Kapitel 13 - Wintereinbruch

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Das Quidditchspiel hatte am letzten warmen Tag stattgefunden. Als hätte sich das Wetter von der frostigen Stimmung bei den Kestens nach dem eindeutigen Sieg für Ehura anstecken lassen, wurde es draußen schlagartig kälter. Während der gesamten letzten Schulwochen vor den Winterferien fegte ein eisiger Wind über das Gelände von Winterfels und an den Fensterscheiben bildeten sich wunderschöne Eiskristalle. Der Bach, der an den Gewächshäusern vorbeifloss und schließlich in einem kleinen Wasserfall den Hang hinunterstürzte, gefror zweiweise und lockte einige neugierige Schüler an den Rand des Schulgeländes, um sich den vereisten Wasserfall anzusehen.

Was Jan allerdings noch viel mehr faszinierte als die Veränderung der Natur, war das Verhalten der Magie. Er staunte nicht schlecht, als er am Montag der vorletzten Wochen vor den Winterferien im Innenhof saß und es zu schneien begann. Er hatte über das Schuljahr gelernt, dass der Regen wie auf einer unsichtbaren Kuppel abperlte und dann in die Ecken des Hofs floss, wo er die Gründerbäume bewässerte. Doch ging das auch bei Schnee? Oder würden die weißen Flocken wie ein Iglu über ihnen liegen bleiben. Gespannt sah er nach oben und stellte fasziniert fest, dass der Schnee sobald er die unsichtbare Kuppel berührt hatte zu schmelzen begann und dann wie gewohnt als Wasser in die Ecken des Innenhofs strömte. Und auch wenn ihm eigentlich eine gemütliche Schneedecke lieber gewesen wäre, wurde ihm bei der Ankunft der Eulen doch klar, dass dann keine Post mehr in den Innenhof kommen könnte.

Interessiert sah er den unzähligen Vögeln zu, die nun aus dem Schneegestöber in den trockenen Innenhof flogen und auf den Haustischen landeten. Jans Blick fiel zu Herrn Tuplantis, der schon seit einiger Zeit einen Brief las. Scheinbar war seine Eule früher da gewesen als die restliche Morgenpost. Auf seiner Stirn hatten sich tiefe Sorgenfalten gebildet und er hielt die Hand vor den Mund, als er Herrn Goldenberg, dem Lehrer für Flugunterricht, etwas zuflüsterte.

»Schau mal, Herr Jorski ist wieder da!«, sagte Levi und deutete unauffällig auf ihren Lehrer für Zaubertränke, der am linken Ende des Tisches saß und in ein Gespräch mit Herrn Hausmann vertieft war.
Jan zog gequält einen Mundwinkel nach oben. »Ich freue mich zwar, dass es ihm gut geht«, meinte er, »aber an Zaubertränke mit Frau Braun hätte ich mich gewöhnen können.«
In den wenigen Wochen bei der jungen Lehrerin, die für gewöhnlich magische Pflanzen unterrichtete, hatte er mehr gelernt, als im restlichen Schuljahr bei Herrn Jorski. Es war ja nicht so, dass der polnische Auror kein guter Zauberer war, aber Erklären in deutscher Sprache war einfach nicht seine größte Stärke.
Als Jan Levis entrüsteten Gesichtsausdruck sah, wollte er seine Aussage gerade revidieren, aber in diesem Moment erhob sich Herr Tuplantis. In Anbetracht der nun vermutlich folgenden Ankündigungen entschied sich Jan, ruhig zu sein.

»Guten Morgen liebe Schüler«, grüßte der Schulleiter und sah mit freundlich lächelndem Gesicht in der Halle umher. »Ich sehe Lebkuchen und Plätzchen auf den Tischen, draußen fällt der Schnee und am Adventskranz brennt schon die erste Kerze. Weihnachten naht und ich merke, dass bei euch genau die richtige Stimmung herrscht. Und auch ich habe eine fröhliche Nachricht zu verkünden. Herr Jorski hat sich von seiner schweren Kopfverletzung erholt und erfreut sich wieder bester Gesundheit. Bereits heute wird er seinen Unterricht wieder aufnehmen können.«
Er machte eine kurze Pause und sah zu dem erwähnten Lehrer.

»Allerdings habe ich auch eine Nachricht, die eure weihnachtliche Stimmung vielleicht etwas trüben wird«, fuhr er fort und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. »Wie ihr wisst, hat vor gut vier Wochen ein unbekannter Täter die Stallungen angegriffen und die Apparierplattform verhext. Herr Jorski ist dabei verletzt worden, aber Herrn König hat es noch schlimmer getroffen. Euer Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste ist beim Versuch zu disapparieren verschwunden. Ich wünschte sehnlichst, dass ich euch verkünden könnte, dass er wohlauf ist und versehentlich an einen falschen Ort appariert ist. Aber leider ist dem nicht so. Keiner von uns weiß, wo unser Kollege, Mitstreiter und Freund ist. Es mag erschreckend sein, dies zu hören, aber Ehrlichkeit und Transparenz sind Grundüberzeugungen von mir, mit denen ich diese Schule führen möchte. Ihr verdient es, zu wissen, wie es um euren Lehrer steht.«

Die vergessene Schule - HP FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt