Kapitel 5. | Das Schicksal und der Seher

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Erschrocken riss ich meine Augen auf als ich bemerkt hatte, dass jemand mich sanft an der Schulter wachrüttelte. Reflexartig richtete ich mich auf und blickte wirr in das Gesicht einer ebenso verdutzten Sklavin.

»Björn Lothbrok wünscht sie am Hafen zu verabschieden« meinte sie ehrfürchtig und kurz gebunden, nickte heftig und verließ dann die Gemächer. Übermüdet reckte ich mich, konnte mich dann aber schnell dazu bewegen aufzustehen und mich zu bekleiden. Ich warf mir ein neues Gewand und meinen dunklen Pelz über, zog mir meine Schuhe an, richtete mein zerzaustes Haar und verließ dann ebenfalls die Hütte um zum Hafen zu gehen. Ich versuchte nicht daran zu denken dass ich bald auf mich allein gestellt war. Beim Gedanken daran bald ohne Björn an meiner Seite zu sein, welcher mich in jeder Lage beschützen würde, wurde mir mulmig zumute.

Björns Hütte war nicht weit vom Meer gelegen. Halb Kattegat hatte sich bereits um den Steg versammelt. Sie jubelten und besangen die Götter um eine heile Rückkehr ihrer Krieger. Einige Wikinger waren dabei Vorräte auf die Drachenschiffe zu packen. Andere wiederum verabschiedeten sich derweil von ihren Familien. Zwischen der gröhlenden Menge konnte ich die jüngeren Lothbrok Brüder ausmachen. Auch sie verabschiedeten sich von einigen der Wikingern, welche wohl ihre Freunde waren. Zielstrebig ging ich auf die Drei zu und gesellte mich wortlos zu ihnen. Ubbe hob sich eine Hand vor die Stirn um gegen die Sonne ansehen zu können während er mich gewohnt freundlich anblickte.

»Guten Morgen Sól.« Er schenkte mir ein breites Lächeln. Seine warmherzige Art steckte mich umgehend an. »Guten Morgen die Herren« antwortete ich grinsend in die Runde. Hvitserk nickte mir ebenso freundlich entgegen, wandte sich dann jedoch wieder gespannt dem Geschehen auf den Booten zu. Ivar, welcher auf einem Holzfass saß, starrte mich hingegen ausdruckslos und kühl mit seinen eisblauen Augen an. Ich konnte ihn einfach nicht einordnen. Den einen Tag war er überaus freundlich und zuvorkommend, den anderen war er wieder kühl und zurückhaltend. Er war wie Feuer und Eis in ein und der selben Person. Doch jedes Mal waren da diese vielsagenden Blicke seinerseits. Was ging nur in ihm vor?

»Da bist du ja!« riss Björn mich mit erleichterter Stimme aus meinen Gedanken. Er grub sich seinen Weg durch die Menschenmenge, bis er vor mir stand und ich zu ihm aufblickte. Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht während er mir verliebt in die Augen sah.
»Ich wünschte wir könnten mehr Zeit miteinander verbringen. Doch ich hoffe dass wir all die Zeit nachholen können sobald ich zurück in Kattegat bin.«
Ich nickte ihm einwilligend zu.
Er war mir immernoch fremd.
Doch ich fühlte mich dennoch geborgen und sicher in seiner Gegenwart. Ich wusste er würde mir niemals Schaden zufügen.
In der echten Welt - In meiner Welt..wäre ich lange nicht so schnell mit einem Mann intim geworden den ich nur so kurze Zeit kannte. Doch hier war alles anders.
Er ließ mich alles vergessen was geschehen war und ich hatte fast ein wenig vergessen, dass ich aus einer ganz anderen Zeit stammte. Doch jetzt musste Björn gehen und ich war wieder auf mich alleine gestellt. Wie sehr hätte ich mir gewünscht dass er einfach noch eine Weile blieb, zumindest so lange bis ich mich etwas besser in Kattegat eingelebt hatte. Doch es ließ sich nicht ändern. Björn war ein Mann mit einem großen Plan.Und von diesem Plan ließ er sich nicht abbringen.

»Bis bald Liebste« hauchte er mir ein letztes Mal entgegen ehe er mir einen zärtlichen, langen Kuss auf die Stirn presste. Dann ließ er nochmals seine riesigen Finger durch mein Haar gleiten und sah mich reumütig an. Ich konnte spüren wie sehr es ihm eigentlich widerstrebte diese Reise anzutreten.
»Auf Wiedersehen Björn« antwortete ich ihm mit zittriger Stimme, nahm seine Hand und gab ihm einen Kuss auf seinen Handrücken . Er presste leidend seinen Kiefer zusammen. Im Augenwinkel konnte ich sehen wie Ivar genervt mit seinen Augen rollte. Dann verabschiedete Björn sich auch von seinen Halbbrüdern und ging.
Ohne sich nochmals nach mir oder den Anderen umzudrehen.
Dann stieg er auf eines der Schiffe und sie legten ab. Die Menge jubelte und sie winkten ihren Kriegen zum Abschied.
Einige Frauen und Kinder kämpften mit ihren Tränen und auch ich spürte wie ein salziger Tropfen über meine Lippen floss. Wie konnten diese Frauen es nur immer wieder aufs neue ertragen, dass ihre Männer monatelang auf Kreuzzüge gingen. Wohlwissend dass sie nie mehr wieder zurück kommen könnten. Es war mir ein Rätsel.
Als die Schiffe langsam am Horizont verschwunden waren, drehte ich mich um um in die große Halle zum Frühstück zu gehen. Ubbe, Ivar und Hvitserk waren bereits verschwunden.
- Nett von ihnen dass sie auf mich warteten... Ich ließ mir nichts anmerken und machte mich alleine auf den Weg. Die verachtenden Blicke meiner Mitmenschen lagen mir stets im Rücken. Sie waren immer noch nicht davon überzeugt, dass ich keine Hexe war.

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