Gräber

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Am späten Abend klopfte es wieder an der Tür. Harry war gerade erst in sein Zimmer zurückgekehrt. Er stand auf und öffnete die Tür.

"Hey Harry, hast du gerade Zeit?", fragte Hermine.

"Klar, Mine, du kannst reinkommen, wenn du möchtest", antwortete Harry.

Hermine trat ein und setzte sich in einen Sessel. Harry setzte sich auch hin und sah Hermine fragend an.

"Ich kenne dich schon zu lange, ich weiß, dass du irgendetwas Wichtiges mit mir besprechen möchtest", sagte Harry irgendwann, als Hermine nicht wusste, wie sie anfangen sollte.

"Du kennst mich wirklich zu gut", sagte Hermine.

"Also", holte Hermine tief Luft, "ich will dich jetzt nicht drängen oder so, Harry, mir ist nur heute Nachmittag etwas aufgefallen, das mich jetzt beschäftigt und ich irgendwie entsetzt über mich selbst bin."

"Was ist es?", fragte Harry verwirrt.

"Nun, ich denke, es gibt andere Gründe dafür, dass du Emily ... nun ja, so beschützt ... also andere Gründe, als wir vermutet haben."

"Was habt ihr denn vermutet?"

"Ich meine, wir haben uns gefragt, warum du dich so sehr um Emily kümmerst, bevor du uns gesagt hast, dass sie jetzt deine Tochter ist. Wir dachten, du wärst einfach nur aufgebracht darüber, keine Familie für Emily zu finden. Wir dachten, du wärst einfach nur du, ich meine, du würdest wirklich alles für Freunde und Familie tun. Sogar für Menschen, die nicht Freunde und Familie sind."

"Ich verstehe noch immer nicht, worauf du hinaus willst."

"Harry, ich will dich nicht bedrängen oder so, ich will nur sagen, dass du immer mit und reden kannst."

Harry schaute nur noch verwirrter.

"Ich glaube, es ist mehr, als dass Emily dir einfach "nur" leid tat. Ich - ich meine, ich denke, du tust es, weil du dich in Emily siehst. Deine Situation damals als Kind ist dieselbe wie die von Emily, weshalb du ihr eine bessere Kindheit geben möchtest. Eine bessere Kindheit als du sie bei deinen Verwandten hattest."

Harry war leicht geschockt. Er wusste, wie schlau Hermine war, doch er hätte nicht gedacht, dass sie einfach so zusammenzählen konnte, was wirklich los war. 

"Du liegst richtig", sagte Harry etwas abweisend.

"Harry, ich ... ich möchte nur sagen, dass wir für dich da sind. Du ... du tust immer so viel für andere, aber manchmal vergisst du einfach dich selbst. Ich ... ich schäme mich dafür, dass ich es nicht früher bemerkt habe, ich meine, du hast nie über dein Zuhause geredet, und Ron erwähnte im zweiten Schuljahr Gitter an deinen Fenstern und dass du eingesperrt wurdest. Und dann das mit dem Kochen und so... Ich meine, wir wussten ja, dass du deine Verwandten nicht mochtest und sie dich auch nicht leiden konnten, aber das ist einfach mehr. Ich meine mehr, als dass du sie einfach so nicht magst. Es ist, wenn ich mich jetzt einfach an einige Details über die Schuljahre erinnere, dass ich denke, dass du von deinen Verwandten ... misshandelt wurdest."

Harry traf es wie ein Schlag in den Bauch, dass es jemand so direkt aussprach. Er hatte sich über die Jahre Gedanken gemacht, dass es das war, was seine Verwandten getan hatten. Und doch kam es ihm trotzdem immer so unwirklich vor.  

"Ich wurde nicht geschlagen", antwortete Harry monoton. Dann biss er sich auf die Lippe.

"Es heißt nicht, dass du geschlagen werden musst. Es bedeutet auch schon, dass dir grundlegende Dinge vorenthalten wurden."

"Ja."

"Ich ... ich mache mir nur Sorgen. Und ich verstehe nicht, warum ich es nicht früher gewusst habe, ich hätte es doch eigentlich bemerken ..."

Unerwartete FamilieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt