11 - Alibibeschaffung

173 15 46
                                    

Von diesem Tag blieb am nächsten nur das Gefühl eines schlechten Traums. Und das leere Stockbett gegenüber.

Eine seltsame Perspektivlosigkeit hatte sich in Vlesk breit gemacht, als er wie immer seine täglichen Pillen schluckte und Wasser hinterher kippte. Alles blieb gleich auf dieser dämlichen Station, während natürlich nichts gleich blieb.

Der Alltagstrott war verwässert von der Trauer um die Toten und Sorge um die Lebenden und einer schwer greifbaren Ungewissheit.

Von dieser Unsicherheit wiederum fest im Griff patrouillierte Vlesk zwischen Lifeline und Admintable hin und her. Was, wenn während er seine Task machte, etwas PASSIERTE?

Der Punkt in Admin war er selbst. Drei, vier Punkte wanderten auf der linken Seite herum, immer wieder tauchte einer im Security Raum bei den Kameras auf. Auf der rechten Seite, in Lab und Specimen waren insgesamt drei Punkte.

Aus O2 verschwand erst einer, dann ein zweiter Punkt. Beide tauchten kurz darauf in Weapons auf. Auf einmal war im linken Komplex KEIN einziger Punkt mehr, außer die beiden in Weapons. Vlesks Finger trommelten auf der Tischkante herum. Vorhin hatte Kutcher gesagt, dass er noch die Task in Weapons machen musste. Und vielleicht erwischte Vlesk einen ungünstigen Zeitpunkt an dem Table, aber auch die anderen Punkte auf der rechten Seite verschwanden und sein Punkt in Admin blieb als einziger übrig und er beschloss auch zu gehen.

Zuerst zur Lifeline; aber die Anzeige war unverändert. Das war GUT, richtig? Die Lichter begannen zu flackern und flüchtig wurde die Grafik von einem Störbild verzerrt.

Als er den Raum verließ, fühlte er sich, als würde er flüchten. Mit der Ausnahme, dass es keinen Ort gab, an den er hätte flüchten konnten. Sie saßen auf der Station fest.

Um seinen Anzug aus dem Spind zu nehmen und anzuziehen, brauchte er keine Minute mehr, die Handgriffe hatten sich eingebrannt; wahrscheinlich könnte er es schon blind. Und gerade als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, ging das Licht aus.

Er tastete sich zur Tür, während er gleichzeitig in seinem Anzug nach der Taschenlampe suchte. Die Tür ging auf, er bekam die Taschenlampe zu fassen, jemand rammte seine Schulter und die Lampe rutschte ihm aus den Händen.

»Ey!«

Keine Antwort. Schnelle Schritte entfernten sich, dann wurden die Geräusche vom Teppichboden verschluckt. Vlesk richtete seine Taschenlampe in den Flur, leuchtete die Wände ab und konnte niemanden entdecken.

Fluchend drückte die Tür auf. Er hielt Ausschau nach dem roten Blinken einer Kamera an der Außenwand, aber es blieb aus. Wahrscheinlich hatte die Person in Security die Kameras verlassen, um einen Raum weiter das Licht wieder anzumachen. Was zwar hieß, dass niemand den seltsamen Zusammenstoß eben gesehen hatte, aber gleichzeitig auch Vlesk die Aufgabe abnahm, selbst zu Electrical und das Licht fixen zu müssen.

Um eine weitere unliebsame Überraschung zu vermeiden, schwenkte Vlesk seine Lampe rundherum. Nachdem er die Tür zu Weapons aufgezogen hatte, wollte er in den Raum leuchten, aber ein Geräusch, dass er nicht zuordnen konnte, ließ ihn innehalten. Ein Wimmern?

Und da war ein schwacher Lichtschein. Eine Taschenlampe? Sie lag weiter hinten im Raum in der Ecke auf dem Boden und leuchtete einen kleinen Fleck Metallwand an. Mehr konnte Vlesk nicht erkennen, seine eigene Taschenlampe hielt er hinter dem Rücken verborgen, und obwohl er abwartete, konnte er keine Geräusche mehr vernehmen.

Schließlich trat er einen Schritt vor und leuchtete mit der Taschenlampe in den Raum. Heller, weißlicher Anzugstoff blitzte auf und Vlesk rutschte »Kutcher? Bist du das?« heraus.

Der Angesprochene schreckte auf und wirbelte herum. Es war Kutcher. Und im hellen Lichtkegel waren die roten Flecken auf seinem weißen Anzug nicht zu übersehen. Seine ganzen Handschuhe waren voll davon.

fast schon Blutmond // Among UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt