Prolog - Finstere Pläne

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Wie Schafe zogen die Wolken über den nächtlichen Himmel. Sie verschluckten das Mondlicht fast vollständig und sorgten für eine gespenstische Dunkelheit im Dörfchen Engertzhausen. Nur selten fuhr noch ein Auto über die nahegelegene Bundesstraße. Das einzige Licht kam von den Laternen, die vereinzelt die Straßen des kleinen Orts erhellten. In deren Licht konnte man einen Schatten erkennen, der plötzlich auf einer schmalen Gasse erschien. Er sah sich kurz um und ging dann zielstrebig auf einen Garten zu. Dort öffnete er das quietschende Gartentor, wobei er einen Gnom aufschreckte, der laut raschelnd im Gebüsch verschwand. Der Mann ging über einen Weg aus steinernen Platten, ohne das ungepflegte Beet oder die große Werbetafel, die mitten auf dem Rasen aufgestellt war, auch nur eines Blickes zu würdigen. Vor der Haustür hielt er an. Er warf einen prüfenden Blick auf das Klingelschild, dann zückte er seinen Zauberstab.

»Alohomora«, flüsterte er leise, woraufhin sich die Türe öffnete. Der Mann trat ein und schloss die Tür hinter sich. Sobald diese zugefallen war, machte er wieder eine Bewegung mit seinem Zauberstab und flüsterte leise »Lumos«. Augenblicklich erschien aus der Spitze des Stabes ein spärliches Licht, das den Raum so erhellte, dass man ihn grob erkennen konnte. Es war ein normalgroßer Flur, in dem ein rustikales Sideboard stand, das von einigen unheimlichen Dekorationen geschmückt wurde. Auch der Mann war im Schein des Lichts nun besser zu identifizieren. Er trug einen langen Umhang und hatte dessen Kapuze er über den Kopf gezogen. Darunter konnte man dunkelbraune Haare erkennen, sowie einen kurzen, ebenfalls braunen Bart. Über seine linke Wange zog sich eine lange Narbe.

Suchend leuchtete er mit seinem Zauberstab in alle Ecken des Hauses, wobei die Dielen unter seinen Füßen laut knarzten. Dazu mischte sich allerdings auf einmal ein anderes Geräusch. Schnelle Schritte. Kurz darauf öffnete sich eine Tür am Ende des Flures.

»Wer ist da?«, fragte eine dumpfe Männerstimme mit drohendem Unterton in seiner Stimme und im nächsten Moment betrat ein zweiter Mann den Flur. Er war in ein blaues Karohemd gekleidet und richtete seinen Zauberstab genau auf den Besucher. Dieser ließ sich allerdings nicht einschüchtern. Er drehte sich ruhig um und lächelte den anderen an.
»Guten Abend, Marcos«, begrüßte er ihn.
Der eben als Marcos angesprochene Mann schien die Stimme des anderen zu erkennen. Die Anspannung wich aus seinen Gesichtszügen und er ließ seinen Zauberstab sinken.
»Titus«, erwiderte er den Gruß, »was machst du denn hier?«

Auch der ließ nun seinen Stab sinken und betätigte stattdessen den Lichtschalter.
»Ich brauche dich«, erklärte er geheimnisvoll. »Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, hat sich einiges verändert.«
Verwundert zog Marcos seine Augenbrauen zusammen. »Aber warum brichst du denn einfach in mein Haus ein?«, fragte er mit gerunzelter Stirn, während er seinen Gast ins Wohnzimmer geleitete. »Du hättest dich doch ankündigen können. Oder wenigstens klingeln.«

»Klingeln«, wiederholte Titus verächtlich. »Ich halte nichts von diesem Muggelkram.«
Sein Blick schweifte skeptisch über die Zimmerpflanzen und Fotos, die die Wohnzimmerregale zierten.
»Unter normalen Umständen hätte ich dir natürlich eine Eule zukommen lassen«, fuhr er währenddessen fort. »Aber die Zeiten sind nicht normal. Gib mir ein wenig Zeit und ich erzähle dir alles.«

Marcos nickte, nach wie vor mit einigen Falten im Gesicht, während er einen Werkzeugkoffer von einem Sessel herunterstellte und seinem Gast eine einladende Geste machte.
»Sicher doch« antwortete er. »Ich will wissen, was meinen alten Freund mitten in der Nacht dazu bringt, von England nach Deutschland zu apparieren.«
Er selbst rückte sich einen alten Stuhl zurecht und setzte sich seinem Gast gegenüber. »Erzähl schon!«

»Ich habe dir ja gelegentlich von meinen Projekten geschrieben«, begann Titus, während er sich in den Sessel sinken ließ. »Ich habe Anhänger gesammelt, wir haben uns getroffen und Pläne geschmiedet. Aber jedes Mal ist uns das Ministerium zuvorgekommen, wenn wir sie umsetzen wollten. Heute haben sie unser Übergangsquartier entdeckt und durchsucht. Mal wieder.«

Er seufzte kaum hörbar und legte seinen Arm auf der Lehne des Sessels ab.
»Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es keinen Sinn hat«, erklärte er dann. »Das liberale England ist seit dem zweiten Zaubererkrieg überaus sensibel für jegliche Ideen, die eine wirklich gerechte Ordnung fordern. Aber zum Glück ist England nicht die ganze Welt. Dieser Gedanke ist mir heute gekommen. Ich musste schlagartig an dich denken. Und an das Land, in das du nach unserer großen Blamage geflohen bist. Und mir ist eine Idee gekommen.«
Marcos sah ihn mit einem verwunderten Gesichtsausdruck an.
»Die Deutschen sind auch nicht blöd, Titus«, warnte er, »auch sie werden deine Vorhaben nicht dulden. Ihr Zaubereiminister hat eine ähnliche Einstellung wie Shacklebolt.«

Titus' Blick verwandelte sich in ein Lächeln. »Sie werden nichts von meinen Vorhaben erfahren«, widersprach er siegessicher. »Es ist an der Zeit, an einen Ort zurückzugehen, dem ich eigentlich längst den Rücken gekehrt hatte. In den Untergrund.«
Titus wirkte überzeugt von seinen Worten. Wie ein Manager, der ein neues Produkt vorstellte. Aber sein Gesprächspartner legte als Reaktion bloß die Stirn in Falten.
»Über all die Jahre hast du an deiner Redekunst nichts verloren, das muss ich dir lassen«, stellte er nüchtern fest. »Nur verstehe ich nicht ganz, was du mir sagen willst. Was hast du überhaupt vor?«

Das Lächeln auf Titus' Gesicht wurde breiter.
»Ich werde mich dafür rächen, was unseren Verwandten angetan wurde, bloß weil sie das Richtige durchsetzen wollten«, erklärte er. »Ich werde vollenden, was sie begonnen haben. Und in Deutschland geht das nun mal am leichtesten. Du solltest wissen, warum. Sie sind noch immer aus nichtigen Gründen von der Weltpolitik isoliert und haben nur wenig Erfahrung mit Dunklen Künsten. Fudge hat ganze Arbeit geleistet.«
Er stieß ein höhnisches Lachen aus.
»Ich bin sicher hier werden wir zu großem Erfolg kommen«, fuhr er dann fort, »für Peter!«
Marcos' Blick zeigte eindeutig, dass er die Pläne seines nächtlichen Besuchers noch immer nicht ganz durchblickte. Dennoch stimmte er in sein Rufen mit ein.
»Und für ihn«, pflichtete er Titus bei.

Die vergessene Schule - HP FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt