Ich bin Ende 2010 nach Berlin gezogen. Ich kannte nichts und niemanden und trotzdem nahm ich den Job bei einer Online-Bewertungsplattform als Community Managerin an. Mein Job: die Stadt feiern und eine Community aufbauen. Kein Job hat mich so viel gelehrt und mich derart an meine Grenzen gebracht, dass ich knapp zweieinhalb Jahre später völlig ausgebrannt kündigte. In der Zeit lernte ich so viele Leute wie niemals zuvor und je wieder danach in meinem Leben kennen. Wieviele Events ich in der Zeit besuchte kann ich nicht einmal mehr schätzen. So wuchs mein Freundeskreis aus Bloggern, Community und Social Media Managern rasant. Das machte mir den Jobwechsel sehr leicht.
Zwei Jahre später kam ebendieser. Ich landete im Sommer 2013 in einer in einer nerdigen Autobutze, eine Community für Petrolheads. Familiäre Atmosphäre, alle per du, viele Ur-Berliner - ich fühlte mich sofort wohl. Zwei Wochen, nachdem ich angefangen hatte, wurde nicht nur das zehnte Firmenjubiläum gefeiert, obendrauf feierten drei Mitarbeiter ihre Geburtstage zusammen. Gerade erst im Büro angekommen, wurde ich zur Sause eingeladen. Von Jonas, dem ich im Sommer 2017 mein Ja-Wort geben sollte.
Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Es war eher diese Liebe, die langsam und ganz leise beginnt. Da lag kein Knistern in der Luft, keine Herzchen in den Augen. Stattdessen zwei Kollegen, die ab und zu Zeit miteinander verbringen, mit Freunden gemeinsam feiern gehen, Überstunden schieben, Erfolge feiern.
Das erste Mal, dass ich merke, dass etwas anders ist, ist im Januar 2015. Da kennen wir uns schon fast 2 Jahre. Neujahr 2015 fliege ich zusammen mit einer Freundin nach Island. Ich wollte schon immer mal zu den Geysiren und Wasserfällen und 2015 soll es sein. Ich beginne nicht nur das neue Jahr dort, sondern feiere auch meinen Geburtstag dort. Seit meinem Abflug meldet sich einer immer wieder: Jonas. Ich schicke ihm Bilder von meinen Beobachtungen, der atemberaubenden Natur und schildere lebendig, was ich erlebe.
„Sag mal, hast du Verwandtschaft in Skandinavien? Wegen deiner blauen Augen...", fragt Jonas unvermittelt in einer Nachricht. Ich stutze kurz, denke mir aber nichts weiter dabei, er hat ja schließlich seit Jahren eine Freundin.
Zwei Wochen später, ich bin wieder zurück in Berlin. Zwei Freunde, Jonas und ich wollen zu viert ins Kino gehen. Während Jonas und ich schon vor dem Kino an der Kulturbrauerei warten, ruft eine Freundin an und sagt: „Ich schaffe es leider doch nicht, geht einfach ohne mich." Ebenso sagt der andere Kumpel ab. Ich schwöre bis heute, dass die Situation nicht gestellt war. Also gehen Jonas und ich alleine ins Kino. Der Film war so unspektakulär, dass ich nicht einmal mehr weiß, welcher es war. Was ich aber noch weiß ist, dass wir im Anschluss noch was trinken gegangen sind und bis in die frühen Morgenstunden reden, über alles, was uns bewegt. Es fließen Tränen, es wird fühlig und es war schön. „Krass, die Geschichten von meiner Freundin, die fast an einem Aneurysma gestorben wäre, hab ich schon lange nicht mehr erzählt", stellt Jonas fast ein wenig erschrocken fest. Ich blicke ihn an, ein wenig fasziniert, ein wenig verwundert. Da tut sich etwas in mir und ich bin gerührt, dass er sich in meiner Gegenwart offenbar so wohlzufühlen scheint, dass er die emotionalsten Momente seines Lebens mit mir teilt. Als wir getrennter Wege nach Hause gehen merke ich, dass nun alles anders ist. Wir sind keine Freunde mehr. Da ist plötzlich eine Verbindung. Ein Funken.
An Schlaf ist diese Nacht nicht zu denken. Ich liege wach und grüble darüber, was geschehen ist. Immerhin kenne ich Jonas nicht erst seit gestern. Ich weiß, dass er der Meister im Verabreden und anschließendem Verabredung absagen ist, dass er viel laufen geht, aber sonst nicht wirklich ein sportlicher Typ ist, gerne Burger isst und über Apple-Produkte herumnerdet, sein perfekter Abend eine Tiefkühlpizza und ein Bier bei einer Apple-Keynote ist. Er reist nicht und ist auch sonst überhaupt nicht mein Typ. Was also passiert hier gerade? Warum denke ich immer noch über ihn und die Gespräche nach?
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Ein 'Für immer' gibt es nicht
Non-FictionDieses ungute Gefühl: Als ich in meine Straße einbiege, bemerke ich ein Grummeln im Bauch, ein unangenehmes Ziehen. Ich will eigentlich wieder umkehren, zurück in Milenas Wohnung und mich verkriechen, mich vor dem notwendigen Gespräch verstecken, ab...