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"...hyung? Taehyung?" Er wachte auf, als er Jimins Stimme hörte. Ist es bereits Morgen? Er wusste es nicht.

Alles um ihn herum wurde langsam klarer, er spürte auf einmal Kälte und Nässe an seiner Brust und seinem Arm. Die Erinnerungen an das, was gestern passiert ist, wurden langsam wieder klarer. Ein unsäglicher Kopfschmerz setze ebenfalls ein und er hatte Mühe sich aufzurichten.

Erst jetzt sah er die Wasserflasche neben sich auf dem Boden, er erinnerte sich daran, was gestern passierte. Er nahm Schlaftabletten, bekam Schuldgefühle und würgte sie wieder aus. Einige wirkten trotzdem, sodass er die ganze Zeit kurz vor der Ohnmacht stand. Dann belog er einen von Jimins Freunden, Seokjin, in der Küche als er sich etwas zu trinken holte und brach in seinem Zimmer zusammen. Anscheinend "schlief" er dann die Nacht durch.

Er realisierte ebenfalls, wieso hier alles nass war. Er ließ die Flasche bei der plötzlichen Ohnmacht und dem Aufschlag auf dem Boden fallen und sie lief aus. Es war doch irgendwie beeindruckend, dass er dies überlebte. Er war ja ohnehin schon körperlich geschwächt durch alles was ihm so passierte, und dann kombiniert mit der Menge Schlaftabletten und dem Übergeben allgemein, er hatte vermutlich Glück. Oder Pech, je nachdem wie man die Situation sieht. Taehyung selbst empfand es mehr als Pech, auch wenn er so den anderen keine Probleme machte.

"Taehyung! Was ist denn, bist du immer noch nicht wach?" Jimin hämmerte inzwischen schon gegen die Tür, vermutlich würde er gleich reinkommen, wenn Taehyung nicht reagierte.

"Tschuldigung, ich war völlig in Gedanken. Mir ging es ja gestern nicht so gut, daher habe ich tiefer geschlafen als sonst. Wieso weckst du mich überhaupt, wir haben heute doch frei oder nicht?"

"Es ist erstens schon fast Mittag und ich habe Hunger, zweitens sahst du gestern nicht besonders gut aus und ich habe mir Sorgen gemacht, daher wollte ich nach dir schauen. Ah und wir sollten die Haut, die gestern den Kaffee abbekommen hat regelmäßig eincremen, komm mal ins Bad." Als Taehyung dies hörte, zog er sich panisch sein Shirt über den Kopf um damit den ebenfalls nassen Boden zu trocknen. Er machte nur einen zustimmenden Laut, sodass Jimin sich schon mal auf den Weg ins Bad machte. Nachdem Taehyung alles getrocknet hatte, Jimin sollte ja schließlich nicht herausfinden, dass er ohnmächtig wurde, zog er sich einen frischen Pulli an und ging ebenfalls ins Bad.

Dort angekommen zog er sich das Shirt gleich wieder über den Kopf, sodass Jimin die Haut eincremen kann. An seinem Oberarm befand sich jedoch immer noch der Verband, unter ihm frische, gerade so verkrustete Narben und Wunden. Darauf hatten sie gestern gar nicht geachtet, doch jetzt wird Jimin klar, was Taehyung gemacht hatte.

"Taehyung, hast du es wieder gemacht? Zeig mal her, ich creme die auch ein." Er zupfte leicht an dem Verband, sodass Taehyung widerstandslos den Arm ein wenig anhob. Jimin wickelte den Verband ab und fuhr die Narben leicht mit dem Finger nach ohne irgendwas zu sagen. Er nahm die Tube Wundheilsalbe aus dem Schrank und schmierte ein wenig darauf, bevor er ein neues Stück Verband darumband. Die Haut, die immer noch rot von dem heißen Kaffee gestern ist, rieb er ebenfalls mit einer Brandwunden Salbe ein, bevor er begann zu sprechen.

"Namjoon kam ja gestern direkt mit, als der Kaffee auf dich geschüttet wurde und du machtest keine Anzeichen die Narben verstecken zu wollen. Er wusste es auch, oder? Das habe ich mir nämlich beim ersten Vorfall schon gedacht, da sagte er ja, dass er dir geholfen hat, als du deinen Pulli dreckig gemacht hast. Das war eine Lüge, oder?" Jimin schien Taehyung nichts vorwerfen zu wollen, es klang einfach nach Interesse.

"Ja, er fand es auch gestern Abend heraus. Ich habe gemerkt, dass sich eine Panikattacke anbahnt, dann bin ich ins Bad gegangen und habe das hier gemacht." Er zeigte auf seinen Oberarm an dem sich die Bandage befand. "Aber anscheinend habe ich nicht abgeschlossen, sodass Namjoon hereinplatzte. Dann hat er mir geholfen, das zu verbinden und ich habe ihm das kurz versucht zu erklären. Aber ich bin mir sicher, dass es wieder mal nur ein Wirrwarr von Wörtern war, welches er nicht verstehen konnte. Jedenfalls, nachher hat er mir dann geholfen, es geheim zu halten, es müssen ja schließlich auch nicht alle wissen."

Jimin erwiderte nichts darauf, vermutlich wusste er nicht was. Und Taehyung fühlte sich vollkommen leer. Vermutlich war das Chaos gestern so groß, dass es sich zu einem nichts verwandelt hatte. Das passierte ihm öfter, man fühlte manchmal eben einfach gar nichts mehr. Nach einigen Minuten fand Taehyung erneut Worte.

"E-es tut mir Leid, dass ich euch so damit belaste, ich merke dass euch das ganze überfordert. Aber ich weiß ja auch nicht was wir jetzt machen sollen, ich weiß ja selbst nicht wie man mir helfen kann. Bitte lebt einfach so weiter wie bisher, ich schaffe das schon. Ich werde nicht noch mal versuchen mich umzubringen, versprochen. Das letztens war nur eine Tat aus dem Affekt wie schon gesagt, ich war so überfordert und an dem Tag sowieso sehr schlecht drauf, dass das unbedacht passierte. Bitte versprich mir, dass du dir nicht so viele Sorgen machst!" Jimin schien ihm zu glauben. Auch wenn der Teil, dass es aus dem Affekt passierte der Wahrheit entsprach, dass er es nicht noch einmal versuche ist eine Lüge. Das konnte er nicht versprechen. Und selbst wenn, hätte er es sogar schon gebrochen.

Doch Jimin erwiderte nichts, er wusste einfach nicht was er sagen sollte. Allerdings war er jetzt etwas beruhigter, da er wusste, Tae erwartete nicht all zu viel von ihm. Wenn er doch selbst nicht wusste, was er hören will, wie sollen es dann andere wissen?

Taehyung ging dieser Gedanke gar nicht mehr aus dem Kopf. Man will ja immer irgendwie, dass es besser wird. Aber Tae wusste gar nicht was dieses "Besser" eigentlich war. Er wollte sich weniger Sorgen machen, doch im Gegenzug hielt er genau dies für Naivität und Abstumpfung, daher wollte er es gleichermaßen vermeiden. Er wollte sich selbst nicht mehr so hassen, doch gleichzeitig wusste er dass er die Meinung der anderen nicht ändern kann und es vielleicht leichter wäre, wenn er sich selbst genauso sah. Er wollte sich glücklicher fühlen, doch gleichzeitig wusste er, dass dann etwas schlimmes passieren und dieses Glück gleich wieder Zunichte machen würde. Also wieso sollte man kurzzeitig glücklich sein nur um dann noch mehr zerstört zu werden? Das empfand er als pure Naivität. Er wollte, dass alles besser wird und gleichzeitig wollte er, dass alles so bleibt. Er wusste dass dieser Zustand ihn zerstört, jedoch wusste er auch dass er sowieso in den alten Zustand verfallen würde, selbst wenn es sich irgendwann besserte. Und genau diese Zerrissenheit, diese Verwirrung, diese Verzweiflung löste in ihm den Wunsch aus zu sterben.

Und er wusste genauso wenig, was ihm helfen würde sich wenigstens ein bisschen besser zu fühlen. Er wusste nicht was Jimin ihm sagen sollte, denn er würde ihm ohnehin nicht glauben können. Er war in dem Stadium des Selbsthass angekommen, aus welchen ihm vermutlich niemand außer sich selbst wieder herausholen kann. Früher hatte er bloß Angst, dass andere Leute schlecht von ihm denken, doch heute hat sich dieser Gedanke so eingebrannt, dass er selbst davon überzeugt ist. Er ist sich fast schon sicher, dass die Menschen schlecht von ihm denken und denkt selbst genauso über sich, dass die Menschen ihm sagen könnten, was sie wollen. Taehyung könnte es nicht glauben, sondern hätte immer den Hintergedanken, dass sie das bloß sagen um ihn nicht noch mehr zu verletzen, er war sich sicher, dass sie lügen. Der einzige der ihn vielleicht mit viel Willenskraft davon überzeugen kann, dass er nicht wertlos war, war er selbst. Doch dafür hielt er sich wiederum für zu unfähig. Es war ein Teufelskreis, der ihn immer weiter in die Tiefen des Selbsthasses zog...

Train° ~ Taehyung FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt