Kapitel 23

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- Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen! - Oscar Wilde

Langsam, aber sicher merkte man, dass der Herbst voranschritt und dem Winter Platz machte. Die Temperaturen sanken so schnell, wie die Blätter zu Boden fielen. Es war fast etwas zu kühl, um nur im Pullover hier im Hof der Akademie zu sitzen, aber nichts würde mich momentan irgendwo anders hinbringen. Ich war hundemüde, bin jedoch früher aufgestanden, um allen aus dem Weg zu gehen. Vor allem Roxana.

Ich wusste immer noch nicht, was ich mit ihrer Ansage anfangen sollte. Sie konnte nicht wissen, wie es ist, nirgendwo dazu zu gehören. Sie konnte nicht wissen, wie es ist, so derart von jemandem vermöbelt zu werden, dass man am nächsten Tag nicht laufen konnte. Woher nahm sie sich also das Recht, mir sowas an den Kopf zu knallen?

Kämpfen oder aufgeben? Pff. Lächerlich. Wie sollte ich gegen jemanden kämpfen, der mir so sehr überlegen war? Ich wollte gar nicht kämpfen! Aber wurde ich gefragt? Nein.

Ich war nun mal keine Aseane, die mit dem kleinen Finger Berge versetzte. Ich war einfach ich. Ich, die nirgendwo dazu gehörte. Ich, die hier nicht hingehörte. Mit einem erschöpften Seufzer ließ ich niedergeschlagen meinen Kopf hängen und schloss die Augen, bevor ich erneut in Tränen ausbrechen würde.

"Wie bedauerlich", brummte eine tiefe Stimme hinter mir, woraufhin ich erschrocken zusammenzuckte.

"Geh weg!", fauchte ich, ohne ihn zu sehen. Bedauerlich? Der konnte mich mal.

"Nö", kam die kurze Antwort. "Was willst du verdammt noch mal?", ich sprang auf, so gut es mir mit meinem verletzten Knie möglich war, und drehte mich zum Wald. Doch niemand war zu sehen, was meine Wut noch mehr antrieb. "Komm wenigstens raus, damit ich dich sehen kann", zischte ich und versuchte etwas zu erkennen.

"Und nun?", ein Junge trat hinter einem Baum hervor. Seine Aura war eigenartig. Nicht so, wie ich es kannte. Ich hob irritiert eine Augenbraue. Nun?

"Verschwinde und lass mich in Ruhe." Ich drehte mich wieder um, setzte mich wieder auf den Platz, den ich für mich beansprucht habe, und starrte abwesend auf meine Hände. Ob ich mit diesen Händen mal etwas bewirken würde? "Sicher nicht. Das tut ja beim Zusehen weh", brummte er erneut. Danach knackten einige Äste, Blätter raschelten, bis schwarze Schuhspitzen in meinem Blickfeld auftauchten. Will er mich verarschen? Er sollte mich in Ruhe lassen.

"Was ist dein Problem? Wir kennen uns nicht mal", meckerte ich und sah zu dem Jungen auf. Er war mir fast vollkommen fremd. Ich hatte ihn immerhin erst vor ein paar Tagen kurz gesehen.

"Tja, liebe Aurelia, würdest du etwas weniger in Selbstmitleid baden, würdest du deine Umwelt auch wahrnehmen. Ich bin Latif", antwortete er selbstgefällig und grinste mir dabei frech ins Gesicht. Jetzt reichte es aber. Wer glaubte er zu sein?

"Was zur ...?" Ich stand auf, um mich nicht so klein zu fühlen. "Was geht dich das überhaupt an? Verzieh dich! Außerdem weißt du gar nichts. Ich habe sehr wohl das Recht, traurig zu sein."

"Traurig. Ja, aber dieses Selbstmitleid steht dir überhaupt nicht. Und so sehr es mich schmerzt, das sagen zu müssen. Roxana hat recht. Entweder du stehst auf oder bleibst liegen. Verdammt, ja. Du bist verletzt, aber schluck es runter. Täglich werden Menschen verletzt. Aber wie ich sehe, hast du dich bereits fürs Aufgeben entschieden. Ziemlich enttäuschend. Du hattest wirklich Potential", antwortete er völlig gelassen. Meine Wut schien ihn vollkommen kalt zu lassen.

"Ach, leck mich doch", damit schnappte ich meinen Rucksack, drehte mich um und stürmte humpelnd in Richtung Eingang des Gebäudes, das ich langsam zu hassen begann. Was hieß, begann? Ich hasste es.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 20, 2022 ⏰

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Patriam Academy - Das Erwachen der Wölfe, Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt