ᶜᴴᴬᴾᵀᴱᴿ ⁴⁹

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Unbewusst versteifte sich Eren etwas, verstärkte den Druck an seiner Hand, die er mit Levi hielt. Dies merkte natürlich auch der Schwarzhaarige und er wusste sofort, was los war. Dafür musste er Eren nicht mal genau kennen. Jeder konnte sich denken, was momentan in seinem Kopf vorging. Und ungelogen, es schmerzte Levi sehr, mit ansehen zu müssen, wie es Eren gerade ging. Dabei sollte er sich nicht eher freuen? Immerhin stand sein ältere Halbbruder vor ihm. Da freute man sich, oder nicht? Levi wusste es nicht, jedoch war das doch nur logisch! Immer wieder schwenkte der Blick von ihm zwischen den einzelnen Augenpaaren hin und her, keiner sagte etwas.
Zeke räusperte sich und unterbrach die Stille, die Eren gerade so am Rücken kratzte: "Ich kann verstehen, dass das gerade etwas viel ist. Jedoch... meine ich das nur gut, Eren. Ich biete dir eine Möglichkeit, die du nie wieder haben wirst. Ich zeige dir die Welt, unzwar so richtig. Es muss doch langweilig sein, auf diesem Fleckchen die ganzen Jahre zu verweilen. Ich wette, du warst noch nie in New York, da gehen wir hin.
Aber ich werde dich nicht zwingen. Ich will nicht, dass du dich gezwungen fühlst. Daher gebe ich dir zwei Tage Zeit. Ich werde dann wiederkommen und du sagst mir, wofür du dich entschieden hast... Einverstanden?"

Eine kleine Weile verging, bis Eren sich dazu bringen konnte, ein kurzes Nicken zu zeigen. Mehr bekam er erstmal nicht raus. Zeke nickte mit einem leichten Lächeln und stand auf. Nachdem er sich verabschiedet hatte, auch noch Levi auf die Schulter klopfte, war er gegangen. Man konnte nur noch hören, wie der Blonde die Motoren seines Autos startete und davonbrauste.

-

Es war spät geworden. Der Mond erkämpfte sich so langsam den Himmel und die Sonne ging unter. Es war bewölkt, würde wohl gleich anfangen zu regnen. Sicher war es schon so um die 22 Uhr. Es war Ruhe eingekehrt. Nur in seinem Inneren tobte es wie wild.
Er versuchte dies jedoch nicht zu zeigen, da er den neben sich schlafenden Levi nicht wecken wollte. Auch wenn man es ihm nicht direkt ansah, hatte dieser ereignisreiche Tag mit den kleinen Kindern dem Schwarzhaarigen doch mehr zugesetzt, als er zeigen wollte. Schließlich hatten diese kleinen Racker auch ordentlich Energie, wenn sie einmal richtig in Fahrt gekommen waren. Auch Eren war müde, jedoch bekam er kein Auge zu.

Dafür war er zu tief in Gedanken versunken. Hauptsächlich an Zeke und an dem, was er gesagt hatte.
Eren hatte einen Halbbruder. Sein Vater war vor Erens Mutter noch mit jemand anderen verheiratet und hatten ein Kind - Zeke Jäger. Dann, einige Jahre später, trennten sie sich und Grisha ging nach Europa, Deutschland, und heiratete wieder. Sie bekamen ein Kind - Eren Jäger. Und dann, nur wenige Wochen nach seiner Geburt, legten sie ihn vor der Tür des Jugendamts ab. Danach hörte man von ihnen nichts mehr.
Und da war Eren nun. Wie er leibt und lebt. Wusste nichts mit sich anzufangen.

Dieses Gefühl, was er momentan hatte, konnte er nicht beschreiben. Er freute sich, dass es nun doch jemanden gab, der aus Erens Familie kam. Auch wenn er ihn erst spät kennengelernt hatte, es kam Eren komisch vor. Warum erst jetzt? Er fragte sich echt, was das alles manchmal sollte. All die Zeit hat er sich allein gefühlt, und nun stand sein nächster Verwandter vor der Tür und wollte Erens Sorgerecht übernehmen? Es fühlte sich komisch an, besser konnte Eren es nicht beschreiben. Es gab doch noch jemanden, dem er nah war - außer Levi.

Genau... Was war mit Levi? Wenn Eren wirklich gehen würde, dann würde er Levi alleine lassen. Und das konnte er nicht. Da gab es kein Wenn und kein Aber. Wenn er es täte, würde er ein Stück seiner Selbst verlieren. Gerade jetzt, wo es so gut lief, ginge das doch nicht. Er liebte ihn über alles. Was wäre er dann für ein Mensch, würde er seinen Freund einfach hierlassen? Er-

"Eren...?", kam es leise vom Bett. Augenblicklich verstummten Erens Gedanken. Er schaute in die Richtung, aus der Levis Stimme kam. Der Schwarzhaarige hatte sich aufgerichtet, wodurch die Decke etwas runtergerutscht war. Müde rieb er sich die Augen und gähnte. Erst da bemerkte Eren, dass es schon kurz vor 23 Uhr gewesen war. War er so lange in Gedanken? Er hatte das gar nicht gemerkt. "Ja, was ist?", erwiderte er sanft. Auch wenn ihn gerade viel beschäftigte, wollte er Levi nicht denken lassen, es ginge ihm nicht gut. Denn es war so, es ging ihm gut. Er wusste nur nicht, wie er über so manche Dinge denken sollte. Wusste nicht, was er tun sollte. Dabei war es doch eigentlich klar gewesen.
"Warum bist du noch wach?", erklang es Levis Stimme müde. Und wie fertig er war, seine Stimme hörte sich an, als hätte er drei Stunden rumgeschrien - gar nicht mal so falsch. Sie kam nur ganz leicht hervor, fast wie ein Hauchen.
"Ich...Ich konnte nur nicht schlafen.", sagte Eren einfach. Er hoffte sehr, dass Levi nichts gemerkt hatte. Dass er durch seine momentane Müdigkeit nicht so auf der Höhe war. Auch wenn die Hoffnung vergebens war, wenn man es mit Levi zu tun hatte. Inzwischen kannte er Eren so gut, dass er nicht mal hinsehen musste, um zu wissen, wenn etwas nicht stimmte. Und er konnte sich noch besser vorstellen, was es war, das Eren solch ein Gedankenchaos bereitete.

"Lüg mich nicht an... Das bringt doch nichts, und das weißt du.", murrte er etwas kräftiger. Eren seufzte, kratzte sich am Hinterkopf und gab sich geschlagen. Er nickte schwach. Levi klopfte auf das Bett und Eren setzte sich dorthin. Dadurch schwankte das Holzgestell etwas und quietschte.
Levi setzte sich richtig hin, so dass er direkt vor Eren saß und ihm genau in die Augen sah. Und das war bereits Antwort genug. So strich er mit seinen Fingern eine der braunen Strähnen hinter das Ohr des Braunhaarigen und lächelte sanft, gab ihn einen Kuss auf die Wange.
"Ich weiß, was los ist... Du denkst an heute Nachmittag, oder?", fragte er. Eren nickte und nahm Levis Hand. Der Schwarzhaarige legte seinen Kopf etwas seitlich.

"Du bist dir unsicher, was du machen sollst? Dein Ernst?" Eren hob eine Augenbraue und öffnete etwas den Mund. "Was? Wie meinst du-" - "Ich bitte dich, Eren. Es ist doch klar, was du machen solltest!", begann er, "Du bist seitdem du ein Baby warst hier, dachtest, du hättest keine Familie. Und jetzt hast du sie gefunden. Ich weiß doch, wie sehr du dir eine gewünscht hast! Und jetzt ist sie da. Eren, du kannst diesen Ort verlassen und ein neues Leben anfangen. Also was hält dich auf?" - "...Du. Du hälst mich auf.", sagte er leise, worauf Levi verstummte. Als er jedoch verstand, was Eren damit meinte, legte er eine Hand an Erens Wange und streichelte mit dem Daumen sachte darüber. Jedoch hörte er sofort auf, als Eren seine Hand wieder runternahm.

"Ich meine das ernst, Levi... Ich freue mich auch, dass ich endlich meine Familie gefunden habe... Aber bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich mit ihm gehen soll. Amerika... da wollte ich schon immer mal hin. Ich hab viel darüber gehört. Die Strände, die vielen Leute und die tollen Städte. Jedoch... kann ich dort kein neues Leben anfangen, wenn ich dich dafür hierlasse. Auch wenn ich da drüben mein Leben lebe, es genieße, sitzt du immer noch hier, liest wahrscheinlich eins deiner Bücher und bist allein...", brachte Eren mit einem kleinen Schluchzen hervor. Er kam sich blöd vor, wegen so einer kleinen Sache direkt heulen zu müssen.

"Ach Eren... Mir wäre es total egal, was mit mir ist. Viel wichtiger ist, dass du endlich das bekommst, was du dir immer gewünscht hast. Und wir leben nicht im Mittelalter. Es gibt sowas wie Handys, womit man Telefonieren kann. Auch wenn ich hier bleibe, ist mir das lieber, als das du deine Chance verpasst hättest", sagte er, "Bitte denke einmal an dich, Eren. Falls du denkst, dass ich dich dafür hassen würde - warum auch immer - , das tue ich nicht. Okay?... Bitte, mach einmal das, was du dir wünschst."

Stay With Me [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt