Kapitel 4

42 2 3
                                    

KAPITEL 4

Joshua

Liz zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an. Er hätte sich ohrfeigen können. „Woher kennst du meinen Namen? Ich hab ihn dir nie gesagt!" Ihre großen blauen Augen durchbohrten ihn. Er stöhnte auf und fuhr sich durch die Haare. Blödmann. Immer musst du alles versauen. Verzweifelt sah er sie an. „Bitte, ich..." Joshua merkte, wie der Zug sein Tempo verringerte. „Wir müssen jetzt. Ich erklär es dir gleich." Er warf ihren Rucksack aus dem Fenster und wollte nach ihrer Hand greifen, aber sie wich zurück. In ihren Augen sah er nackte Angst. Er hatte eher Wut erwartet. Kein Wunder. Es war seine Schuld. Wie konnte er nur so blöd sein? „Bitte Liz, bitte! Uns läuft die Zeit davon."

Liz

Irgendetwas in Liz sagte ihr, dass Joshua die Wahrheit sagte. Dass er es ehrlich meinte. Sie sah ihn an. Verzweiflung und Angst standen ihm ins Gesicht geschrieben. Plötzlich war sie entschlossen ihm zu folgen. Was konnte sie schon verlieren? Vielleicht ihren Rucksack, aber der lag schon irgendwo da draußen. „Liz?" Sie hörte das Flehen in seiner Stimme. „Okay." Joshua seufzte erleichtert auf. „Und es ist nicht gefährlich? Einfach mal so aus dem Zugfenster springen? Macht man ja nicht grad alle Tage, oder?" Überrascht sah er sie an. „Klar ist das gefährlich. Man kann sich verdammt weh tun, wenn man nicht aufpasst." „Sprichst du aus Erfahrung?" Liz bereute ihre Frage sofort nachdem sie sie ausgesprochen hatte. Joshua zog aber nur seine Augenbrauen hoch und schob sie zum Fenster. „Also, hör zu!" Liz bemühte sich wirklich und es hörte sich auch nicht schwer an. Aber... „Warum springst du nicht zuerst und zeigst es mir?"  Joshua schüttelte entnervt den Kopf. „Dann kann ich nicht verhindern, dass du einen Rückzieher machst. Ich komme dir aber sofort hinterher. Also, bist du fertig? Ich zähle bis drei und dann siehst du zu, dass du hier rauskommst." Liz war plötzlich nervös. Was ist wenn ich mir was breche? „Eins..." Oder sogar sterbe? „...zwei..." Okay, tschüss Leben! „...DREI!"

Liz landete unsanft auf ihrem Hosenboden und stieß einen leisen Schrei aus. Vorsichtig versuchte sie aufzustehen. Einen blauen Fleck würde sie mit Sicherheit abbekommen, aber ansonsten schien alles in Ordnung zu sein. „Bist du okay?" Liz prustete los, als Joshuas besorgtes Gesicht neben ihr auftauchte. „Komm schon, das ist nicht lustig!" Liz hatte noch nie so einen Lachflash gehabt. Wann habe ich zum letzten Mal gelacht? Joshua lachte nicht. Er schaute sie lediglich genervt an. „Bist du bald fertig?" Liz hielt kurz inne, warf alle ihre Prinzipien über Bord, legte ihren Kopf schief und fragte mit großen runden Kulleraugen: „Joshuaaa? Können wir das nochmal machen? Bitte bitte bitte bitte!" Seine schockierte Miene war zum Brüllen komisch. „Ach komm schon, lach doch auch mal. Du bist so eine Spaßbremse!" Liz zog an Joshuas Arm, doch er riss sich los. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er jetzt wenigstens den Hauch eines Grinsens zeigen würde, aber seine Augen waren voller Wut. „Du führst dich auf wie ein Riesenbaby, Liz! Meinst du, wir sind zum Spaß hier? Die Situation ist alles andere als komisch, also erwarte bitte nicht von mir, dass ich darüber lache! Du hast so keine Ahnung!" Liz' Laune schlug schlagartig um und sie fühlte, wie heiße Wut in ihr aufstieg. „Ach, tatsächlich!? Entschuldige! Ich kann mich nur nicht erinnern, dass ich je in meinem Leben so etwas wie Spaß gehabt hätte. Und ja, es war lustig aus dem Zug zu springen, jedenfalls für mich. Ich hab schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gelacht. Und du sagst ich wäre ein Riesenbaby? Bitte? Ich bin ein Riesenbaby? Guck dich doch mal an!" „Liz, es..." „Nein, hör mir zu! Du kommst in mein Abteil gerannt während du dir vor Angst fast in die Hose machst, sagst mir, dass ich aus dem Zug springen soll und erklärst mir nicht mal warum? Du kennst meinen Namen, obwohl ich ihn keinem gesagt habe, und ich soll dir vertrauen? Was machen wir eigentlich hier? Du hast mir nicht gesagt, was hier läuft, also..." Liz' Stimme nahm einen fiesen Tonfall an „...erwarte bitte nicht von mir, dass ich es verstehe!"

Joshua

Wenn Joshua ein Maulwurf wäre, würde er sich jetzt vergraben, da war er sich ganz sicher. Er fragte sich, warum eigentlich noch nie jemand eine Zeitmaschine erfunden hatte, dann hätte er wenigstens alles rückgängig machen können. Von Anfang an. Aber er war kein Maulwurf und eine Zeitmaschine hatte er auch nicht. Liz zitterte am ganzen Körper. Ihr Ausbruch hatte sie vermutlich aller Energie beraubt. Er hätte nie gedacht, dass sie so temperamentvoll sein konnte.  Du musst da durch. „Liz, es tut mir..." Eine gewaltige Explosion ließ die Erde erbeben. Das letzte, das er sah, war Liz' vor Schreck verzerrtes Gesicht.

Codewort Cruel [ON HOLD]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt