüchig und in mir stieg Panik hoch. Harry setzte erneut an etwas zu sagen, doch Draco fuhr dazwischen: „Gut gemacht, Potter! Sie sollte Ruhe haben und nicht vollständig von dir verwirrt werden! Schlimm genug, dass du zugelassen hast, dass das alles überhaupt passiert ist! Was bist du bloß für ein Auror? Wie konntest du all das nicht bemerken?!" Dracos Stimme wurde immer lauter, bis sie schließlich fast in einem Brüllen endete. Ich streckte meine Hand nach Dracos aus, um ihn etwas zu beruhigen. Er ließ sich neben mir auf das Bett sinken und schien sich zu bemühen ruhiger zu werden. „Ich gehe dem Heiler Bescheid geben, dass sie wieder wach ist", sagte Harry mit zittriger Stimme und entfernte sich aus dem Raum. „Hey, was auch immer passiert ist, sei nicht so gemein zu Harry. Mit Sicherheit konnte er nichts dafür", versuchte ich Draco weiter zu beruhigen, doch es schien nicht wirklich zu funktionieren. „Ich hatte dich gewarnt!", war alles was Draco hervorpresste. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl neben dem Bett und stierte gegen die Wand. Meine Hand hielt er jedoch weiterhin fest umschlossen. Ja, er hatte mich gewarnt, vor Ron. Irgendetwas musste Ron getan haben, was mich in ein Krankenhaus versetzt hatte. Hatte er mich abgefüllt, sodass ich eine Alkoholvergiftung erlitten hatte? Er konnte doch nicht wirklich etwas schlimmes getan haben, oder? Immerhin war es Ron. Aber wieso sollte er in sicherer Verwahrung sein, wie Harry gesagt hatte, wenn es nur das war. Was konnte bloß passiert sein? „Draco", flüsterte ich, doch bevor er reagieren konnte stürmte ein Heiler in das Zimmer und beanspruchte meine volle Aufmerksamkeit. „Miss Granger, richtig?", fragte er und ich nickte. Er führte ein paar kleine Untersuchungen durch und musterte mich dann von oben bis unten. „Sie haben viel Glück gehabt! Ein Tropfen mehr und sie hätten das nicht überlebt", sagte er trocken. „Trinken sie das hier", er stellte ein kleines Fläschchen auf den Nachttisch. „Und die Erinnerung wird nach und nach zurückkehren. Das ist nicht immer schön. Wenn nötig ziehen sie einen Geistheiler zu Rate. Sie können gehen. Gute Besserung", mit diesen Worten stürmte er auch schon wieder aus dem Raum. Seine Worte surrten in meinem Kopf umher. Ein Tropfen mehr wovon? Was war passiert? Wieso sagte mir niemand etwas? Harry griff nach dem Trank auf dem Nachtschränkchen und reichte ihn mir. Ich trank das übelriechende Gebräu und schüttelte mich. Dann blickte ich auf und fragte: „Kann mir jetzt endlich jemand verraten was eigentlich hier los ist?!" Harry und Draco warfen sich einen Blick zu und schließlich fing Harry an zu sprechen: „Also, ich nehme an, dass du dich daran erinnern kannst, dass du gestern mit Ron und mir etwas trinken warst? Eigentlich dürfte dir die Erinnerung erst ab Einnahme der Tropfen fehlen. Nun ja, Ron, den ich niemals so eingeschätzt hätte, hat dir eine Substanz in deinen Wein gegeben, als du auf der Toilette warst. Und ich, als Auror, habe es nicht bemerkt. Es tut mir so leid, Hermine! Nach ein paar Stunden zeigte dieses Zeug dann seine Wirkung. Ich habe mich zwar gewundert, warum es dir so schlecht ging, aber als Ron sagte, dass dir bestimmt der Alkohol zusetze, da erschien mir das logisch. Dann haben wir dich rausgebracht und Ron sagte, dass er dich nach Hause bringen würde. Ich ließ euch also gehen. Doch schon wenige Minuten später stellte sich heraus, dass das ein großer Fehler war. Malfoy, der auch im Drei Besen war, passte mich ab und fragte wo ihr zwei hingegangen wärt und als wir feststellten, dass Ron dich nicht zu deiner Wohnung gebracht hatte, da suchten wir euch natürlich. Und als wir euch fanden... naja...", Harry brach ab und wischte sich über sein Gesicht. „Das Wiesel hat dich vergewaltigt!", presste Draco hervor. Er sah aus, als würde er gleich vor Wut explodieren. Harry stöhnte auf und donnerte mit seiner Faust gegen die Wand. „Ich hätte es verhindern müssen! Verdammt!", schrie er. „Das hättest du!", setzte nun Draco nach. Mein Kopf setzte aus. „Er hat was?!", rief ich nun. Ich brach in Tränen aus. Allein die Vorstellung machte mich verrückt. Wie konnte er so etwas nur tun? „Hättest du auf mich gehört, dann wäre das alles nicht passiert", zischte nun Draco und ließ meine Hand los. Ich sah ihn an, Tränen liefen mir über die Wangen. Da war er wieder, der alte Draco. Unsensibel wie eh und je. Natürlich hatte er recht, aber das half mir jetzt mal so gar nicht weiter. „Zieh dich an. Ich nehme dich erstmal mit zu mir", setzte er dann trocken hinterher und wandte sich von mir ab. Dann reichte er mir von einem anderen Stuhl meine Kleidung, die offensichtlich jemand gereinigt hatte und ich zog mich an. Harry hatte sich ebenfalls von mir weggedreht. Auch wenn ich mich schon hunderte Male vor ihm umgezogen hatte, jetzt wollte ich von niemandem angesehen werden. „Ich bin fertig", sagte ich so fest wie ich konnte, doch der Versuch scheiterte kläglich. Noch immer liefen Tränen über mein Gesicht, doch ich ignorierte sie. „Ich gehe dann mal", nuschelte Harry und verließ den Raum. Offensichtlich hatten er und Draco den Kampf wer mich mit nach Hause nahm schon ausgefochten, als ich noch nicht bei mir war. Wie spät war es wohl? Das Zimmer, in dem wir uns aufhielten, hatte keine richtigen Fenster, daher war es unmöglich zu erkennen. Ich überlegte, ob ich Draco fragen sollte, doch ich entschied mich dagegen, als ich seinen angespannten Gesichtsausdruck sah. „Können wir?", fragte er bitter und ich nickte nur. „Und hör bitte auf zu heulen, wir brauchen nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt notwendig auf uns zu ziehen", setzte er nach und ich biss mir auf die Lippe. Jetzt reiß dich zusammen, Hermine, sagte ich mir selbst und folgte Draco mit gesenktem Kopf aus dem Krankenzimmer und schließlich aus dem Gebäude. Draußen angekommen schloss ich geblendet meine Augen. Es schien mitten am Tag zu sein, denn die Sonne stand im Zenit am Himmel. Vielleicht war das der Grund für Dracos schlechte Laune. Er hatte wahrscheinlich die ganze Nacht nicht geschlafen. Der Arme. Etwas ruppig fasste Draco nun an mein Handgelenk, um kurz darauf zu disapparieren. Einige Minuten später fanden wir uns in seiner Wohnung wieder. „Du kannst dich ins Gästezimmer legen, um dich auszuruhen", sagte er und sah mich mit undurchdringlicher Miene an. „Draco, was ist?", fragte ich ihn, enttäuscht darüber, dass er mich offensichtlich nicht bei sich haben wollte. „Was los ist?! Echt jetzt Granger, ich brauche keine Frau, die meine Warnungen ignoriert! Wärst du an dem Abend einfach zuhause geblieben, dann wäre das alles nicht passiert! Du hättest auf mich hören sollen. Jetzt ist es zu spät! Ich werde auf dich aufpassen, das werde ich immer tun, aber bleib bloß weg von mir! Du wirst nie wieder in meinem Bett Platz finden! Hast du mich verstanden?!", schrie er mich an und ich zuckte zusammen. Es schien als hätte er soeben all seine Wut an mir ausgelassen. „Ich hatte in den letzten Stunden mehr als genug Zeit darüber nachzudenken, wie ich mit der Situation umgehe, falls du überhaupt wieder aufwachst. Das hier war mein Ergebnis", setzte er etwas gefasster hinterher und zeigte dann mit einem Finger auf die Tür des Gästezimmers. „Nein, dann gehe ich lieber", antwortete ich ihm schluchzend, ohne meine Worte näher durchdacht zu haben. „Das tust du nicht!", blaffte Draco mich an und damit schien das Gespräch für ihn beendet zu sein. Er drehte sich um und ging in sein Wohnzimmer, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Ich stand einfach so da, mitten in seinem riesigen Flur. Unfähig etwas zu denken. Alles in mir fühlte sich leer und falsch an. Draco hatte es geschafft mir das Gefühl zu geben, dass ich an allem schuld sei. Langsam drehte ich mich um und betrat das Gästezimmer. Es war etwas kleiner als das Schlafzimmer, hatte jedoch ebenfalls ein eigenes, angrenzendes Badezimmer. Auf dem Bett lagen Anziehsachen, meine Anziehsachen, wie ich bei erneutem Hinsehen feststellte. Ich hinterfragte einfach nicht, wie diese wohl hierhergekommen waren, sondern akzeptierte einfach, dass Draco sie sich auf irgendeinem Weg beschafft hatte. Ich ließ mich neben den Anziehsachen auf das Bett sinken und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Meine gesamte Welt war um mich herum zusammengebrochen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Ich fühlte mich leer, so verdammt leer. Und hungrig. Plötzlich war ich unfassbar hungrig. Wann hatte ich das letzte Mal etwas gegessen? Ich erhob mich, um zu Draco zu gehen und ihn nach etwas zu essen zu fragen. Ich schlich in Richtung Wohnzimmer und schob die Tür vorsichtig auf. Mit einem Schlag war mein Hunger vergangen. Draco saß zusammengesunken auf dem Sofa und hatte sein Gesicht in seine Hände gestützt. Vor ihm stand ein leeres Glas und an seinen Wangen rannen Tränen hinab. Es brach mir das Herz ihn so zu sehen. Was war passiert? Was war los mit ihm? War ich schuld an seiner Traurigkeit? Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf. „Draco, es tut mir so leid", flüsterte ich. Er schreckte auf und fuhr sich hektisch mit der Hand über die Augen. „Vergiss was du gesehen hast!", fuhr er mich an. „Was ist los? Was macht dich so traurig?", ich hatte beschlossen meine Fragen einfach geradeheraus zu stellen. Er seufzte. „Ich hatte dich gewarnt, du hast nicht auf mich gehört. Also bin ich dir gefolgt. Ich war auch im Drei Besen. Ich wollte auf dich aufpassen. Und ich war zu spät! Ich habe versagt!", presste er heraus und ich sah deutlich, dass er noch immer mit den Tränen kämpfte. „Wäre ich nur zwei Minuten früher vor der Tür gewesen, dann wäre all das nicht passiert. Ich hätte es verhindern können", fuhr er fort. „Ich hätte es verhindern können. Ich hätte es verhindern können", er wiederholte diesen Satz immer und immer wieder, seine Stimme wurde immer leiser und erneut kullerte eine Träne. Meine Hände zitterten. Ich lief auf ihn zu und legte meine Hände um sein Gesicht. Ich drückte es hoch, sodass er mir in die Augen sehen musste. „Du hast absolut keine Schuld an dem was passiert ist", flüsterte ich ihm zu. „Einzig und allein Ron ist schuld. Und vielleicht ich, weil ich nicht auf dich gehört habe", setzte ich hinterher. Draco griff nach meinen Händen und schob sie weg. „Ja, das kann schon sein, aber ich hätte es verhindern können und jedes Mal, wenn ich dich ansehe, dann verfluche ich mich selbst dafür, dass ich zu langsam war. Und aus diesem Grund brauche ich Abstand. Ich muss erstmal alles verarbeiten und du musst das sowieso!", seine Stimme war wieder etwas fester geworden und er sah mich mit einem Blick an, der sagte, dass das seine finale Entscheidung war. In meinen Augen sammelten sich Tränen, doch ich widersprach ihm nicht. Ich wollte keinesfalls der Grund dafür sein, dass er sich Vorwürfe machte.

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Hey ihr, ich melde mich mal wieder mit einem neuen Kapitel! Ich hoffe es gefällt euch :)

Die Nacht - DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt