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Nervös zupfte Aramis an seiner Uniform herum. Er wollte nicht aufgeregt sein, aber er konnte nicht anders. „Alles klar, Aramis?" Er antwortete Athos, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Es wäre alles in bester Ordnung.

Aber das war es nicht. An ihm vorbei zogen Stadthäuser und viele Menschen, die den Kopf reckten um den Zug von bewaffneten Musketieren auf ihren Pferden zu sehen. Paris war eine interessante Stadt. Gewisse Viertel waren gepflegt und wunderschön, während andere aussahen, als hätten sie noch nie einen Besen gesehen. Dass sich diese Strassen in der gleichen Stadt befanden, würde man nicht denken.

Doch Aramis interessierte sich im Moment kein bisschen für die Architektur, für Lebensweisen oder sonst irgendwas. Er nahm nicht einmal alles wahr. Er konnte nur daran denken, dass er sich in der gleichen Stadt befand wie Anne.

Als sie durch das grosse Tor des Louvre ritten, stockte ihm der Atem. Hier lebte Anne, in dieser Pracht. Sie verdiente das, dachte er sich und schämte sich, dass er auch nur eine Sekunde daran gedachte hatte, sie würde dies alles hinter sich lassen um mit einem ärmlichen Musketier wie ihm zusammen zu sein.

Die Musketiere versammelten sich auf einem grossen Platz unter einem Balkon. Fanfaren ertönten und der König trat hinaus, schwebte über ihnen auf diesem Balkon und verströmte Macht und Selbstbewusstsein. Er begrüsste die Musketiere und hielt eine schöne Rede über Ruhm und Heldentum. Aber Aramis hörte nichts. Er sah nur die Königin, die ihrem Gatten gefolgt war und stolz seiner Rede lauschte. Sie schien glücklich zu sein, dachte Aramis. Das war sie wohl auch, denn der König schien ein gerechter und freundlicher Mann zu sein. Ein Mann, der Anne würdig war.

Er wandte sich nicht von ihrem Antlitz ab, auch wenn sie ihn nicht sah. Er konnte nicht anders, denn sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Doch schliesslich drehte sich ihr Gemahl um, sie hakte sich bei ihm unter und sie verschwanden ins Schlossinnere.

Aramis wusste nicht, was der König gesagt hatte, es war ihm auch egal. Er liess sich einfach von Athos und Portos mitziehen um seine neue Bleibe zu inspizieren. In dieser Nacht schlief er unruhig und träumte einmal mehr von Königin Anne.

∗∗∗

Seine Füsse taten ihm weh. Seine Muskete war unangenehm schwer. Auch die Sonne brannte nieder auf ihn. Seit vier Stunden stand Aramis nun auf seinem Posten - einem kleinen Flecken in der Mitte des königlichen Gartens. Niemand, aber auch wirklich niemand, kam hier vorbei, also starrte Aramis seit vier Stunden auf die Pflanzen vor ihm. Wenn er doch nur diese heisse Uniform ausziehen oder sich auf den Boden setzten könnte.

Eine angeregte Stimme drang zu ihm hindurch. Woher kam sie bloss? Von Links. In der Allee musste jemand sein. Besser gesagt mussten dort mindestens zwei sein, denn die aufgeregte Stimme musste ja mit jemandem sprechen. Aramis verliess seinen Posten noch nicht. Er wusste noch nicht, ob es sich bei dieser Stimme und deren Zuhörer um zwei gefährliche Menschen handelte, also hiess es abwarten bis er mehr wusste.

Die Stimme war weiblich. Und die, die ihr jetzt eine besänftigende Antwort gab, auch. Dann traten sie hinter den Bäumen hervor, die Gesichter von ihm abgewandt, aber er konnte die Profile deutlich erkennen. Zwei Frauen. Beide nicht viel älter als Zwanzig. Die Kleinere hatte Locken, die ihr über die Schultern und das dunkle Kleid fielen. Die Grössere trug ein grünes Kleid. Ihre Haare geflochten und kleine Blümchen darin. Aramis wusste: Das war ohne jeden Zweifel die Königin. Er dachte nicht nach, das brauchte er gar nicht. Seine Füsse bewegten sich, ohne dass er es ihnen hätte sagen müssen. Sie trugen ihn näher zu Anne. Zu seiner Anne.

Das Leben einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt