Kapitel 9

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Als er außerhalb von Venoms Sichtweite war, konnte Peter endlich mit dem Schwingen aufhören, das durch die Schlägerei jedes Mal schmerzte. Er setzte sich auf einem Dach hin und kippte einfach nur nach hinten in eine liegende Position. Alles tat ihm weh und er war nur noch erledigt, sodass das Liegen ein Gefühl echter Wonne über ihn brachte. Die Zeit schien nur dahinzufliegen, der Regen machte Peter gar nichts mehr aus und am liebsten wäre er gar nicht mehr aufgestanden. Aber dann realisierte er nach einer guten Weile, wie spät es schon war und dass Tante May sich bestimmt Sorgen machen würde. Er sprang auf und bereute es sogleich, weil ihm immer noch alles wehtat. Aber jetzt musste er nach Hause, auch wenn es unangenehm war. Er sprang also vom Dach hinab, führte ein paar weite und schmerzhafte Schwünge durch, landete schmerzhaft im Hintergarten, quälte sich die wand hoch und ließ sich erledigt durchs Fenster in sein Zimmer fallen.

Stille empfing ihn, obwohl er sich wie ein lauter Elefant vorkam. Er machte sich Licht an und stellte sich auf Geschimpfe von Tante May ein. Doch es kam nichts, auch nach einer Weile nicht. Langsam machte Peter sich Sorgen. Er musste nach Tante May sehen, auch wenn sein Bett jetzt verlockender denn je aussah. Aber erst mal musste er sein Outfit wechseln, um unerkannt bleiben zu können. Spider-Man im Haus zu haben würde sie wahrscheinlich sowieso nur noch mehr aufwühlen. Hygiene war jetzt erstmal nebensächlich. Nach einer kurzen Weile trug er Alltagskleidung und ging nach unten. Das war besonders einfach, weil im Wohnzimmer noch das Licht brannte. Wie merkwürdig, Tante May legte doch sonst immer Wert darauf, alles ordentlich zu hinterlassen. „Tante May, bist du da?" fragte er also. Keine Antwort. Langsam bekam er Angst, aber glücklicherweise sah er sie kurz darauf am Küchentisch. Trotzdem wollte er zuerst noch die Tür überprüfen, was sich als berechtigte Sorge erwies, weil Tante May das Abschließen ebenfalls vergessen hatte. Das war doch wirklich nicht ihre Art. Er ging also zu ihr in die Küche und fragte „Tante May, was ist denn los mit dir?" Aber es gab erneut keine Antwort, weil Tante May, wie Peter kurz darauf feststellte, im Sitzen eingeschlafen war. Er sah sich also den restlichen Tisch an und fand dort Einiges an Papierkram vor. Beim genaueren Durchlesen desselben erschrak er jedoch. Viele Rechnungen waren dabei, einige Mahnungen und ein Brief von der Bank, in dem stand, das sie beim Kredit für das Haus ebenfalls um eine Rate im Verzug war. Ihm entwich ein „Scheiße!" und er musste sich erst mal an der Wand ablehnen. Nach einer Weile fiel ihm dann ein, dass er sich um Tante May kümmern musste. Also brachte er sie vorsichtig zum Sofa, deckte sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Haare. Dann ordnete er die Rechnungen, legte sie zurück in den Karton unter dem Tisch, in dem Tante May sie immer aufbewahrte und machte noch das Licht aus, bevor er nach oben ging.

Eine Weile später saß Peter in der Badewanne und ließ sich die Situation durch den Kopf gehen. Sie hatten also Geldprobleme und Tante May hatte ihm nichts davon erzählt. Das ärgerte ihn. Aber andererseits war Peter ja wohl der Letzte, der sich diesbezüglich beschweren konnte. Und Vorwürfe würden jetzt sowieso nichts bringen. Wichtiger war eher, wie er jetzt mit der Situation umgehen würde. Er könnte vielleicht nebenbei jobben. Aber dann hätte er noch weniger Zeit. Mit der Schule käme er sicherlich zurecht, aber sich durch schlechte Noten die Chance aufs Studium versauen wollte er auch nicht riskieren. Und Spider-Man sein, das konnte er erst recht nicht vernachlässigen. Außerdem kannte er Tante May. Die Vorstellung in ihr, nicht gut genug für Peter zu sein, würde noch stärker werden, weshalb sie das Geld bestimmt nicht annehmen würde. Probleme über Probleme. Wichtig war jetzt jedoch erst mal, dass sie sich müde nicht lösen ließen. Also ließ Peter das Wasser ablaufen, trocknete sich ab, zog seine Unterhose an und ging ins Bett.

Rot und SchwarzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt