Kapitel 23: "So sind aber die Regeln."

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Lexa

Die kurzen Haare sind ungewohnt. Ich hatte sie schon lange nicht mehr so kurz. Wenn ich mich recht erinnere, dann eigentlich noch nie. Zumindest nicht bewusst. Ich sehe anders aus damit. Irgendwie erwachsener. Und trotzdem stört mich irgendwas daran. Das bin nicht mehr ich. Aber ich muss dazugehören. Ich will dazugehören. Denn da gehör ich hin. Wo gehöre ich denn sonst hin? Denn ganz bestimmt nicht in dieses Haus. Diese Stadt oder dieses Leben.

Das schwarze Tattoo sticht mir ins Auge. Deutlich erkennt man die feinen Strichte, von einem Bild von mir und einem Leoparden, die miteinander verschwimmen. Im perfekten Maß von 38 zu 62. Was Mason jetzt wohl dazu sagen würde? Wahrscheinlich wäre er stolz. Oder es wäre ihm vollkommen egal. Von seinem hat er mir ja auch nichts erzählt. Zumindest nicht freiwillig.

„Lexa? Kommst du?" Sachte klopft Noah an meine Zimmertür und verschwindet bald drauf auch schon die Treppe runter. Ohne große Eile ziehe ich mir einen Pulli über mein Top und fahre mir nochmal durch die Haare.

Ob die anderen die Sache von Samstag schon vergessen haben? Wieso sollten sie sich überhaupt weiter dafür interessieren?

Gedankenverloren schnappe ich mir meinen Rucksack und klemme mir Coopers Sonnenbrille in die Haare, sodass sie mir aus dem Gesicht gehalten werden.

„Erklärst du mir jetzt warum du dir aus dem Nichts heraus die Haare geschnitten hast und dir ein Tattoo stechen hast last?" Ich weiß das ich ihm vertrauen kann. Zumindest hoffe ich das. Nein. Ich weiß das ich ihm vertrauen kann. Er ist nicht wie mein Vater. Er sieht mich nicht so an, als wäre ich das Monster, dass ich bin. Das Monster, dass ich versuche zu verstecken. Er sieht mich nicht so an, als würde ich ihm jeden Moment die Kehle aufreißen wollen.

„Es ist eine Art Tradition. Bevor man 18 wird schneidet man sich die Haare kurz. Symbolisch dafür, dass man dann eine neue Person wird. Die Sünden der Vergangenheit ablegen und so." „Und das Tattoo?" „Zeigt die Zugehörigkeit zu den Anomolis." „Und sowas ist verpflichtend?", zweifelt er an.

Sein Blick schwenkt kurz auf sein Handy, welches anzeigt, dass er eine neue Nachricht bekommen hat, richtet seinen Blick aber sofort wieder auf die Straße.

„Nein. Nicht unbedingt. Eine Tradition halt. Wie Weihnachten. Alle machen es, obwohl es keine Pflicht ist."

Stumm nickt er. Wahrscheinlich kann er es nicht nachvollziehen, da könnte ich es ihm auch den ganzen Tag erklären. Dabei würde wahrscheinlich das gleiche Ergebnis rauskommen, wie wenn er mir seine Begeisterung an Football erklären müsste.

„Also keinen sechsten Sinn für andere Anomolis?" Fragend zieht er seine Augenbrauen hoch und wirft mir einen Seitenblick zu. Seine schmalen Lippen zeichnen ein Lächeln. „Nein... nein nicht wirklich. Meistens erkennt man sie am Geruch", gebe ich ehrlich von mir und starre auf die Leute die noch letzte Besorgungen machen, bevor sie zur Arbeit müssen.

„Du kannst mir also genau sagen, wonach ich rieche?" Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Wenn ich mich drauf konzentriere, dann ja. Mit der Zeit hat man gelernt die unwichtigen Gerüche von den wichtigen zu unterscheiden." „Also?" „Also was?" Zweifelnd mustere ich ihn von der Seite und fokussiere den kleinen Hubbel auf seiner Nase. „Wonach rieche ich?" „Du willst das wirklich wissen?" Bestätigend nickt er.

„Also schön." Kurz konzentriere ich mich auf meine Sinne und versuche den Ledergeruch von den Sitzen und die Gerüche von den Abgasen zu ignorieren, sodass ich kurz die Nase rümpfe. „So schlimm", gluckst er. „Nach Pferd", gebe ich ehrlich von mir. Grade als er etwas erwidern will, funke ich dazwischen: „Du hast versucht den Geruch mit Deo abzudecken. Rasierschaum. Pizza von gestern Abend. Zahnpasta. Ein bisschen nach Apfel, aber das könnte auch von den Pferden sein."

Not quite humanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt