Kapitel 11. | Die Verhandlung

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Als wir die Lichtung erreichten konnte ich schon Ivar, Harald und Hvitserk vernehmen.
Sie saßen in mitten des weiten Feldes auf Stühlen und warteten schon auf unsere Ankunft. Um sie herum hatten die Norweger ihre Flaggen gehisst und ihr stattliches Heer türmte sich direkt hinter ihnen auf, wie ein Bienenschwarm welcher nur darauf wartete anzugreifen. Gegenüber von ihnen standen drei weitere, leere Stühle.

Mit ein wenig Abstand hielten wir vor ihnen inne und es herrschte unmittelbar Stille. Lagertha und Ubbe stiegen von ihren Pferden ab und übergaben sie den anderen Wikingern.
Ich blieb sitzen, denn ich wollte einfach nicht in Ivars Nähe, nicht nach letzter Nacht. Ubbe nickte mir mit einem verständnisvollen Blick entgegen, ehe er und Lagertha sich zur Verhandlung aufmachten und Platz auf den leeren Stühlen nahmen.

Der dritte Stuhl blieb jedoch leer.

Er war für Björn vorgesehen gewesen, doch dieser war widererwarten nicht aufgetaucht. Ivar sah zum leeren Stuhl hinüber. Sein grausames Lachen über unsere missliche Lage war unüberhörbar. Ich schloss entmutigt meine Augen und ließ mir die Sonne auf die Nasenspitze scheinen. Es war ein schöner Tag um zu sterben, die Frühlingssonne war gerade dabei den restlichen Schnee von den Wiesen zu tauen. Ich atmete die frische Luft tief in meine Lunge ein und dann wieder aus um mich somit etwas zu beruhigen.
Minuten vergingen wie Stunden.
Ich versuchte dem Verhandlungsgespräch zu lauschen, doch ich konnte wegen des rauschenden Windes auf der Lichtung nichts verstehen. Lange Zeit schienen sie ruhig über alles zu sprechen, doch Ivar wurde von Zeit zu Zeit immer angespannter. Seine Stimme erhob sich immer mehr und langsam flogen mir Bruchteile des Gespräches mit dem Wind entgegen.

»Lagertha.«
»Mutters Tod.«
»Nicht verdient.«
»Rache.«

Das war alles was ich verstehen konnte.
Mein Blick wanderte zwischen den Verhandelnden hin und her, bis er an Ivars eisblauen Augen hängen blieb, welche mir trotz Entfernung direkt in die Seele starrten. Mir stockte augenblicklich der Atem und ich sah beschämt zu Boden um ihm auszuweichen. Leider konnte ich mich nicht unsichtbar machen, hatte ich seinen Blickkontakt noch so sehr vermieden.
»SÓL!« schrie er zu mir rüber und ich zuckte zusammen. Nein. Bitte nicht... sagte ich mir innerlich und kniff meine Augen zusammen als hätte ich mir das ganze nur eingebildet.
» Na los. - Komm schon zu uns Sól!« fuhr er mit furchteinflössender Stimme fort. Dabei hatte er diesen unglaublich bösen Unterton und ich konnte nicht glauben, dass das der Ivar war mit dem ich mich einst so gut verstanden hatte. Mein Magen zog sich zusammen und schmerzte vor Angst. Nervös biss ich die Zähne zusammen und atmete noch einmal tief durch.
Dann stieg ich umgehend von Håkon ab und übergab ihn dankend einer Schildmaid. Daraufhin ging ich mit zaghaften Schritten auf Ivar und die Anderen zu.
Ich versuchte so Selbstsicher wie nur möglich zu wirken, doch ich wusste genau dass Ivar meine Unsicherheit und Angst förmlich riechen konnte.

Bei Ihnen angekommen wich ich seinem Blick weiter aus, sah stattdessen lieber zu Hvitserk, welcher mir entschuldigend entgegen sah.

»Sieh mich an!« knurrte Ivar und mein Blick huschte rüber zu seinen Augen.
Da war dieser Hass zu sehen welchen ich bisher nur aus Erzählungen über ihn kannte.
»Kaum zu glauben dass das die Augen einer Verräterin sind. Eine Schande... solch eine..Verschwendung...« raunte er weiter während seine Augen die meinen festnagelten. Der Knoten in meinem Hals schien sich immer enger zu schnüren, als würde man mir langsam die Luft rauben.
Erneut sah ich gedemütigt zu Boden.
Dann spürte ich wie jemand mich unsanft am Kinn packte. Es war Schönhaar, welcher mich nun ungläubig musterte. Ubbe sprang unmittelbar auf und zog warnend sein Schwert.
»Nana!« belächelte ihn Harald und hob beschwichtigend einen Finger in seine Richtung. »Du hättest meine Frau werden können, wenn du das gewollt hättest. Die Königin von Norwegen. Schade drum dass du dich für den falschen Weg entschieden hast Kleines« zischte er und packte mir dabei unsanft mit seiner großen Hand an die Wangen, hielt somit mein Gesicht fest.
Dabei betrachtete er mich nochmals genau als ihn plötzlich ein Pfeil in die Schulter des Armes traf, mit dem er mich hielt. Er ließ mich sofort los und blickte suchend in die Ferne. Auch Hvitserk und Ivar sprangen von ihren Stühlen auf. Die Situation war nun mehr als angespannt.

»Björn...« knurrte Ivar laut und verzog dabei sein Gesicht bitterböse. Das Funkeln in seinen Augen war wirklich Angsteinflössend. Ich drehte mich in einer raschen Bewegung um und sah, dass Björn und sein Heer uns zur Hilfe geeilt waren. Was für ein Timing! Er ging geradewegs auf mich zu. Griff mit seiner Hand nach meinem Hinterkopf und küsste mich innig zur Begrüßung. Dann suchte er mein Gesicht nach Blessuren ab und wandte sich dann Harald zu. »Leg deine Griffel noch einmal an mein Weib und ich hack dir die Hand ab« murrte er, ehe er auf Ivar zu stürzte, was dessen Heer dazu brachte die Waffen zu ziehen und sich schützend vor ihn zu stellen. Und auch unser Heer machte sich nun Kampfbereit.
Björn platzte fast vor Wut.
»Verschwinde von hier Sól!« befahl er mir knapp, ehe er sein Schwert in die Höhe hielt und laut »ANGRIFF« brüllte. Dabei stürzte er sich auf die Leibwachen seines Halbbruders.

Plötzlich ging alles ganz schnell.

Die Mengen stürzten sich aufeinander wie Piranhas und ich war mitten im Geschehen. Passend zur Stimmung auf dem Feld begann es auch noch zu regnen.
Verzweifelt suchte ich einen Weg aus der tobenden Menge, quetschte mich durch das vorbei rennende Heer und wurde dabei einfach von ihnen überrannt. Der Boden war so rutschig, dass ich sofort gen Erde fiel. Mit den Armen nach vorne kroch ich über den Boden und versuchte mich irgendwie aus der Menge zu retten, als mich plötzlich jemand am Fußknöchel packte und mit einer Leichtigkeit durch den Schlamm zog. Ich versuchte mich noch in der nassen Erde festzukrallen, doch es half alles nichts. Verzweifelt warf ich einen Blick über meine Schulter. Im selben Moment rammte ein riesiger Norweger sein Schwert direkt neben meinem Gesicht in den Boden.

Meine Augen weiteten sich vor Schreck.

Das wars jetzt, dachte ich mir und ich versuchte aufzustehen und auf allen vieren vor ihm zu flüchten. Er grinste dreckig, zog sein Schwert wieder aus der Erde und packte mich an meinem langen Zopf, dabei riss er mich schmerzvoll nach hinten sodass ich rücklings vor ihm kniete. Die Tränen rieselten mir die Wangen entlang.
Ich sah rüber in die kämpfende Menge.
Am Boden lagen schon ziemlich viele Leichen und Verwundete.
Mit schmerzerfüllter Miene versuchte ich durch den Regen hindurch Björn, Ubbe oder Lagertha zu erspähen, doch ich konnte sie nicht finden.

Niemand war da um mir zu helfen.

Wie Verrückt versuchte ich mich aus den Fängen des Nordmannes zu befreien, doch er hielt mich weiter fest in seinen Zwängen.
Dann stieß er mir sein Schwert in den Rücken. Schmerzerfüllt sackte ich ein Stück nach vorne während ein leises keuchen meine Kehle verließ. Reflexartig griff ich nach der Spitze des Schwertes welche mir unterhalb meines rechten Rippenbogens aus dem Körper ragte. Ich begriff kaum was gerade geschehen war. Dabei wollte ich schreien, doch kein einziger Ton verließ meine Kehle. Dann zog er es wieder aus mir heraus. Ich keuchte erneut und das Blut ströhmte gleich eines Wasserfalles auf das nasse Gras unter mir. Mit großen Augen rang ich nach Luft, hielt mich mit der linken Hand am Boden fest um nicht auf die Erde zu fallen. Mit der rechten Hand versuchte ich das Blut an der Austrittsstelle zu stoppen, doch es half alles nichts, denn auch aus der Eintrittsstelle des Schwertes lief das Blut in ströhmen. Ich atmete nun immer schneller, hechelte schon fast.

Plötzlich begann der Boden zu vibrieren.

Ich hob meinen Kopf an und sah verschwommen Ivar in seinem Streitwagen auf mich und den Norweger zu galoppieren. Sekunden später enthauptete er meinen Widersacher mit einem Schwerthieb. Mit blutunterlaufenen Augen blickte ich zu ihm nach oben und auch er sah auf mich herab. Dabei hatte er diesen leidenden Blick in seinen Augen. Es tat ihm leid was er angerichtet hatte.

»NEIN!« schrie Ubbe, welcher ebenfalls zum Ort des Geschehens stürmte. Und beim Anblick meines nahenden Todes machte Ivar wortlos kehrt und ritt so schnell sein Pferd ihn trug davon.
»Nein! Nein!« klagte Ubbe als er meine klaffenden Wunden wahrnahm. Er ließ sich vor mir auf die Knie fallen und nahm mein Gesicht in seine Hände, doch ich blickte weiterhin Ivar hinterher. Er hätte mich eigenhändig töten können, doch das hatte er nicht getan.

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