Nachdem der König das Turnier offiziell für beendet erklärt hat, da der Sieger feststand, habe ich mich übereilt davongemacht und einen überraschten Roy einfach stehen gelassen. Während ich beinahe gerannt bin, bin ich mir der seltsamen Blicke in meinem Rücken sehr wohl bewusst gewesen. Doch es ist mir egal. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Mir ist es ebenfalls egal, dass Weglaufen nicht die Lösung für meine Probleme ist. Aber ich bin vollkommen überfordert mit der Situation und meinen Gefühlen, sodass ich das Ganze erst einmal mit mir selber ausmachen muss.
Während ich gedankenverloren durch den königlichen Garten des Smaragdschlosses laufe, schmerzt mein Herz so sehr, sodass ich beinahe glaube, einen Herzinfarkt erlitten zu haben. Und was noch schlimmer ist, ich fange an, daran zu zweifeln, dass die Idee den Sieger des Turniers zu heiraten, eine gute Idee gewesen ist. Vielleicht hätte ich mir einfach einen Prinzen aussuchen sollen, denn ob Prinz Roy wirklich so eine gute Wahl ist, erscheint mir im Augenblick doch ziemlich zweifelhaft. Schließlich kenne ich ihn nicht gut genug, um das beurteilen zu können. Nicht, dass ich lieber Prinz Ash zum Ehemann hätte. Auf gar keinen Fall! Aber möglicherweise habe ich mich in Vincent getäuscht. Mich von seiner Fassade täuschen lassen, die er für die Welt aufgesetzt hat, da er mich letzten Endes doch noch positiv überrascht und mir gezeigt hat, dass er im Kern ein lieber Mensch ist, der nur einfach von den Erwartungen seines Vaters und von den Erwartungen, die an seine adelige Herkunft geknüpft sind, erdrückt wird.
Ich seufze und lasse mich auf einer weißen, verschnörkelten Marmorbank nieder, an welcher ich in diesem Augenblick zufällig vorbeikomme. Doch es sind nicht nur die Zweifel, die mich plagen. Mein Herz schmerzt vor allen Dingen, aufgrund meines enormen Heimwehs. Lukas würde mich wahrscheinlich mal wieder "Dramaqueen" nennen, wenn er mich im Augenblick so sehen könnte. Aber es stimmt. Ich übertreibe kein bisschen. Ich vermisse ihn zwar nicht, allerdings vermisse ich es an einem Tag wie diesem, an welchem ich einfach tieftraurig bin, mit meinen Freundinnen einen Mädelsabend zu veranstalten und mir tonnenweise Eis reinzustopfen, während wir uns einen schnulzigen Film nach dem anderen ansehen. Oder shoppen. Ich vermisse das Glücksgefühl von Laden zu Laden zu schlendern und mir das ganze Sortiment anzusehen, auch wenn ich am Ende vielleicht gar nichts kaufe, denn ich liebe es, einfach durch die Stadt zu bummeln. Oder an einem Tag wie heute würde ich Frust shoppen betreiben und mir erst einmal etwas Schönes für mich selbst gönnen. Danach fühlt man sich doch direkt besser. Schmerzlich vermisse ich des Weiteren auch, einfach mal spontan zum Friseur gehen zu können oder meinen Freundinnen zu schreiben oder mit ihnen zu telefonieren. Ja, mein Handy und die moderne Technik, die einem im Alltag vieles erleichtert, fehlt mir doch zunehmend immer häufiger. Aber vor allem vermisse ich meine Freundinnen, mit denen ich alles teilen konnte und auch meine Adoptiveltern, mit denen ich hin und wieder gemütliche Abende verbracht habe und wir uns dabei Pizza bestellt haben. Oh ja, Pizza! Bei dem Gedanken daran läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Was würde ich dafür geben, wenn ich noch einmal eine Pizza essen könnte oder einen Döner oder Pommes. Es sind so viele Dinge, die mir in dieser Zeit schmerzlich fehlen und mein Heimweh ins Unermessliche steigern.
Die letzten Tage über habe ich die Gedanken an mein altes Leben erfolgreich verdrängen können, da ein Ereignis auf das Nächste gefolgt war. Aber gegenwärtig drängen die Gedanken und Gefühle mit aller Macht an die Oberfläche und ich kann meine Tränen, die sich bereits in meinen Augen stauen, nicht mehr daran hindern über mein Gesicht zu laufen. Stumm lasse ich den Schmerz meines Heimwehs hinaus in die Freiheit. Nach und nach spüre ich unterdessen tatsächlich, wie der Druck auf meiner Brust ein wenig nachlässt und ich wieder freier atmen kann.
Als schließlich auch die letzten Tränen versiegt sind, wische ich mir mit der Hand über mein Gesicht und unter meinen Augen her, um auch die verbliebenen Tränenspuren zu beseitigen. Anschließend will ich gerade aufstehen und zurück ins Schloss gehen, als ich Prinz Roy erblicke, welcher neben der Bank steht und mit leicht besorgtem Gesichtsausdruck auf mich herabblickt. Beinahe wäre ich vor Schreck zusammengezuckt, da ich ihn gar nicht bemerkt hatte. Aber ich bin viel zu erschöpft dafür, nach meinem Gefühlsausbruch. Noch immer spüre ich den leichten Schmerz in meiner Herzgegend. Doch mittlerweile bin ich vor allem eins: erschöpft. Emotional erschöpft, denn meine Zweifel, das Heimweh und die Ereignisse der letzten Tage fordern ihren Tribut, da ich schließlich auch nur ein Mensch bin, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob man das als Prinzessin oder Königin überhaupt sein darf. Es müssen schließlich so viele schwierige Entscheidungen getroffen werden und manchmal eben auch solche, die andere verletzen. Ich will nicht so gefühlskalt werden wie die Könige und Königinnen, die ich bisher getroffen habe. Am liebsten würde ich ...
Im Grunde habe ich keine Ahnung, was ich eigentlich will. Mein Kopf ist so vollgestopft mit Gedanken und vor allem Fragen. Fragen, die meine Zukunft betreffen. Ich denke daran, ob ich bleiben will oder nach einem Weg suchen möchte, der mich in mein altes Leben zurückbringt, so wie ich es ursprünglich geplant hatte. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt dorthin zurückkann. Was ich machen werde, wenn das nicht möglich ist, weiß ich noch weniger.
Mit geschlossenen Augen reibe ich mir die leicht pochenden Schläfen. Ich brauche unbedingt einen Plan.
"Darf ich mich zu Euch setzen?", vernehme ich Roys sanfte Stimme, nachdem er sich zuvor leise geräuspert hat. Überrascht sehe ich ihn an. Ich habe ihn erneut völlig ausgeblendet und es wundert mich, dass er noch nicht gegangen ist. Schließlich habe ich ihn komplett ignoriert.
Ich nicke zur Antwort und erlaube ihm damit, dass er sich neben mich setzen darf, denn ich weiß, dass ich ihm eine Erklärung schulde und er mir ebenso. Auch, wenn ich im Moment eigentlich nicht reden will und zurzeit lieber allein wäre, da ich nach wie vor das Gefühl habe, keinem wirklich vertrauen zu können. Was auf Dauer doch ziemlich anstrengend ist. Weshalb ich abermals seufze.
Schließlich ist es Roy, der das Schweigen zwischen uns erneut bricht. "Warum seid Ihr eben überstürzt aufgebrochen?" Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, als ich nur mit den Schultern zucke. Seine Frage kann ich nicht beantworten. Ich kann ihm nicht sagen, denn ich ihm nicht vertraue, da ich ihn nicht kenne. Es könnte doch durchaus sein, dass er nur vordergründig so tut, als wäre er freundlich und in Wahrheit ist er der Schlimmste von allen drei Prinzen. Nach den Ereignissen der letzten Zeit halte ich alles für möglich.
"Ich kann verstehen, wenn Ihr mir nicht über den Weg traut", spricht Roy freundlich weiter. Daraufhin sehe ich ihn verblüfft an. Genau das ist mein Gedanke.
"Schließlich kennt Ihr mich nicht und ich kenne Euch nicht. Außerdem habt Ihr in den letzten Tagen viel erlebt, wenn ich darnach gehe, was mir so zu Ohren gekommen ist. Daher ist Euer Misstrauen nur allzu verständlich. Mir würde es an Eurer Stelle nicht anders gehen." Es folgt eine kurze Pause, in welcher ich Prinz Roy positiv überrascht von seinen Worten neugierig mustere. Aufgrund dessen, dass er im Moment so nah bei mir sitzt, fällt mir nur noch mehr auf, wie braun seine Augen sind. Ich könnte stundenlang hineinsehen.
Ohne mein Zutun läuft mir beim Blick in seine tiefbraunen Augen ein warmer Schauer über den Rücken und mein Herz schlägt augenblicklich einen Ticken schneller. Doch ich ermahne mich kurz darauf selbst und reiße mich von seinem Anblick los. Positive Gefühle für ihn zu empfinden, ist wirklich das Letzte, was ich im Moment möchte. Am Ende mag ich ihn womöglich noch. Oh nein, das kommt gar nicht infrage! So schnell lasse ich mich nicht von seinen netten Worten täuschen. Um ihm zu vertrauen, braucht es schon etwas mehr. Dafür muss er mir nicht nur mit Worten zeigen, dass er zu den Guten gehört.
"Ich würde Euch gerne kennenlernen, wenn Ihr es mir erlaubt", spricht Prinz Roy nach dieser kleinen Pause weiter und mustert mich bei diesen Worten, so als wolle er meine Reaktion darauf abschätzen können. Ich würde gerne verbergen, dass mich seine Worte erneut überraschen, da mich bisher keiner der Prinzen kennenlernen wollte. Doch es gelingt mir nicht. Trotzdem bleibe ich vorerst skeptisch. Er kann mir schließlich viel erzählen.
"Wie wäre es, wenn ich Euch das Rubinkönigreich zeigen würde und Euch ins Schloss einlade? Damit wir uns ein wenig besser kennenlernen können. Ich bin nun einmal der Sieger des Turniers und daraus müssen wir das Beste machen. Schließlich habt Ihr eine Vereinbarung mit dem Smaragdkönig getroffen. Das können viele bezeugen und so wie ich ihn einschätze, besteht er darauf, dass Ihr Euer Wort haltet."
Zum einen bin ich erneut überrascht, da ich nicht mit einem solchen Angebot gerechnet habe. Zum anderen weiß ich, dass er recht hat. Schließlich ich habe gesagt, dass ich den Sieger des Turniers heiraten werde und es muss zumindest den Anschein erwecken, dass ich mein Wort halte. Weswegen mir wohl nichts Anderes übrig bleibt, als das Angebot von Prinz Roy anzunehmen. Aus diesem Grund ergreife ich seine ausgestreckte Hand, schüttele sie und besiegele damit sein Angebot. Was daraus wird, darüber mache ich mir später Gedanken, denn im Moment bin ich einfach nur froh darüber, nicht länger im Smaragdkönigreich verweilen zu müssen. Ich fühle mich hier nicht wohl und noch weniger willkommen.
Vielleicht ist Prinz Roy doch keine so üble Wahl. Das hoffe ich zumindest sehr. Noch mehr böse Überraschungen kann ich bekanntlich nicht mehr gebrauchen. Aber ich werde sehen, ob er am Ende immer noch so nett ist wie im Moment. Oder ob er mein größter Alptraum sein wird.
DU LIEST GERADE
Der Zauber des Diamantkönigreiches
Fantasy- wird überarbeitet- Jewel Kingdoms- Vier Königreiche und ein Fluch. Band 1 Eigentlich sollte Zemira sich glücklich schätzen können, da sie den Traum vieler Frauen lebt, denn ihr Verlobter bietet ihr ein Leben im Luxus. Trotzdem ist Zemira unglückli...