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Namjoon versuchte seine Gefühle irgendwie in Worte zu fassen, doch er wusste nicht wie. Er wusste innerlich, dass er Taehyung jetzt in dieser Sekunde sowieso mit nichts helfen konnte, aber er wollte auch nicht einfach nichts tun. Er entschied sich für eine dieser klischeehaften Höflichkeitsfloskeln, etwas anderes fiel ihm ohnehin nicht ein.

"I-Ich bin mir sicher, dass das alles wieder besser wird. Sag uns einfach Bescheid, wenn es dir schlecht geht, wir sind für dich da. Alles wird gut." Namjoon merkte noch während er das sagte, dass es klischeehaft war, aber er war nun mal einfach überfordert. Tae lächelte ihm nur leicht zu, er wollte ihm zeigen, dass er Namjoons Worte zu schätzen weiß, auch wenn er das nicht tat. Um ehrlich zu sein, fand er sie sogar noch ein wenig deprimierender.

Denn er war der Meinung, dass sowas wie ein Happy End nicht existierte. Das Leben bestand für ihn nicht aus einer schlechten Phase die man überwinden muss um dann im Happy End zu leben. Für ihn bestand das Leben aus schlechten Ereignissen und den Phasen dazwischen die einem gelassen werden um sich ein wenig darauf vorbereiten zu können. Er war der Meinung, dass ein Happy End nie das Ende war, sondern einfach ein kurzweilender Zustand, der von einer naiven Person als das Ende angesehen wurde. Nach dem "Happy End" folgt immer ein nächstes schlechtes Ereignis, davon war Tae überzeugt. Irgendwie hatte er damit auch recht.

Wobei, es gab doch einen Zustand, den man als Happy End bezeichnen würde, Tae kam gerade erst auf den Gedanken. Nun ja, es ist vermutlich nur ein Happy End für die betroffene Person, aber Tae realisierte, dass nur Suizidopfer ein wirkliches Happy End für sich bekamen. Sie bekamen in dem Moment genau das, was sie sich am sehnlichsten wünschten und haben vielleicht das erste mal in ihrem Leben etwas zu Ende gebracht, was sie wirklich wollten.

Einen Suizidversuch zu überleben war allerdings die absolute Hölle, das wusste Taehyung nun.

"Taehyung, hallo?" Jimin wedelte vor Taes Gesicht mit seiner Hand herum, er war ganz in Gedanken vertieft.

"A-Ah tut mir Leid, ich war in Gedanken." Taehyung lächelte leicht gestellt und fuhr sich einmal durch die Haare. "Was habt ihr gesagt?"

"Wir sind ja hier soweit fertig und wollten fragen, ob du dich wieder dazu setzen willst oder was du jetzt vor hast. Ah, hier ist übrigens noch ein sauberer Pulli, auf dem anderen war ja Kaffee." Jimin reichte ihm einen Pullover entgegen und packte die Salbe zurück in das kleine Schränkchen. Taehyung war sich nicht so ganz sicher, was er tun wollte, Hunger hatte er ja sowieso keinen und er fühlte sich als würde er alle nerven. Er entschied sich einfach dazu, sich hinzulegen, er war schon seit Wochen immer müde. Das hatte zwar wohl eher weniger Schlafmangel zur Ursache, aber er wollte sich dennoch in sein Bett legen und wenigstens versuchen zu schlafen.

"Ich glaube ich lege mich erstmal hin, ich bin schon den ganzen Tag müde, wir sehen uns dann ja." Sagte dieser und lächelte sie noch einmal an, bevor er sich auf den Weg zu seinem Zimmer machte. Was die anderen jetzt taten, war ihm wenigstens einmal in den letzten Wochen vollkommen egal.

Dort angekommen setzte er sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an sein Bett, er zog seine Beine ein Stück an und verschränkte seine Arme auf den Knien. Er war unsäglich froh, dass ihn gerade niemand so sehen konnte, er wäre wohl nicht länger in der Lage gewesen, sein Pokerface aufrecht zu erhalten. Alle seine Emotionen spiegeln sich in seinen Augen wieder, dass so ein kleines Körperteil soviel über die Psyche eines Menschen aussagen konnte, fand er erstaunlich.

Er begann lautlos zu weinen, seinen Kopf hatte er ebenfalls auf seinen Knien abgelegt. Das einzige Anzeichen dafür, dass er weint waren seine ganz leicht bebenden Schultern, man bemerkte es kaum. Er fühlte sich einfach miserabel, er wusste nicht was er denken oder fühlen sollte. Jetzt wusste Namjoon auch, dass er sich selbst verletzt und jetzt macht sich noch eine Person Sorgen um ihn. Vielleicht wissen bald alle sechs davon, Jimin macht ja in letzter Zeit viel mit ihnen und versucht Taehyung augenscheinlich auch mit einzubinden.

Er war so überwältigt von sich selbst, dass er nichts anderes zu tun wusste als einfach zu weinen. Er griff sich in die Haare und zog daran, erst nur leicht, doch nachher immer stärker. Er spürte den Drang ganz deutlich, aber er konnte sich nicht nochmal schneiden, das hatte er heute ja schon gemacht. Doch da kam ihm sein Feuerzeug ins Gedächtnis, er könnte ja einfach...

Er stand auf und ging auf sein Fenster zu, aus irgendeinem Grund lag auf der Fensterbank immer ein Feuerzeug herum. Er hob es auf und setzte sich auf den Boden vor dem Fenster, an der Wang gegenüber von sich konnte er die Reflektion des Mondlichts erkennen. Es war ja bereits dunkel draußen geworden, im Winder wurde es schnell dunkel.

Er drehte an dem kleinen Rädchen und drückte währenddessen den Knopf herunter, sodass eine kleine Flamme entzündet wurde, sie erhellt Taehyungs Gesicht ein wenig, er hält das Feuerzeug ungefähr auf Augenhöhe vor sich. Es ist irgendwie beruhigend, sich diese Flamme anzuschauen, so einsam wie sie auf dem kleinen Feuerzeug vor sich hin brennt. Er hob seinen Arm. Dies kann er ja sogar an seinem Unterarm machen, schließlich erkennt Jimin Brandwunden nicht. Momentan hatte er ja auch ohnehin welche, da machten ein oder zwei kleine Stellen mehr jetzt auch nicht viel aus. Auf seinem Unterarm ist schließlich nicht überall Kaffee gekommen.

Er hält das Feuerzeug ganz nah an seinen Arm, bisher spürt er die Hitze zwar, jedoch tut es nicht weh. Er bewegt die kleine helle Flamme immer näher auf seine Haut zu bis er schlussendlich den erlösenden Schmerz spürt. Er fokussiert sich auf den Schmerz, bestimmt ganz genau die Stelle auf seiner Haut und ordnet es ein. Diese Technik hat er sich irgendwann angeeignet, falls es beim Schneiden mal zu tief wurde. So kann man den Schmerz ein wenig besser aushalten und sich beruhigen, es hilft schließlich wenn man sich auf etwas fokussiert. Und wenn man sich auf den Schmerz fokussiert, erscheint er einem nicht mehr ganz so dramatisch und schlimm. Zumindest bei ihm funktionierte das recht gut.

Nachdem der Schmerz abgeklungen ist, wiederholt er den Vorgang noch einige Male, bevor er das Feuerzeug zurück an seinen Platz legte. Aus der kleinen Dose Creme die noch auf seiner Kommode stand, schmierte er ein bisschen auf die Flecken, es soll ja schließlich keine Brandnarbe entstehen.

Das Gefühl der Überwältigung war jetzt verschwunden und wurde durch das Gefühl der Schuld ersetzt. Das Gefühl der Einsamkeit keimte ebenfalls in ihm auf. Was hatte er nur getan? Er könnte jetzt auf dem Balkon sitzen und grillen, doch stattdessen hockte er in seinem Zimmer und verletzte sich selbst. Er machte Jimin nur so immer mehr Sorgen, das dachte er sich. Ihm tat alles was passiert so unfassbar Leid, aber er wusste nicht was er machen sollte. Es kam ihm schon wieder flüchtig der Hintergedanke, sich doch einfach das Leben zu nehmen, doch er verdrängte es. Das würde ihm zwar vieles erleichtern, aber Jimin, Namjoon und vielleicht auch den anderen noch mehr Probleme machen und sie vielleicht sogar traurig machen. Und das wollte er schließlich nicht, auch wenn es ihm schwer viel zu leben, er wollte sie nicht enttäuschen.

Er musste gegen sich selbst kämpfen...

Train° ~ Taehyung FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt