Kapitel 1 [überarbeitet]

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Mein Name ist Felicia, aber eigentlich nennen mich alle Feli, außer meine Eltern, denn die sind gegen Spitznamen und gegen fast alles andere.
Vor ein paar Minuten klingelte mein Wecker und zu meinem Bedauern ist heute Donnerstag, das heißt Schule. Stöhnend stand ich auf und machte mich auf den Weg Richtung Badezimmer. Ich nahm eine kalte Dusche, in der Hoffnung etwas wach zu werden, vergeblich. Beim Abtrocknen betrachtete ich meinen Körper und stellte mir vor, wie er wohl aussehen würde, wenn ein paar Tattoos ihn verzieren würden. Einen Augenblick später verwarf ich diesen immer wiederkehrenden Gedanken, meine Eltern würden mich kopfüber aus dem Haus werfen. Auch wenn ich am Montag achtzehn werde, kann ich nicht tun und lassen was ich will, schließlich gehe ich noch zur Schule und stehe finanziell noch nicht auf eigenen Beinen. Bei dem Gedanken wurde meine Laune nicht wirklich besser.
Fertig angezogen, natürlich nach den Richtlinien meiner Eltern, ging ich die Treppe runter und Richtung Küche.
Dort wartete meine Mom mit der Lunchbox schon auf mich. "Jetzt beeil dich aber mal, Felicia. Dein Bruder ist vor 10 Minuten losgelaufen.", meckerte sie mich direkt an. "Dir auch einen Guten Morgen", nuschelte ich, während ich mein Essen entgegen nahm. Leider schien sie es verstanden zu haben, denn sie sagte nun noch gereizter: "Wie war das?"
Aber noch bevor sie ihren Satz richtig beenden konnte, war ich an der Tür zum Flur und ein paar Sekunden später ganz aus dem Haus.
Ja, mein Verhältnis zu meinen Eltern ist kompliziert und alles andere als gut. Dennoch tolerieren sie mich, wenn ich mich an ihre Regeln halte, was ich mit Widerwillen auch tue.
Trotz meiner leichten Verspätung lief ich in normaler Geschwindigkeit, denn mir war es egal ob ich 5 Minuten früher oder später an der Schule ankomme, die Lehrer sind zwar nicht so erfreut, aber es ist kein Beinbruch, nur für meine Eltern war es mal wieder der Weltuntergang.
Um zehn vor acht kam ich an der Schule an und betrat um 7:52 den Klassenraum. Nur sieben Minuten zu spät. Mr. Esposito nickte mir lediglich zu und ich setzte mich auf meinen gewöhnlichen Platz in der letzten Reihe.
"Hey", begrüßte mich meine beste Freundin Stella, die neben mir saß. Sie ist die Einzige, die mich zum Lachen bringen konnte. Meine Eltern schaffen das schon lange nicht mehr und gefühlt alle anderen in dieser Schule verstanden mich nicht. Stella hat im Gegensatz zu mir keine so strengen Richtlinien. Sie hatte rote kurze Haare, passend rote Nägel, mehr Silberschmuck an als ich überhaupt besitze, 8cm Plateau Schuhe, mit denen sie um einiges größer war als ich, und einen perfekt gezogenen Eyeliner. Alles was ich gern hätte. Ich beneide sie zwar, aber Eifersucht war niemals im Spiel. Ich schaue eher zu ihr auf mit dem Gedanken irgendwann werde ich das auch sein, irgendwann...
Die ersten beiden Stunden zogen sich wie Kaugummi, die Uhr schien in Zeitlupe zu ticken. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit klingelte es und ich war wie immer als Erste aus dem Saal. Zusammen mit Stella suchte ich einen Weg durch die vielen Menschen, die sich hier im Hauptkorridor aufhielten. Nach zwei langweiligen Stunde Mathe kamen nun zwei noch langweiligere Stunden Geschichte auf uns zu, dachte ich bis jetzt zumindest.
Gerade als wir es aus der Menschenmenge geschafft hatten und in einen etwas leereren Flur abgebogen waren, stieß ich mit jemandem zusammen. Vollkommen verwirrt von dem Aufprall blaffte ich ihn an: "Pass doch auf wo du hinläufst!".
"Tut mir leid ich bin neu hier, erster Tag", sagte er entschuldigend, aber dennoch sehr selbstbewusst. Seine melancholische und gleichzeitig tiefe Stimme ließ mich aufblicken und was ich sah, faszinierte mich. Da stand er. Ein Junge, etwa so alt wie ich, wunderschöne, etwas längere Haare, Make-up um die Augen, ein weißes Top, welches seine Tattoos auf den Armen und auf dem Dekolleté freilegte, eine stylische, etwas eng anliegende schwarz-rote Hose, schwarze Fingernägel und die Kirsche auf dem Sahnehäubchen waren die Absatzschuhe.
Fasziniert betrachtete ich ihn von oben bis unten, ohne zu bemerken, wie mein Mund ein Stück aufging, ohne dass ich etwas sagte.
Um die peinliche Stille zu unterbrechen sagte Stella: "Kein Problem, kann passieren, wir alle waren mal neu. Stimmt's, Feli?" Ihre Worten rissen mich aus meiner Trance und ich fing einfach nur stumm an zu nicken. Warum? Normal war ich immer so selbstbewusst, aber auf einmal bekam ich kein Wort mehr raus. Vielleicht lag es an der unglaublichen Energie, die von dem mysteriösen Typen ausging. "Feli?", fragte er neugierig und schaute mich dabei so eindringlich an, dass ich das Gefühl hatte, er blickte mir direkt in die Seele. "Kurzform von Felicia", sagte ich kurz angebunden, den Blick immer noch auf ihn gerichtet.
"Felicia, schöner Name. Ich heiße Damiano.", meinte er, mein Blick war fixiert auf seine hervorstehenden Wangenknochen, sodass ich das Kompliment gar nicht wahrnahm und er einfach weiter redete. "Ich habe gleich Geschichte bei Mrs. Marini, ihr wisst nicht zufällig wo das stattfindet oder?"
So langsam taute ich auf, sodass ich schon einen ganzen Satz rausbekam: "Doch, da müssen wir auch hin. Es ist gleich hier am Ende des Flurs." Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, gingen wir auch schon los und betraten kurze Zeit später den Raum.
Stella und ich machten uns direkt wieder auf den Weg in die letzte Reihe. Zu meiner Verwunderung steuerte auch Damiano die letzte Reihe an und setzte sich schließlich neben mich.
Es war mir ein Rätsel, wie jemand mit einem so ernsten Gesicht eine so positive Ausstrahlung haben konnte. Er wirkte so lebensfroh und glücklich und sein Gesicht sah gleichzeitig so sexy aus. Warte. Habe ich ihn grade sexy genannt?
Diesen Gedanken schob ich ganz schnell bei Seite, drehte meinen Kopf Richtung Tafel und versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Dies gelang mir nicht wirklich und irgendetwas sagte mir, dass es nicht an der Tatsache lag, dass wir Geschichte hatten. Ich konnte es nicht lassen, ihn ab und zu aus dem Augenwinkel zu betrachten. Ich weiß nicht, ob er es bemerkt hatte, aber ich bilde mir ein, dass er einmal geschmunzelt hat.

The boy who changed my life || Damiano David || Måneskin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt