Kapitel 3 - Burg Winterfels

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Mit einem Knarzen betätigte Herr König den Hebel, woraufhin sich die Propeller des Carls zu bewegen begannen und die Flugmaschine langsam an Höhe gewann.
»Sobald wir über den Hügel da vorne geflogen sind, könnt ihr eure zukünftige Schule schon sehen«, verkündete er. »Sie musste so abgelegen gebaut werden um sie vor neugierigen Muggelaugen zu schützen.«
»Warum führte die schwarze Tür nicht schon direkt nach Winterfels?«, fragte Julius den Lehrer.
Herr König drehte sich zu den Schülern um.
»Auch das hat wieder etwas mit den Muggeln zu tun - mit den Nichtmagischen«, antwortete er. »Sie dürfen auf keinen Fall von uns erfahren, schließlich haben wir im Mittelalter gesehen wozu das führt. Daher haben wir die magischen Porttüren eingerichtet, die zur Grünen Hütte führen. Damit ein Muggel, der sie durch Zufall betritt, nicht direkt an unserer Schule herauskommt, mussten wir die Flugstrecke noch einbauen.«
Jan staunte. Die Zauberer hielten ihre Welt vor der der Muggel geheim. Wie viele magische Dinge gab es wohl noch, die er nie bemerkt hatte?

Der restliche Flug verlief ausgesprochen ruhig. Herr König erzählte etwas über Carl Wilhelm Lilienthal und Leopold Clemens, die zwei Schulgründer, und danach sollte sich jeder der Schüler kurz vorstellen. Jan erfuhr, dass das Mädchen vorne links Ronja Marell war. Sie stammte aus einer sogenannten Halbblutfamilie und hatte schon einen großen Bruder, der nach Winterfels ging. Danach erzählte sie noch etwas von einem Haus, dessen Name so merkwürdig war, dass Jan ihn sich nicht behalten konnte.
Marina Johansen, das Mädchen vor ihm sprach in ähnlicher Zauberersprache. Laut ihren Erzählungen stammte sie aus einer dänischen Zaubererfamilie und flog in ihrer Freizeit gerne auf einem Besen. Und so merkwürdig das auch klang, Jan war sich ziemlich sicher, dass er sich nicht verhört hatte.
Sobald sie geendet hatte, kam Julius an die Reihe. Während er davon erzählte, dass seine Eltern in Lübeck einen kleinen Zauberladen betrieben, kam in Jan die Frage auf, ob es den schlimm sei, dass seine Eltern keinerlei magische Fähigkeiten hatten. Jeder der Anwesenden schien zumindest einen magischen Verwandten zu haben. Er hingegen hatte bis vor kurzem nicht einmal etwas von Zauberei gewusst. Was sollte er nur bei der Vorstellung gleich sagen? Zu seinem Erschrecken war Julius bereits fertig mit seiner Erzählung und Herr König sah nun ihn erwartungsvoll an.

»Ich heiße Jan«, begann er vorsichtig. »Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich in den Ferien das erste Mal etwas von Zauberei gehört. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Baden-Württemberg. Ich bin in einem Handballverein und fahre gerne Fahrrad.«
Etwas unsicher sah er zu den anderen. Er hatte Vorstellungsrunden noch nie leiden können. Aber als er neu in die fünfte Klasse gekommen war, war es wenigstens etwas Interessantes gewesen, dass er Handball spielte. Schließlich hatte die Jugendmannschaft seines Vereins es sogar einmal in die dritte Runde des Landespokals geschafft. Aber hier hatte er das Gefühl, dass alles, was nichts mit Zauberei zu tun hatte, unnormal war.

Doch die Reaktionen der Anwesenden fiel anders aus, als gedacht. Statt Abneigung lag eher Interesse in ihren Blicken.
»Handball?«, wiederholte Herr König. »Ich bin zwar in den letzten Jahren immer wieder in der Muggelwelt herumgekommen, aber davon habe ich noch nie gehört. Mir haben nur immer wieder einige Schüler aus Muggelfamilien von Fußball erzählt. Ist das so etwas Ähnliches?«
Jan konnte nichts anders, als ein wenig zu Schmunzeln. Er hatte mit Vielem gerechnet, aber nicht mit einer so interessierten Antwort. Seine Sorgen von vorhin, waren sie etwa vollkommen unbegründet gewesen?
»Es gibt einige Ähnlichkeiten, ja«, antwortete er. »Es gibt zwei Mannschaften und zwei Tore, in die sie einen Ball bekommen müssen. Aber man schießt den Ball nicht, sondern wirft ihn.«

»Was sich die Muggel alles einfallen lassen«, staunte Julius. »Das hört sich ein bisschen an wie Feuerball.«
Er wandte seinen Blick zu den beiden Mädchen nach vorne. »Kennt ihr das?«
Und während zwischen den dreien eine heiße Diskussion über magische Sportarten entfachte, entstand in Jans Herzen ein warmes Gefühl. Seine Herkunft schien ihn nicht davon abzuhalten, eine schöne Schulzeit in Winterfels zu haben.
Als sich die drei darauf geeinigt hatten, dass Feuerball ein spannender Sport war und die deutsche Nationalmannschaft gute Karten für die diesjährige Europameisterschaft hatte, wollte Herr König damit beginnen, ihnen etwas über die Fächer in Winterfels zu erzählen. In diesem Moment deutete Julius allerdings mit großen Augen aus dem Fenster.

Die vergessene Schule - HP FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt