2 - Raketenreparatur

218 26 31
                                    

»Jetzt beruhigt euch doch mal!« sagte Shantao, als er die grübelnden Gesichter seiner Freunde sah, »es bringt doch nichts sich jetzt schon den Kopf zu zerbrechen, wenn wir noch nicht wissen, ob dieses Virus wirklich eine Gefahr ist.«

Vlesk und Kutcher tauschten einen Blick, dann wischte Vlesk die Schneeflocken von seinem Visier und seufzte. »Gut, du hast Recht. Schicken wir erst mal die DNA-Proben hoch.«

Kutcher nickte zustimmend und entriegelte die Tür, die in den Laborkomplex führte. Nach ein paar Metern im Flur verließen sie das Gebäude wieder und traten durch eine weitere Tür auf einen kleinen eingezäunten Hof. Vlesk hatte nie den Zweck des Maschendrahtzauns verstanden, das Gelände war ja sowieso schon abgeschottet.

Neben einer Werkbank stand hier auf dem Hof die Rakete. Oder was noch von ihr übrig war: ein großer Metallzylinder, drumherum allerlei Einzelteile wie verdrahtete Platten, Schaltkreise, Streben, Schrauben und Muttern verstreut. Der Zylinder hatte lauter Löcher, an denen eben diese Dinge fehlten und sah ziemlich zerbeult aus.

»Na hallo, du hübsches Ding«, Kutcher klopfte auf das Metall, »wo fehlt's dir denn, hm?«

Es war ziemlich offensichtlich was fehlte - nämlich so ungefähr alles - und deswegen konnten Shantao und Kutcher sich nicht einigen, womit sie anfangen sollten.

Vlesk, der sich schon nach zwanzig Sekunden nicht mehr an der Diskussion beteiligen wollte, nahm sich eine Platte, die wahrscheinlich Drähte oder ähnliches verkleidete und fand ein Loch im Zylinder, das dieselbe Größe hatte. Die Platte war zwar etwas verbogen, aber er wusste sich zu helfen und bog sie mithilfe einer Zange zurecht. Als er sie nochmal anhielt, passte die Platte quasi perfekt.

»Gibt mir jemand mal den Lötbrenner?«

In seine Argumentation vertieft, griff Kutcher nach dem Gerät und hielt es vage in Vlesk Richtung, der die Platte wieder sinken ließ. »Ey, sorry, Philly, ich wollt' dich nicht überfordern. Weißte was, ich kann das sperrige Ding hier auch zu dir rüber schleppen und mir den selbst holen, wenn's dir sonst zu viele Umstände macht.«

»Danke, du bist so zuvorkommend«, sagte Kutcher und schnitt hinter seinem Visier ein ebenso affektiertes Grinsen zurück, bequemte sich dann aber doch zu Vlesk, um ihm beim Löten zur Hand zu gehen.

Nach und nach erstarrten ihre Gespräche, sie blieben zwischen ihnen hängen, wie die Eiszapfen, die von der Dachkante hingen. An diesem Tag war es besonders mies kalt.

Aber draußen war es immer sehr anstrengend beiläufig zu kommunizieren. Entweder wurden ihre Stimmen durch den Helm gedämpft oder durch den kleinen Lautsprecher verzerrt und auch nur nebenher zu schwatzen brauchte viel Konzentration.

Wenn es nicht so kalt gewesen wäre, hätten sie ihre Helme abnehmen können. Zwar nicht besonders lange und intensiv zu reden wäre auch schwierig gewesen, weil der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre nicht hoch genug war, um den ganzen Bedarf zu decken, aber immerhin.

Es erstaune Vlesk. Da gurkte die gesamte Menschheit im All herum, auf gigantischen Raumschiffen, in verschiedenen Galaxien, zwischen den Sternbildern und eigentlich doch immer auf der Suche nach Sauerstoffreserven, und dann waren sie hier eine Forschungstruppe auf einem potentiellen Planeten und arbeiteten mit verschlissenem Material und Technologien, die so veraltet waren, wie Smartboards in Schulen.

Gut, Polus II war vielleicht noch nicht ausreichend erforscht, aber wenn sie es schaffen würden das Wetter zu beeinflussen und den Boden zu optimieren, könnten sie Wälder anpflanzen, um den Sauerstoffgehalt anzureichern und-

»Chris?«

Er blickte von seinen Gedanken auf, Kutcher hielt ihm die nächste Schraube entgegen. Murmelnd bedankte er sich und zog die nächste Platte an. Er sollte einsehen, dass sie hauptsächlich nur hier waren, um irgendwelche besonderen Rohstoffen zu finden. Und dass er eigentlich keine Ahnung hatte, wie die Kultivierung eines Planeten funktionierte.

fast schon Blutmond // Among UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt