Kapitel 1. | Die Esche

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»Sól deine Freunde sind hier!«, rief meine Mutter energisch von der unteren Etage die Treppe hinauf.
»Einen Moment! Bin sofort da!«, erwiderte ich ihr knapp während ich hastig meinen restlichen Krempel in meine Tasche stopfte.
Nachdenklich blickte ich durch den Raum um zu sehen ob ich etwas vergessen hatte, ehe ich flink aus dem Zimmer huschte.
»Wir sind nur drei Tage weg...«, murmelte ich vor mich hin um mich selbst etwas zu beruhigen während ich die Treppe herunter ging. So langsam musste ich es mir angewöhnen etwas entspannter an die Dinge heran zu gehen. - Doch als Perfektionistin war das gar nicht so einfach wie ich mir das immer vorstellte.
Ständig diese Gedanken: Fehlt etwas?
Habe ich alles eingepackt? Was wenn wir Medikamente brauchen? Was wenn...

Es machte mich allmählich verrückt.

Durch den Trip mit meinen beiden besten Freundinnen Lia und Aenna wollte ich meinen Kopf ein wenig frei bekommen und endlich meine starren Gedanken loslassen. Ich war wirklich gespannt ob das auch so funktionieren würde wie ich es mir ausmalte.

Unten angekommen gab ich meiner Mutter einen liebevollen Kuss auf die Wange.
»Bis bald Mama«, sagte ich ihr dann knapp.
»Mach's gut mein Schatz. Hab dich lieb.«
Sie strich mir durch mein langes braunes Haar. Ein Lächeln zog sich dabei über meine Lippen. »Ich hab dich auch lieb Mama, bis in drei Tagen!«, entgegnete ich ihr glücklich und verlies voller Vorfreude mein Zuhause.

Hätte ich in diesem Moment auch nur geahnt wie lange meine Mutter und ich uns nicht mehr sehen würden, dann hätte ich unsere Verabschiedung mit großer Sicherheit nicht so kurz gehalten.

»Kanns losgehen?«, fragte mich Lia mit freudiger Miene, welche am Steuer ihres nagelneuen Volvos saß. »Klar doch«, verließ es mich kichernd. Dann startete sie den Motor ihres Wagens und wir fuhren los in Richtung Nationalpark. Knapp zwei Stunden waren wir dorthin unterwegs.
Wir quatschten, sangen und waren voller Vorfreude auf unser Campingabenteuer tief in den Norwegischen Wäldern.
Im Nationalpark angekommen parkten wir Lias Wagen, packten unsere Rucksäcke und das Zelt und machten uns auf den Weg über Stock und Stein tief in den Wald. Ganze 18 Kilometer waren wir gelaufen, ehe wir ein Plätzchen auf einer Lichtung fanden, welches uns auf anhieb gefiel. Hier konnten wir für die nächsten Tage unser Zelt aufschlagen und die Natur genießen.

Weitere Stunden vergingen beim aufbauen unseres Quartieres. Es war ein Familienzelt mit mehreren Kabinen. - Natürlich hätten wir uns das denken können, dass es eine halbe Ewigkeit braucht solch ein Zelt aufzubauen. Die Sonne verschwand mehr und mehr hinter der Kuppe der Lichtung und langsam begann uns ein frischer Wind um die Ohren zu wehen. Wir sollten so langsam mal ein Feuer machen, dachte ich mir und sprach meine Gedanken umgehend aus: »Ich werd uns etwas Feuerholz besorgen, dann können wir auch gleich etwas zu Abendessen machen.«
Meine Freundinnen nickten mir etwas entmutigt vom Zeltaufbau zu.
Also machte ich mich auf den Weg durch das Dickicht des Waldes. Immer wieder hob ich ein Stück Holz vom Boden auf und sammelte es in meinen Armen. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages blitzten durch die Baumkronen und nichts als das rauschen der Blätter war zu hören.

Absolute Ruhe.

Der komplette Gegensatz zum Trubel in Bergen - der Stadt aus der wir kamen.
Tiefenentspannt sammelte ich weiter mein Holz als sich vor mir ein riesiger, scheinbar uralter Baum aufmachte. Mein Körper erstarrte fast beim betrachten der alten Esche, als sei sie verzaubert. Der sowieso schon kühle Wind erschien mir immer eisiger zu werden als ich dem Baum näher trat.  Mein Körper reagierte umgehend mit einer Gänsehaut. Eine seltsamen Stille machte sich breit. Nicht einmal mehr das rauschen des Windes durch die Baumkronen war zu hören. - Nichts.
Es war Mucksmäuschenstill um mich geworden. Mit der Stille kam auch das Gefühl in mir auf das irgend etwas nicht stimmte. Mir wurde schnell klar dass es nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen war, denn ein greller Blitz schlug direkt vor mir in die große Esche ein und sie begann zu rauchen. Der Boden unter meinen Füßen vibrierte als gäbe es ein Erdbeben während das ohrenbetäubende grummeln des Donners durch den Wald schepperte.
Vor Schreck ließ ich das gesammelte Holz zu Boden fallen. Reflexartig warf ich mich ebenfalls gen Erde um mich vor den Blitzen zu schützen.

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