Noah
„Ich sag's dir, irgendwas stimmt nicht mit ihr", versucht es Joshua wieder und innerlich verdrehe ich die Augen. Jetzt fängt er wieder damit an. „Vielleicht willst du aber auch nur, dass etwas nicht mit ihr Stimmt", zweifle ich. „Wieso sollte ich das wollen? Du musst schließlich mit ihr zusammenleben und nicht ich."
Im Hintergrund höre ich Nayla irgendwas sagen. Dann ist sie wohl wieder bei ihm. Was eine Überraschung. Neuerdings hängen die beiden nur noch aufeinander. Ich meine, mich stört es nicht, aber früher haben es die Beiden auch nie so lange miteinander ausgehalten. „Vielleicht willst du das auch nur, damit in deinem Leben mal wieder was Spannendes passiert."
„Komm schon. Du musst zugeben, dass sie komisch ist. Gibt nichts über sich preis. Hat versucht sich umzubringen und laut deinen Aussagen verschwindet sie mehrmals die Woche spurlos im Nichts, nur um dann plötzlich wieder aufzutauchen. Außerdem ist mein Leben spannend genug. Nur weißt du das eben nicht."
„Du hast vergessen, dass sie immer aus dem Fenster klettert." „Siehst du, irgendwas stimmt nicht mir der. Irgendwann wirst du das auch noch sehen."
„So wie sie es grade wieder macht", murmle ich und starre auf die Stelle, von der sie grade in den Garten geklettert ist. „Na worauf wartest du noch? Nichts wie hinterher." „Du sagst ich soll ihr hinterher spionieren? Das ist doch verrückt. Und wenn meine Eltern das mitbekommen, sitze ich in der Scheiße." „Ganz genau. Vielleicht ist sie ja eine Mörderin und du bist mitten in einem Horrorfilm gelandet. Vielleicht bist du sogar ihr nächstes Opfer. Wie in diesen Horrorfilmen. Du weißt schon."
Er spinnt und irgendwo tief in mir weiß ich, dass es nicht richtig ist, ihr hinterher zu spionieren. Dass Joshua nur mal wieder verrücktspielt. Vielleicht soll ich es auch meinen Eltern sagen, anstatt etwas unüberlegtes zu machen. Aber dafür ist keine Zeit. Ich muss wissen, was sie macht. Ohne ihm zu antworten, lege ich auf und sprinte die Treppe runter. Wer weiß wo sie hin will oder wie schnell sie da ist.
„Ich bin ausreiten", schreie ich ins Wohnzimmer, bevor ich mir meine Schuhe schnappe und mit einem lauten Knall die Türe zuwerfe. Das wird bestimmt später noch Ärger geben. Und Fragen. Aber es ist mir egal.
„Hey Livia", begrüße ich hastig das Mädchen mit dem Pferd in der Hand, welches sie grade absatteln will. "Ich muss noch wo hin. Danke", entschuldige ich kurz mein Verhalten und steige auf, nur um dann wie vom Blitz getroffen vom Hof zu reiten, in die Richtung, in die Lexa mal wieder abgehauen ist.
Es ist leichtsinnig ohne Helm mitten ins nichts zu rennen und es dabei keinem sagen. Das weiß ich. Aber es ist mir in diesem Moment egal.
Wenn ich beschreiben müsste, was auf einmal in mich gefahren ist, wüsste ich es nicht. Vielleicht haben mich Joshs Gedanken so beeinflusst, dass ich sie tatsächlich glaube. Zumindest ein Stück. Denn wie wahrscheinlich ist, dass Lexa wirklich eine Serienmörderin ist? Vielmehr verheimlicht sie was. Vielleicht einen Freund. Oder sie ist nur bei uns, um uns auszurauben. Aber hätte man davon nicht irgendwann mal was in den Nachrichten gehört? Auch wenn es mich nichts angeht, was sie so in ihrer Freizeit macht, geht es mich doch etwas an, wenn es meine Familie und Freunde betrifft.
Ich weiß nicht, wohin Lexa gegangen ist, weshalb mir nichts anderes übrigbleibt, als blind draufloszureiten. Ich kenne diese Gegend mittlerweile besser als meine Westentasche. Ich kenne fast jeden Stock, Stein und Baum. Wie oft habe ich hier mit Nayla und Joshua schon verstecken gespielt. Wie oft haben wir Schnitzeljagden veranstaltet oder uns vor unseren Eltern versteckt. Und sie muss hier irgendwo sein. Denn die nächste Stadt ist von hier aus, durch die Wüste, erst in hunderten von Meilen. Und wäre sie nur in die nächste Stadt, dann wäre sie doch mit dem Bus gefahren.
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Not quite human
Fantasy"Wünsch dir was", höre ich Noah neben mir flüstern. [...] Langsam lasse ich meinen Kopf sinken und meine Augen wandern zu ihm. Sein Gesicht wird vom Feuer erhellt, sodass eine Gesichtshälfte in Schatten getaucht ist und es wirkt fast so, als würde...