Kapitel 7

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- Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg. –

Ich saß mal wieder an meinem Fenster und sah nach draußen in den Garten. Es waren mittlerweile einige Blätter von den Bäumen gefallen und der Wind wehte diese nun über den Rasen. Die verschiedenen Pflanzen und Kräuter, welche von meiner Oma rund um unser Grundstück gepflanzt wurden, wiegten sich im Wind hin und her. Es begann zu dämmern, deshalb legte sich über die Welt außerhalb meines Fensters ein schöner orangeroter Ton. Es war so weit.

Motiviert klatschte ich in die Hände. Auf zu Alec. Ich hüpfte von meiner Fensterbank und ging zu Alec in sein Zimmer. Ich klopfte zweimal und betrat den Raum. Mein Bruder hatte seine Kopfhörer im Ohr und lag auf seinem Bett. Erneut in einer sehr eigenartigen Position, denn sein Hintern war auf der Höhe des Kopfkissens und seine Beine hatte er die Wand hinaufgestreckt. Ich neigte meinen Kopf zur Seite. Nun sah es so aus, als würde er an der Wand sitzen. Ich musste schmunzeln. Alec konnte noch nie normal in seinem Bett sitzen oder liegen. Entweder er ließ seinen Kopf vom Bett hängen, lag in derselben Position wie jetzt oder anders verdreht. Ich hatte dieses Problem mit dem Sitzen auf Stühlen. Ich konnte einfach keine bequeme Position finden, weshalb ich sie ständig wechseln musste. Also saß ich auch mal im Schneidesitz auf einem Stuhl. Na ja, wir waren eben Zwillinge. Parallelen musste es ja geben.

Mein Bruder wippte mit seinem Fuß – wahrscheinlich im Takt des Liedes – und spielte mit seinen Händen in der Luft Schlagzeug. Da kam mir eine Idee.

Ich schlich mich an meinen Bruder an und rief anschließend laut und motiviert. "Aufstehen Brüderchen!" Doch mein Bruder drehte sich nur um und sah mich irritiert an, anstatt sich zu erschrecken. "Du weißt schon, dass ich dich sogar in deinem Zimmer höre?", antwortete er abschätzend. Ich hüpfte zu ihm aufs Bett, und begann ihn nachzuäffen. "Jetzt übertreibst du aber", schloss ich an meine Imitation an. Doch der Braunhaarige neben mir hob hinter seiner Brille nur herausfordernd eine Braue.

"Ach, ja? Na, dann pass mal auf. Vielleicht kommt dir das ja bekannt vor", er stand in einer für ihn unheimlich eleganten Bewegung auf und stellte sich mittig seines Zimmers auf. Danach hob er seine Hände über den Kopf und begann, mit einer übertrieben hohen und verstellten Stimme an zu singen: "All the single ladies, all the single ladies
All the single ladies..."

Ich riss meine Augen auf. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Er begann, herum zu hüpfen. Es sah außerordentlich lächerlich aus, wie er sich bewegte und dabei weiter sang. Ich würde eigentlich laut lachen, wenn ich nicht wüsste, dass er mich gerade nachmachte.

"Cause if you liked it then you should have put a ring on it...", er wollte gerade verschiedenste Bewegungen nachstellen, welche ich immer beim Tanzen in meinem Zimmer machte.

"Okay, okay Stopp", rief ich und stürmte auf meinen Bruder zu, schnappte seine Arme und hielt sie fest. Mein Gesicht glühte. Meine Wangen müssten mittlerweile dunkelrot angelaufen sein. Ich fand es fürchterlich, vor meinem Bruder nun gar keine Rückzugsmöglichkeiten mehr zu haben. Denn genau dieses Lied hatte ich heute Nachmittag nach dem Gespräch mit Oma aufgedreht und war ungefähr wie Alec gerade durchs Zimmer gehüpft.

"Ich hasse dich", murmelte ich. "Nimm dir eine Jacke und komm in den Garten", forderte ich ihn dann auf. Damit drehte ich mich um und verschwand aus dem Zimmer. Ich musste mir auf jeden Fall, eine Waffe gegen diese fürchterlichen neuen Eigenschaften suchen. Ob ich legal an Betäubungsmittel kommen könnte? Schmunzelnd über meine Gedanken packte ich alle Materialien für mein Vorhaben zusammen.

...

Keine zehn Minuten später stand mein Bruder neben mir im Garten. Er hatte sich eine dünne Jacke angezogen und trug immer noch seine Sonnenbrille und seinen Beanie. Ich war in meine Sportschuhe und eine dickere Jacke geschlüpft. Ich mochte den Herbst. All die bunten Farben der Blätter wirkten wie ein Gemälde.

Patriam Academy - Das Erwachen der Wölfe, Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt