Später

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Ich wachte in einem dunklen Kerker auf. Es war so dunkel, dass ich kaum etwas erkennen konnte. Was war passiert? Wie ging es Draco? Wo war er? War er auch hier? Ich tastete den Boden um mich herum ab. „Draco", flüsterte ich in die Dunkelheit. Zuerst rührte sich nichts. Dann vernahm ich ein Stöhnen. Ich kroch über den Boden in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. „Draco", flüsterte ich erneut und erneut stöhnte jemand. Ich arbeitete mich weiter vorwärts. Doch weit kam ich nicht. Ich stieß auf kalte Gitterstäbe. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und ich konnte auf der anderen Seite der Gitterstäbe eine Silhouette erkennen. War er das? Die Person dort lag reglos am Boden. „Draco", entkam es meinen Lippen erneut. Ein weiteres Stöhnen entfloh seinen Lippen. Er musste es sein. Ich presste mich so nah an das Gitter wie möglich und streckte meinen Arm hindurch, um seine Hand zu erreichen. Ich griff mit meiner Hand nach seiner und hielt sie fest. „Was ist passiert? Geht es dir gut? Wo sind wir?", sprudelten die Fragen aus mir heraus. Als Antwort bekam ich nur einen leichten Druck auf meine Hand. Es schien ihm gar nicht gut zu gehen. Ich schluchzte laut auf. Was wurde ihm bloß angetan? Plötzlich drang ein helles Licht in den Raum. Es hörte sich an, als wäre eine Tür geöffnet worden. Ich rührte mich nicht, sondern hielt weiter Dracos Hand fest. Ich hörte Schritte, die näher kamen. Ich konnte Draco sehen, er lag mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Rücken. Seine Augen waren geschlossen. Mein Puls beschleunigte sich, was hatten sie ihm bloß angetan? Als die Schritte stoppten sah ich in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Vor meiner Zelle stand Lucius Malfoy und neben ihm... „Ron?", entfuhr es mir. Dieser sah mich nur mit leerem Blick an. „Ron, bitte, hilf mir", flehte ich ihn an. So sehr ich mich auch die letzten Wochen vor ihm gefürchtet hatte, jetzt war ich so froh ihn zu sehen. Ich würde mich noch hundertmal von ihm vergewaltigen lassen, wenn er nur dafür sorgen würde, dass sich jemand um Draco kümmerte. Doch Ron verzog nur eine spöttische Miene. „Miss Granger, wie schön, dass sie erwacht sind. Jetzt sehen sie was sie angerichtet haben. Wären sie nicht gewesen, dann ginge es Draco jetzt um einiges besser", Lucius lachte trocken auf. „Sie gehört dir", sagte Lucius an Ron gewandt und sah erst ihn und dann mich angeekelt an. Was sollte das heißen? Lucius öffnete meine Zelle und ließ Ron hinein, dann verschloss er sie wieder. Ron kam zielstrebig auf mich zu. Ich ließ Dracos Hand los und kroch rückwärts. Doch viel zu schnell stieß ich auf eine kalte, nasse Kerkermauer. Daran schob ich mich hoch und bereitete mich darauf vor mich gegen Ron zu verteidigen. Doch dieser blieb mit einigem Abstand zu mir stehen. „So sieht man sich wieder", sagte er düster. Nebenan in der Zelle stöhnte Draco ein weiteres Mal. Lucius warf ihm einen verachtenden Blick zu. Wie konnte man seinem eigenen Sohn nur so etwas antun? Schon immer war mir die Familie Malfoy ein Rätsel gewesen, doch das hier überstieg alle Vorstellungen, die ich jemals gehabt hatte. Ron zückte seinen Zauberstab und murmelte etwas. Ich spürte, wie meine Arme und Beine an der Wand befestigt wurden. Ich war wehrlos. Es gab nichts was ich tun konnte, um mich gegen Ron zu verteidigen. Zumindest nicht wirklich. Ron kam auf mich zu. Als er schon ziemlich nah dran war, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und spuckte ihm in sein Gesicht. Angeekelt wischte er sich mit seinem Ärmel darüber. Sein Blick verfinsterte sich. Er kam weiter auf mich zu. Dann grinste er mich hämisch an. Das war es wohl für mich. Er nahm seine beiden Hände und griff an den Kragen meiner Bluse, dann riss er sie einfach auf. Ich schrie und versuchte ihm eine Kopfnuss zu geben, doch vergeblich. „Ganz schön kratzbürstig die Kleine, aber schlecht aussehen tut sie nicht", bemerkte Lucius an Draco gewandt. Dieser stöhnte weiter vor sich hin. Er musste wahnsinnige Schmerzen haben. Außerdem machte er sich vermutlich die schlimmsten Vorwürfe, weil er mir nicht helfen konnte. Ron fuhr unbeirrt fort. Er zerteilte als nächstes meinen Rock. „Wäre ich so schwach wie du Draco, dann hätte ich dieser Frau wohl auch nicht widerstehen können, mein Sohn", sagte Lucius Malfoy höhnisch. Sein Blick ruhte dabei auf mir und meinem Körper. Tränen flossen meine Wangen hinunter. Wo war ich bloß hereingeraten? „Du bist so schön, Hermine", flüsterte Ron mir zu, doch ich schrie nur weiter. In der Ferne wurden wieder Schritte laut. Ich erkannte Narzissa Malfoy, die sich mit schnellen Schritten näherte. „Lucius", ihre Stimme klang entsetzt. Dieser fuhr herum. „Was geht hier vor?", fragte sie, als sie das gesamte Ausmaß der Situation überblicken konnte. Ich schrie erneut auf, als Ron eine Hand an meinen Hintern legte. „Das muss sofort aufhören, Lucius", zischte Narzissa ihrem Mann zu. Dieser reagierte nicht. Dann redete seine Frau leise weiter auf ihn ein. Was sie sagte konnte ich nicht verstehen, doch es schien zu wirken, denn Lucius öffnete meine Zelle erneut und rief mit hartem Ton: „Weasley". Ron ließ von mir ab und kehrte zu Dracos Vater zurück, der sofort wieder die Zelle verschloss. Narzissa jagte die beiden mit bösen Worten davon, dann löste sie meine magischen Fesseln. Ich sank an der Wand herunter. Sie öffnete die Zelle ihres Sohnes. Dann kniete sie sich neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Stirn und murmelte etwas vor sich hin. Ich krabbelte über den Boden wieder zurück zu den Gitterstäben, die mich von Draco trennten. „Was ist mit ihm?", fragte ich Narzissa mit tränenerstickter Stimme. Sie löste ihren Blick kurz von Draco und sah mich mit schmerzerfülltem Blick an. Dann sah sie wieder zu ihrem Sohn und sagte: „Er wird schon wieder". Plötzlich regte sich Draco. Seine Augen öffneten sich langsam und er griff mit seiner Hand nach der seiner Mutter. Narzissa ließ seine Berührung zu. „Dein Vater ist sehr enttäuscht von dir, Draco", flüsterte sie und sah ihm direkt in die Augen. Sein Blick wandelte sich von schmerzerfüllt in hasserfüllt. „Er ist nicht mehr mein Vater", presste er hervor. Es tat so gut seine Stimme zu hören. Das hieß er war nicht tot. Narzissa sah ihn traurig an. „Du musst ihn verstehen. In unserer Familie werden Blutsverräter nicht akzeptiert", versuchte sie ihn zu beruhigen. „Deswegen werde ich auch nicht weiter ein Teil der Familie sein, sag ihm das. Dann hat er die Wahl, entweder er lässt mich gehen und streicht mich aus dem Stammbaum oder aber er muss mich töten", Dracos Stimme klang wieder so fest, wie sonst. Doch seine Worte ließen mich zusammenzucken. Er würde einfach so den Tod in Kauf nehmen. Ich schluchzte laut auf. Sein Kopf wandte sich von seiner Mutter ab und drehte sich in meine Richtung. „Ich werde dich hier rausholen, koste es was es wolle", sagte er bestimmt. Ich schüttelte den Kopf. „Wenn du das nicht überlebst, dann will ich das auch nicht", presste ich zwischen meinen Schluchzern hervor, doch er winkte ab. „Sei still!", fuhr er mich an. Narzissa erhob sich wieder und verließ die Zelle, nicht ohne sie wieder zu verschließen. „Denk nochmal darüber nach, Draco, ich sehe später noch einmal nach dir", sagte sie und entfernte sich wieder. Kurz darauf kehrte die Dunkelheit zurück. Ich presste mich eng an die Gitterstäbe und suchte mit meiner Hand nach der von Draco. Er richtete sich ebenfalls ein wenig auf und lehnte sich von der anderen Seite gegen die kalten Stäbe, die uns voneinander trennten. Er hielt meine Hand fest in seiner. „Dieser Mann wird nie wieder mein Vater sein", sagte er emotionslos. Ich drückte seine Hand ein bisschen fester. „Wir werden hier nie wieder rauskommen", stieß ich entmutigt hervor. „Hermine Granger, so schnell gibst du doch sonst nicht auf", sagte Draco aufmunternd. Es zauberte mir ein kleines Lächeln ins Gesicht, doch das konnte Draco nicht sehen. „Tut mir leid, dass ich dich in so eine Situation gebracht habe", flüsterte ich ihm zu. Erneut rannen Tränen an meiner Wange hinunter. „Sag das nicht!", fuhr Draco mich an. „Nimm dir bloß nicht zu Herzen, was... was ER gesagt hat", setzte er fort. Ich schluchzte auf. Lucius hatte aber recht gehabt. Ohne mich würde es Draco jetzt gut gehen. „Denk nicht mal drüber nach", setzte Draco noch hinterher. „Aber er hat recht", flüsterte ich. „Nichts hat er", blaffte Draco: „Wenn hier irgendjemand die Schuld trägt, dann bin das ich. Ich hätte es wissen müssen. Nein, ich hab es gewusst. Ich hätte dich niemals so nah an mich heranlassen dürfen. Ich wusste, dass es so enden würde". Wir schwiegen eine Weile. Ich hielt seine Hand fest in meiner. Nein, ich hielt mich an seiner Hand fest. Ich hatte das Gefühl jemand hätte mir den Boden unter den Füßen weggerissen und er war das Einzige was mir blieb.

Es war eine gefühlte Ewigkeit vergangen, in der wir dort gesessen hatten. Wir hatten einfach geschwiegen und uns nicht bewegt. Jetzt brach Draco das Schweigen: „Ich habe einen Plan, aber es gibt keine Garantie dafür, dass er funktioniert. Falls er nicht funktioniert, könnte es passieren, dass ich mein Leben dabei lasse. Aber ich werde nichts unversucht lassen, um dich hier herauszubekommen". Mir blieb für einen Moment die Luft weg. „Auf keinen Fall wirst du dein Leben riskieren und schon gar nicht für mich", ging ich hastig dazwischen. „Tut mir leid, aber meine Entscheidung ist längst gefallen. Für den Fall, dass wir uns nicht wiedersehen sollten, muss ich dir noch einige Dinge sagen. Versprich mir, dass du mir ganz genau zuhörst", sagte er leise, aber bestimmt. Ich spürte zum erneuten Mal an diesem Tag, wie die Tränen an meinen Wangen herunterrannen. Ich zerquetschte Dracos Hand fast mit meiner. Von mir aus könnten wir hier unten verrecken, aber keinesfalls wollte ich weiterleben, wenn er das hier nicht überleben würde. Dennoch wusste ich, dass ich ihn nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen konnte. Also gab ich einen zustimmenden Laut von mir. Ich wollte nicht im Streit auseinander gehen. „Also... wenn ich das nicht überleben sollte, dann findest du den Schlüssel für mein Schließfach bei Gringotts in meiner Wohnung. In meiner Besenkammer hinter der Tür ist eines der Holzpaneele an der Wand lose, dahinter verbirgt sich ein Versteck, dort musst du danach suchen. Hast du verstanden?", fragte er. Ich konnte ihm nicht antworten. Ich wurde von einem Schluchzer nach dem nächsten geschüttelt. Er fuhr also fort ohne, dass ich ihm zugestimmt hatte: „Außerdem befindet sich in dem Versteck eine kleine Schachtel, die musst du Potter geben, darin sind alle nötigen Beweise, um meinen Vater für immer nach Askaban zu verbannen. Falls du dich fragst, warum ich ihm die nicht längst gegeben habe, mit diesen Beweisen belaste ich nicht nur meinen Vater, sondern auch mich selbst, aber das ist dann ja egal". Ich krallte mich an Dracos Hand fest. Er durfte nicht sterben. Unter keinen Umständen könnte ich ohne ihn weiterleben. „Und jetzt kommen wir zum allerwichtigsten Teil. Das was ich dir jetzt sage darfst du niemals vergessen! Hermine Granger, ich hätte es niemals für möglich gehalten mal so für einen Menschen zu empfinden, wie ich es für dich tue. Du hast meine gesamte Welt auf den Kopf gestellt. Seit wir uns das erste Mal geküsst haben, vermisse ich dich jede Sekunde, die du nicht bei mir bist. Du bist der Mensch, den ich immer gesucht habe. Die Frau an meiner Seite, die ich niemals für existent gehalten habe. Vergiss das niemals! Ich liebe dich, Hermine. Ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt, völlig egal von wo du kommst und unabhängig von deinem Blutstatus. Ich...", er brach ab. Seine Stimme war zum Ende hin immer brüchiger geworden. Er weinte ebenfalls. „Ich liebe dich einfach so unendlich doll und es tut mir leid, dass es jetzt, wo ich es dir zum ersten Mal gesagt habe, eventuell schon wieder alles vorbei ist", ein Schluchzer entfloh nun auch seinen Lippen. „Draco, ich... du ahnst gar nicht wie sehr ich dich liebe! Du hast meine Welt völlig auf den Kopf gestellt, hast mir gezeigt, wie gut ein Orgasmus sein kann und wie sich ein Mensch ändern kann! Ich werde dich für immer lieben, egal was passiert", brachte ich nun auch heraus. Ich wendete mich zu den Gitterstäben und griff mit meinen beiden Händen nach seinem Kopf, um ihn zu einem Kuss heranzuziehen. Er verstand sofort und drückte seine Lippen auf meine. Der Kuss schmeckte salzig von unseren Tränen und war so voller Emotionen und vor allem so voller Traurigkeit. Niemals würde ich diesen Kuss vergessen. Egal wie das hier ausgehen würde.

Plötzlich wurde es wieder hell in dem Kerker. Es näherten sich Schritte. Ich hielt mich durch das Gitter mit beiden Händen an Draco fest. Es durfte noch nicht vorbei sein, auf keinen Fall! Narzissa stand vor Dracos Zelle und beobachtete argwöhnisch meine Hände, die sich an ihm festkrallten. „Geht es dir besser, mein Sohn?", fragte sie Draco. Ein wenig Fürsorge klang in ihrer Stimme mit. Er nickte schwach. Sie zögerte kurz, dann öffnete sie seine Zelle. Sie ging auf ihn zu und legte ihm eine Hand an die Stirn. Dann ging alles ganz schnell. Draco nutzte seine stablose Magie, um seine Mutter gegen die Kerkerwand zu schleudern. Dann kroch er über den Boden zu ihr, um sie so schnell er konnte zu entwaffnen, doch sie war schneller als er und griff zu ihrem Zauberstab. Innerhalb von Sekunden sorgte sie dafür, dass Draco zusammensank und reglos am Boden liegen blieb. Narzissas Ausdruck zeugte Wut und Enttäuschung. Mithilfe eines Zaubers ließ sie Draco vor sich her aus der Zelle schweben. Ich schrie und heulte, doch sie würdigte mich keines Blickes. Dann war sie mit Draco verschwunden und es wurde wieder dunkel. Alles was mir blieb war Leere. Unendliche Leere. Das war's dann wohl. Ich gab auf. Sackte in mich zusammen und weinte. Ich weinte so lange, bis keine Tränen mehr übrig waren. Dann lag ich einfach da, nur in Unterwäsche bekleidet auf dem kalten Steinboden. Das war's dann wohl.

Die Nacht - DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt