Seit vier Monaten arbeite ich in einem neuen Job, nachdem die Autobutze, in dem ich Jonas kennengelernt habe, verkauft wurde. Das erste Mal bin ich in einer verantwortungsvollen Position, die mich mehr als einmal herausfordert. Es fühlt sich an wie der Sechser im Lotto, als mich meine Chefin fragt: „Hast du Lust zu einer Social Media Konferenz zu fahren? Eine Freundin von mir kann leider nicht hin und fragt gerade herum. Wäre in Stockholm, alles bezahlt und du bist ja ohnehin unsere Social-Media-Verantwortliche." Ich kann mein Glück kaum fassen und jubel schon: „JA, oh mein Gott, ja!" als der Haken an der Sache kommt. Sie soll am 15. Juni, an Jonas Geburtstag stattfinden. Ich sage direkt ab. Anja, mein Team Lead, fragt nach: „Bist du dir sicher? Willst du Jonas nicht zumindest einmal fragen?" Ich lehne ab: „Auf gar keinen Fall. Letztes Jahr hab ich den Geburtstag komplett versemmelt, ich käme nicht einmal auf die Idee nachzufragen, ob ich wegfahren könnte."
Zwei Tage lang gräbt Anja an mir herum, bis mich eine Nachricht von Jonas erreicht: „Anja schrieb mir gerade, dass sie dir ein Ticket für eine Social Media Konferenz angeboten hat, du aber ablehnst. Warum?" Ich antwortete: „Na, weil sie an deinem Geburtstag ist, da fahre ich nicht weg." „Hast du mal geschaut, wie toll die werden wird?" „Nö, hab nicht einmal auf die Webseite geschaut." „Mach mal, die klingt super!" Als ich mich auf die Seite klicke sehe ich, dass meine Stockholmer Uni der Organisator sein soll, gesponsert von zahlreichen Unternehmen, die ich schätze und einem Programm, das beeindruckend ist. So ein bisschen piekst es nun doch, dass ich schon abgesagt habe. Jonas meldet sich wieder: „Schatz, du MUSST dahin! Wir können meinen Geburtstag auch nachfeiern und vielleicht muss ich sogar selbst über meinen Geburtstag zu einer Fortbildung." Nach vielen Nachrichten hin und her sage ich schlussendlich zu. In drei Monaten steht also Stockholm auf dem Plan, wenn das mal keine schönen Aussichten sind.
Knapp einen Monat vor dem Abflug meldet sich eine meiner besten Freundinnen: „Du wirst es nicht glaube, ich habe gerade das Go bekommen und darf auch zur Social-Media-Konferenz nach Stockholm. Zalando ist doch auch Sponsor und eins der freien Tickets habe ich bekommen." Ich bin vollkommen aus dem Häuschen. Michi und ich kennen uns vom Studium in Stockholm, sodass eine Reise in den Norden mit ihr zusammen gleich doppelt so schön ist. Ich male mir schon die abendlichen Gatherings aus, die zu zweit allemal schöner sind als alleine.
Eine Woche vor meinem Abflug erzählt Jonas, dass er vom 14. bis zum 16. Juni für eine Fortbildung in Amsterdam sein würde. Wir können also weder in seinen Geburtstag rein- noch rausfeiern. Jonas wirkt erstaunlich abgeklärt und cool damit, dass es eigentlich gar nicht zu ihm passt. Ich bin etwas traurig, verspreche ihm, dass wir es dann eben am Wochenende richtig krachen lassen.
Als Jonas am 14. die Wohnung verlässt, richte ich einen Geburtstagstisch für ihn her, damit er, wenn er zurückkommt aus Amsterdam, zumindest eine kleine Freude hat an Blumen, Geschenk und einer Torte im Kühlschrank. Und Champagner, klar! Pünktlich um Mitternacht rufe ich an und gratuliere ihm zum Geburtstag. Seinen Geburtstag werde ich nach dem Vorjahresdesaster ganz sicher nie wieder vergessen. Auch ohne Countdowntimer
Früh am 15. Juni mache ich mich auf zum Flughafen. Ich bin am Tegeler Flughafen mit Michi verabredet. Gut gelaunt steht sie parat und jubelt mir auf Meter entgegen: „Auf nach Stockhoooohooolm!" Ihre Laune ist hervorragend und ich kann es kaum erwarten in meine Lieblingsstadt zurückzukehren. Wir knipsen Bilder im Boardingbereich und ich schicke Jonas regelmäßige Updates nach „Amsterdam".
Am Flughafen Stockholm Arlanda angekommen, als Michi und ich gerade die Ankunftshalle hinbetretenaustreten, steht plötzlich Olli, Jonas Bruder vor mir. Ich bleibe vollkommen verdattert stehen: „Olli?! Was machst du denn hier?" „Ich bin hier für eine Sportkonferenz. Was machst du denn hier?" „Ich bin für eine Social-Media-Konferenz hier. Das ist ja verrückt, du hast letztes Wochenende ja gar nichts erzählt, dass du zur selben Zeit hier bist!" „Ja, muss ich irgendwie vergessen haben", murmelt er vor sich hin. „Sag mal, du kennst dich hier doch noch ganz gut aus. Ich muss irgendwie da hin", sagt Olli und zeigt mir eine Adresse, die er auf einem Ausdruck in einer Klarsichthülle angestrichen hat. „Ach easy, das ist direkt beim Hauptbahnhof. Komm einfach mit uns mit, bis T-Centralen müssen wir eh alle und dann zeig ich dir den weiteren Weg."
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Ein 'Für immer' gibt es nicht
Non-FictionDieses ungute Gefühl: Als ich in meine Straße einbiege, bemerke ich ein Grummeln im Bauch, ein unangenehmes Ziehen. Ich will eigentlich wieder umkehren, zurück in Milenas Wohnung und mich verkriechen, mich vor dem notwendigen Gespräch verstecken, ab...