Ich atmete noch einmal tief durch ehe ich meinem Vater in die Augen sehen konnte. In seinem Gesicht lag keinerlei Wut. Die meisten werden denken, das wäre ein gutes Zeichen, aber im Gegenteil. Denn in seinen Augen war pure Enttäuschung zu erkennen und das war tausendmal schlimmer. Es wäre mir lieber, er hätte mich einfach angeschrien und die Sache wäre vergessen, aber jetzt benimmt er sich mindestes bis zum Wochenende so als wäre ich die größte Enttäuschung seines Lebens.
"Du kennst die Strafe", brummte er monoton und trat zur Seite, damit ich hineingehen konnte. Kein Internet bis übermorgen früh. Ich brauchte ihm erst gar nicht mit der alten Leier "Es waren doch nur ein paar Minuten" kommen. Zu spät ist zu spät, das hatte ich schon als kleines Kind gelernt.
Mit hängendem Kopf trottete ich in mein Zimmer und schlug die Tür hinter mir etwas zu laut zu, was mir in diesem Moment aber auch egal war.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und begann meine Französischhausaufgaben zu machen. Meinen Stift drehte ich gedankenverloren in der Hand, während ich wie so oft darüber nachdachte, wann das alles endlich enden sollte. In fünf Tagen wurde ich 18, aber ein Ende war nicht in Sicht. Deprimiert kritzelte ich irgendwelche französischen Wörter auf mein Blatt, die ich nicht verstand und stopfte es zurück in meinen Ordner. Mit einem Seufzer machte ich meine Schreibtischlampe aus und es kam mir fast so vor, als würde mit dem Erlöschen der Glühbirne auch der letzte Funken Hoffnung in mir erlischen. Aber da war noch etwas, besser gesagt jemand, Damiano. Aus irgendeinem Grund gab er mir Hoffnung und Stärke. Bei dem Gedanken morgen meine Ringe tragen zu können, die wenigstens einen Teil meiner Persönlichkeit wiederspiegeln, musste ich lächeln.
Diesen Gedanken festhaltend legte ich mich ins Bett. Heute war eine der wenigen Nächte, in denen ich mich nicht in den Schlaf weinte, und der Grund dafür war tatsächlich Damiano.Ich verließ das Haus schnellen Schrittes um meiner wütenden Mom zu entkommen. Kleine Steine auf der Straße bohrten sich in meine nackten Füße, für Schuhe hatte ich keine Zeit mehr, die Hauptsache war so schnell wie möglich aus diesem Haus raus zukommen. Meine Schritte wurden immer schneller bis ich fast rannte, ohne Ziel, einfach geradeaus. Am Ende der Straße stand eine Person. Sie war noch so weit weg, dass ich nur grobe Umrisse wahrnahm und nicht sagen konnte wer es war, aber es schien so, als ob dieser jemand auf mich wartete. Meine Atmung beschleunigte sich, meine Lunge begann zu brennen, ich ignorierte es. Ich kam immer näher und irgendwann erkannte ich die Person, deren Konturen immer schärfer wurden. Es war Damiano. Und es sah wirklich so aus, als ob er auf mich wartet.
Ein paar Meter vor ihm verlangsamte ich meine Schritte, doch bevor ich ganz zum Stehen kommen konnte streckte er die Hand aus und seine Lippen formten die lautlosen Worte "Komm mit mir".
Noch einmal drehte ich mich kurz um, nicht sicher was ich erwartete zu sehen. Dann nahm ich seine Hand und die gewohnte Wärme durchfloß mich, es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Kaum waren unsere Hände verschränkt, erschien vor uns eine große Treppe, die Damiano direkt beschritt. Ohne irgendetwas infrage zu stellen folgte ich ihm. Die Treppen schienen unendlich zu sein. Er war stets ein paar Stufen vor mir und zog mich praktisch mit sich. Ab und zu schaute er nach hinten zu mir, wobei ihm seine Haare ins Gesicht fielen, er lächelte als wäre diese Treppen hochzulaufen das Schönste, was er jemals getan hatte. Auch ich begann zu lachen und ignorierte das immer lauter werdende Geräusche im Hintergrund. Wir schienen bald das Ende der Treppen erreicht zu haben, denn nun wirkte die Treppe nicht mehr so unendlich wie noch vor ein paar Sekunden.
Und so war es auch, wir erreichten bald das Ende, an dem uns eine Tür erwartete.
Da stand einfach eine Tür. Sie schien keinen Nutzen zu haben, denn man konnte schließlich drumherum gehen, oder nicht?
Ein letztes Mal sah Damiano mich an ehe er seine Hand auf die Türklinke legte und sie herunterdrückte. Zu meinem Erstaunen kam uns extrem helles Licht entgegen. Ich musste meine freie Hand gegen das Licht halten, so hell war es. Ich konnte nicht erkennen was auf der anderen Seite lag, dennoch fühlte es sich richtig an, ich wollte unbedingt wissen was dort lag, wollte undedingt durch diese Tür gehen, wollte zusammen mit Damiano durch diese Tür gehen. Das Hintergrundgeräusch nahm immer mehr zu, wurde schon fast nervig.
Langsam setzten wir einen Fuß vor den anderen, ich war nur noch wenige Zentimeter von der anderen Seite entfernt, Damiano stand bereits dort und sah wahrscheinlich schon was uns erwartet wird. Ich nahm all meinen Mut zusammen und überwand die letzten Zentimeter. Ich schaute hoch und was ich sah war-Dringgggggggg
Ich schreckte hoch. Im ersten Moment wusste ich nicht wo ich war. Ich schaute mich um, bis ich begriff, dass ich in meinem Zimmer war. Vollkommen fertig fasste ich mir mit der Hand an die Stirn und seufzte. Wow, das war vielleicht ein merkwürdiger Traum. Ich fuhr mir durch die Haare und ging ins Badezimmer, immernoch etwas benommen von diesem seltsamen Traum. Es war nicht real, dennoch würde ich nur zu gerne wissen was auf der anderen Seite lag. Es hatte sich alles so real angefühlt. Um einen klaren Gedanken fassen zu können ging ich duschen, nicht so kalt wie sonst, denn wach war ich schon.
Als ich in die Küche kam, fand ich wie schon erwartet meine Mom vor, die mir heute keine Luchbox gemacht hatte, aufgrund meiner gravierenden Taten gestern. Zum Glück hatte ich heute etwas mehr Zeit als gestern, da ich im Bad nicht so rumgetrödelt hatte. Also machte ich mir ein Sandwich und schnitt mir ein bisschen Gemüse, füllte mir meine Flasche mit Wasser und machte mich auf den Weg.
Kaum war ich aus der Tür, warf ich nochmal einen prüfenden Blick nach hinten, bevor ich meine Ringe aus dem Rucksack holte.
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The boy who changed my life || Damiano David || Måneskin
FanfictionMein Leben lang schon bin ich jemand, die ich garnicht sein möchte. Ich bin eine von Millionen, ich steche nicht heraus, einfach nur ein weiterer grauer Punkt in der Menge. Fast 18 Jahre lang darf ich mich nicht kreativ entfalten. Kein Kleidungsstüc...