Sie beide waren auch Tage danach noch dabei alles zu verkraften, Jimin kam mit dem Gedanken, dass er den Zustand seines besten Freundes so lange nicht bemerkt hat nicht klar und Taehyung nicht damit, dass er überlebte. Er wollte immer noch sterben, aber tief in ihm drin war er sich schon fast sicher, dass er es doch nicht machen würde. Jetzt wo Jimin es auch noch weiß, würde er sich ja noch mehr die Schuld geben, dachte sich Taehyung.
Damit hatte er auch recht, wenn er sich jetzt umbringen würde, würde Jimin vermutlich denken es wäre seine Schuld gewesen, da er es wusste und nicht geholfen hat. Wenn der erste Versuch geglückt wäre, wäre es für Jimin vermutlich leichter gewesen, doch jetzt.... Taehyung will ihm das nicht antun.
Gerade jetzt ist Jimin bei der Arbeit, Taehyung blieb die paar Tage danach erst mal Zuhause, ab Morgen ist ja sowieso Wochenende, er wird ab Montag wieder gehen. Er kann sich nicht noch länger ohne Attest vom Arzt krank melden. Jimin hatte außerdem jeden Tag wenn er allein arbeiten geht, Angst dass er zuhause eine leblose Version von Taehyung vorfindet, er hat Angst dass dieser doch aufgibt. Aber er kann es ihm nicht mal übel nehmen, er hat ja die Zerstörung auf seinem Arm gesehen und weiß wie schwer das alles für Tae ist im Moment.
Einen Vorteil hat Taehyung jetzt allerdings, er kann endlich im kurzärmeligen Shirt Zuhause rumlaufen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, manchmal bringt Jimin zwar seine Freunde von der Arbeit mit, aber da sagt er ja für gewöhnlich eh vorher bescheid. Jedenfalls, Taehyung hat das ganze schon geplant. Er wird sich nicht mehr an den Armen schneiden, sondern sich andere, verstecktere Stellen suchen um seine Arme Zuhause dann offen zu tragen. So denkt Jimin vielleicht, er würde sich bessern und nicht mehr so oft selbst verletzen. Auch wenn dies eine Lüge ist, er will Jimin einfach nicht so viele Sorgen machen.
Nachdem er eine Weile allein mit seiner Tasse Tee am kleinen Küchentisch am Fenster saß, begann er wieder in Erinnerungen zu schwelgen. Und wie immer driftet er ab in jene, die ihn in eine unangenehme Stimmung versetzen, er wird sich heute noch schneiden, das merkt er jetzt schon.
In ihm kommt eine spezifische Erinnerung aus seiner Mittelschulzeit wieder hoch, andere Menschen hätten vermutlich über so etwas gar nicht nachgedacht, er jedoch schon. Er hat ja schließlich auch da schon gemerkt, dass er irgendwie anders denkt, außerdem hatte er dort ja auch schon ein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem was Menschen sagen im Gegensatz zu dem was sie tun.
Er musste einen Vortrag vor der Klasse halten, allein und mit möglichst wenig Karteikarten. Es war damals die Hölle für ihn, vermutlich wäre es das jetzt auch noch. Vorträge waren schon immer das schlimmste an der ganzen Schulzeit, aber wenn man es dann auch noch allein vortragen muss war alles vorbei. Sein Thema war recht leicht und er hatte auch alle Infos dazu beisammen, alles geprobt hatte er auch sodass er zumindest nichts vergessen würde. Das war ja auch gar nicht das peinliche an der gesamten Geschichte, es war einfach alles zusammen.
Tae hatte sich schon als er noch ein Kind war Sorgen darüber gemacht, wie er läuft. Auch wenn dies ganz banal klingt, ihm hat mal ein anderes Kind gesagt, es würde ein wenig lustig aussehen, wie er läuft und dieser Gedanke hat ihn nie wieder losgelassen, nicht mal als Erwachsener. Kinder sind nun mal die ehrlichsten Menschen auf der Welt wenn es um Kritik geht. Jedenfalls, somit war allein der Gang von der letzten Reihe bis ganz nach vorne die Hölle, und dann auch noch alleine.
Er war sich schon immer unsicher über sein Aussehen, hatte Angst merkwürdig auszusehen oder vielleicht eine schlechte Figur zu haben, er war dort schon fast untergewichtig, aber er sah sich immer noch als zu dick an. Er kann sich wirklich glücklich schätzen, dass daraus nie eine ernsthafte Essstörung wurde, hätte er nicht so wenig Disziplin gehabt, wäre es vermutlich schon oft fast soweit gewesen.
Somit waren allein die Äußeren Umstände die Hölle für ihn, zumal es an dem Tag auch noch warm war, sodass er sich sogar Sorgen um seine Schweißflecken machte. Und dann ging es los mit dem eigentlichen Vortrag.
Er sprach wie immer viel zu schnell, er hatte das schon immer gemacht aber bei Präsentationen war es immer noch schlimmer als sonst, er musste sogar noch einmal von vorn anfangen. Außerdem zitterte er die ganze Zeit wie Espenlaub und hatte bereits am Abend davor Bauchschmerzen bekommen, sodass er sogar teilweile mit seinem Kreislauf kämpfte. Er fragte sich bis heute wie er das geschafft hat ohne ohnmächtig zu werden, ihn hatte so viel belastet. Die Nervosität, die Schmerzen, die Wärme, außerdem aß er als Jugendlicher oft ein bisschen zu wenig, was ihm auch oft ein paar Probleme bereitet hat, er hatte oft Kreislaufprobleme. Jetzt immer noch, nur dass er jetzt ein wenig mehr isst als früher.
Alles in allem lief der Vortrag sogar gut, auch die Lehrerin lobte ihn mehr als ihn zu kritisieren, aber ihm war es so unfassbar peinlich, dass er so nervös war, dass er nur daran denken konnte. Er realisierte gar nicht, dass sein Vortrag allgemein sogar laut der Lehrerin einer der besten war, das hatte er bis heute sowieso vergessen. Er fokussierte sich so darauf, was unangenehm war, dass das einzige was ihm von dem ganzen geblieben war dieses unangenehme Gefühl war, er könnte sich jedes mal wenn er daran denkt erneut die Arme zerschneiden, das war auch einer der schlimmsten Tage was das angeht. Er hat sich da zwar noch nicht regelmäßig verletzt, aber da war es schlimmer als sonst.
Er hatte mehrfach an die selbe Stelle an seinem Fußgelenk geschnitten, sodass es insgesamt aussah wie eine Schramme. Man kann sich ja vorstellen wie viele kleine Schnitte das waren um ein Bild einer Schramme abzugeben. Davon trägt er bis heute Narben davon, sodass er ständig wieder daran erinnert wird.
Und da kommt der Drang wieder hoch, nachdem er seinen Tee in Ruhe ausgetrunken hat, begibt er sich ins Bad und es beginnt von vorne.
Er zog seinen Ärmel soweit aus, dass er bis an seinen Oberarm kommt, seine T-Shirts gehen alle bis zum Ellenbogen, sodass er sich da weiter schneiden kann. Außerdem, noch ist ja tiefster Winter, daher wird es ja doch niemand zu Gesicht bekommen bevor es sich zu ein paar Narben gewandelt hat.
Er setzt die kleine Klinge aus seinem alten Anspitzer auf seiner dünnen Haut an und zieht ohne darüber nachzudenken einfach durch, der Schnitt füllte sich bereits nach ein paar Minuten mit Blut, jedoch lief es nicht runter, dafür hatte er nicht tief genug geschnitten.
Beim zweiten, dritten und all den weiteren Schnitten, er hatte nicht mehr mitgezählt, machte er es allerdings anders, er zog ein wenig fester durch, sodass nach ein paar Minuten bereits eine kleine Pfütze neben ihm auf dem Boden war, so wie er es gewohnt war. Und auch erst nachdem er die blutige Klinge wieder sinken lässt, kommt der Schmerz.
Das ist auch das faszinierende am Schneiden, auch wenn man sich total darauf fokussiert, man bemerkt den Schmerz erst im Nachhinein, zu Beginn fühlt es sich taub an. Das lässt erst nach, nachdem man aus dieser Art Trance erwacht und realisiert, was man schon wieder angerichtet hat.
Genauso wie es Tae jetzt geht, er hat zwar ein Gefühl dafür sich nicht so tief zu schneiden, dass es gefährlich werden könnte, aber es ist trotzdem jedes mal wieder ein kleiner Schock wenn er sieht wie viel er geblutet hat. Vielleicht ist das auch ein Grund wieso er ständig so müde und ausgelaugt ist, vielleicht leide er ja an einer chronischen Blutarmut, sprach er leise zu sich selbst während er das ganze Blut sorgfältig wie immer entfernt. Auch wenn Jimin inzwischen davon weiß, er muss ja nicht unbedingt mitbekommen, dass Taehyung es schon wieder getan hatte.
Die Schuldgefühle zerfressen ihn nach und nach, aber er weiß nicht was er dagegen tun kann...
DU LIEST GERADE
Train° ~ Taehyung FF
FanfictionNach einem Moment des Zögerns berühren seine Knie nun doch endlich den Boden, sie versinken genauso schnell wie seine Füße in der Masse aus Schnee. Er spürt die Nässe seiner alten Bluejeans, jedoch nicht die Kälte. Ihm wurde vielleicht sogar in dem...