Kapitel 10 Lia

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"Machst du uns noch eine Runde Liebes?", rief Thomas quer durch die Bar. Mit einem stummen Lächeln nahm ich seine Bestellung entgegen. Gedankenverloren zapfte ich 5 Biere und brachte sie zum Tisch. "Hier, bitte." "Was ist denn los, Kleines? Dein trauriges Gesicht sieht man ja schon von weitem." "Nichts von Belang.", winkte ich ab und setzte das falscheste Lächeln überhaupt auf, doch er bemerkte es nicht.

Nachdem meine Scham, meiner Wut gewichen ist, dachte ich nur noch mehr über ihn nach. Was glaubt er, wer er ist? Wir hatten definitiv einen schönen Tag miteinander verbracht und das kann doch nicht nur mir aufgefallen sein. Wenn er kein Interesse an einem weiteren treffen gehabt hätte, dann hätte er es sagen können. Oder zumindest durchblicken lassen können, dass wir eben nicht auf einer Wellenlänge sind, so wie ich es fälschlicherweise angenommen hatte. Wütend schrubbte ich mit einem Lappen über den Tresen als mich eine dunkle Stimme ansprach. "Hey." Ich erkannte die Stimme, ohne ihn anzusehen. Ich drehte mich weg und tat so als würde ich die Gläser polieren müssen. "Was willst du Jax?"

"Es tut mir leid okay? Es war scheiße von mir dich einfach stehen zu lassen, ohne etwas zu sagen."

"Ach, findest du? Aber ist schon okay, du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht auch ohne viel zu sagen." Ich trat vor die Theke und ging zu einem leeren Tisch, wo vorhin die Gäste gegangen sind, um abzuräumen. Jax lief mir hinterher.

"Lia, hör mir bitte einen Moment zu, ich..."

"Sofort raus aus meinem Laden!" Ertönte wie aus dem nichts die Stimme von Bob.

"Scheiße..." murmelte Jax leise und drehte sich zu ihm um. Ich verstand nun gar nichts mehr. "Sorry man, ich bin schon weg. Kein Grund stress zu machen!" Er sah mich ein letztes Mal an und verschwand dann aus dem Laden.

"Was wollte der hier?", fragte Bob und wirkte irgendwie fassungslos?

"Reden. Schätze ich." Ich zuckte mit den Schultern. "Was ist das Problem mit ihm?"

"Ich gebe dir jetzt einen gut gemeinten Rat. Es geht mich nichts an was du in deiner Freizeit machst und mit wem du dich triffst. Aber lass am besten die Finger von ihm. Er ist nicht gut. Und in meinem Laden, möchte ich ihn nicht noch einmal sehen, verstanden!?"

"Ja, verstanden."

Verwirrt von diesem Auftritt machte ich mich zurück an die Arbeit. Bob ist wieder gegangen, er hatte nur seine Schlüssel hier vergessen. Was ist nur zwischen den beiden vorgefallen? Und was wollte er mir sagen? Sollte ich ihn anhören? Ihm eine Nachricht schreiben? Ich holte mein Handy aus der Tasche. Entschloss mich aber dagegen ihm eine Nachricht zu schreiben. Ich renne ihm doch nicht noch hinterher. Zu späterer Stunde sind alle Gäste weg und der letzte bezahlt gerade noch. Ich rief Christian zu, dass er ruhig schon mal gehen könne. Er bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln und verabschiedete sich. Nachdem auch der letzte Kunde gegangen ist, trocknete ich auch die letzten paar Gläser ab als die Tür aufging. "Wir haben geschlossen!", rief ich, ohne genauer hinzusehen, wer da durch die Tür gekommen war.

"Gut, dann werde ich vielleicht nicht wieder rausgeworfen."

Ich stockte. Ich sah nochmal genau zu dem Mann hin, der da geradewegs auf mich zu kam. Jax. "Da wäre ich mir nicht so sicher."

"Frech. Gefällt mir.", sagte er und setzte sich vor mich an die Theke, woraufhin ich gespeilt genervt die Augen verdrehte.

"Verschwinde einfach wieder. Bob will dich hier nicht im Laden. Und wenn ich es mir recht überlege, ich dich auch nicht."

Er verzog seltsam das Gesicht und beinahe wirkte er verletzt? Doch er fing sich schnell wieder.

"Gut, dann warte ich vor der Tür." Damit stand er auf und ging.

Ich ließ mir extra viel Zeit mit meinen Aufräumarbeiten, um das unumgängliche Gespräch aufzuschieben, doch meine Arbeit war getan und ich konnte mich hier nicht ewig aufhalten. Ich ging raus und schloss die Tür hinter mir ab. Und da saß er, rauchend auf der anderen Seite der Straße auf einer Bank. Ich spielte mit dem Gedanken einfach wegzurennen, aber da bemerkte er mich schon und kam rüber.

"Damit solltest du aufhören.", sagte ich nebenbei und deutete auf seine Zigarette. Er zeigte mir sein schiefes Lächeln kurz bevor er sie auf den Boden schmiss und austrat. Ich musste ein Lachen unterdrücken. "Also, was möchtest du mir so unbedingt sagen?"

"Ich will mich entschuldigen Lia."

"Ja, das hast du bereits. Noch was?", fragte ich und setzte zum Gehen an. Sofort hielt er mich am Handgelenk fest und ich blieb stehen. Ich starrte ihn an, sah in seine Augen, spürte seine Hand auf mir ruhen, das Kribbeln, was in meinem ganzen Körper freigesetzt wurde. Reflexartig entriss ich ihm meinen Arm. "Hör auf damit!", schrie ich ihn an.

"Womit denn?"

Damit mich zu berühren. Damit mich so durcheinander zu bringen. Damit mich jedes Mal aufzuhalten, wenn ich gehen möchte, dachte ich.

"Ich sage dir jetzt mal was, Jax. Ich bin für sowas nicht zu haben. Ich dachte wir hatten einen schönen Tag zusammen verbracht. Sorry, mein Fehler. Aber dann verschwinde auch und komm nicht wieder zurück. So ein Hin und Her, kannst du mit deinen Schlampen abziehen, aber nicht mit mir. Nicht mit mir, Jax!" Völlig außer Atem, wartete ich auf eine Reaktion von ihm, doch es kam nichts, er starrte mich nur ungläubig an. "Das war ja klar.", murmelte ich mehr an mich selbst gerichtet als an ihn, als ich mir sicher war das nichts mehr von ihm zu erwarten war und drehte mich um, um zu gehen.

"Scheiße, jetzt warte doch mal!", schrie er mir mit rauer Stimme hinterher, als er mich auch schon packte und herumwirbelte. Ich prallte gegen ihn und stütze mich mit einer Hand an seiner starken Brust ab, als er sich zu mir runter beugte und eilig seine Lippen auf meine legte. Ich hielt den Atem an und es fühlte sich an als würde ein Feuerwerk in mir explodieren. Er schmeckte nach Rauch, doch das störte mich nicht. Ich bemerkte etwas hartes und kleines an seiner Zunge, die Vermutung das er ein Zungenpiercing trug bestätigte sich mir. Es fühlte sich toll an und ich konnte nicht anders als den Kuss zu erwidern. Ich musste. Der Kuss begann eilig, gehetzt, flehend und endete sanft und langsam. Ich bemerkte erst das ich meine Augen geschlossen hatte, als ich sie wieder öffnete. Mein Blick traf direkt in ein Paar wunderschöner brauner Augen. Sie sahen sanft aus, nicht wie sonst, so ernst und böse. Er streichelte mir leicht über die Wange und strich mir eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht, ohne irgendetwas zu sagen. "Du verschwindest doch jetzt nicht aber wieder, oder?", fragte ich vorsichtig nach und hatte angst vor seiner Antwort. Würde er mich jetzt erneut einfach stehen lassen? Jetzt nachdem wir uns geküsst hatten?

"Ich fahre dich jetzt nach Hause.", erwiderte er, ohne den Blick von mir abzuwenden. Langsam nickte ich und ich folgte ihm zu einem schwarzen Audi. Verwundert blieb ich stehen.

"Nachdem du gesagt hast, du fährst nicht mehr auf dem Motorrad mit, solange ich keinen zweiten Helm habe, dachte ich, ich komme mit dem Auto.", erklärte er schulterzuckend.

In mir regte sich etwas. Es freute mich das er daran gedacht hatte und es sich zu Herzen nahm. Bis mir etwas auffiel.
" Du bist davon ausgegangen, dass ich mitkommen würde?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe es gehofft."

Er hielt mir die Tür zum Auto auf und ich stieg ein. Die Fahrt zu mir verlief ruhig. Keiner von uns sagte etwas und ich machte mir schon wieder Sorgen, dass er den Kuss vielleicht bereuen könnte. Als wir bei mir ankamen und sein Auto zum Stehen kam, sagte er immer noch nichts.

"Magst du noch mit reinkommen oder so?", fragte ich mit all dem Mut, den ich finden konnte.

"Nein.", sagte er knapp und ich sog scharf die Luft ein. Er bereut es. Ich wusste es. Ich sah in meinen Schoß, einfach um seinem Blick nicht zu begegnen.

"Hey.", sagte er und nahm meine Hand. "Ich muss noch weg, ich melde mich bei dir. Versprochen."

Ich blickte ihn an und konnte ein kleines Lächeln nicht verbergen. "Okay.", sagte ich und stieg aus dem Auto.

"Bis dann Lia."

Ich warf die Autotür zu und ging in meine Wohnung.

Poisen Love - Nicht mit mir.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt