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„Macht die Schleppe länger", forderte der König. Er war noch längst nicht zwanzig Jahre alt, doch seine Stimme war der eines Königs würdig. Bestimmt und direkt. Er duldete keinen Widerspruch, das war landesweit bekannt.

„Ja, Sire." Eifrig kritzelte der Schneider in sein Notizbuch. Er wollte keinen Wunsch des jungen Königs ausser Acht lassen. „Und den Saum ein kleines Stück kürzer", befahl Louis der Vierzehnte. „Sehr wohl, Sire." Der Schneider, der sein Handwerk mehr als beherrschte, brauchte nicht mehr als wenige Sekunden und sechs Stecknadeln, um dem Wunsch des Königs nachzukommen.

Abwartend liess er den Herrscher in den Spiegel blicken. Dieser nickte zufrieden und bedankte sich höflich. Der Schneider verbeugte sich tief. „Bedankt Euch nicht, Sire. Ich muss Euch meinen Dank aussprechen, dass Ihr mir Euer Vertrauen schenkt. Es ist mir eine Ehre für Euch zu nähen. Eure Aufträge lassen mich mein volles Talent ausschöpfen, während es mich langweilt für andere zu nähen. Nur Ihr wisst, wie man ein Gewand in Szene zu setzten hat."

„Es freut mich zu hören, dass Euch meine Aufträge gefallen. Nun aber könnt Ihr gehen. Ich möchte mich mit meiner Mutter unterhalten. Alleine." Der Schneider fiel ein weiteres Mal in eine tiefe Referenz, bevor er dem König half, sich in sein vorheriges Gewand zu kleiden. Rückwärtsgehend verliess er den Saal, wobei er seine Stoffproben für den König ersichtlich auf dem Tisch ausbreitete.

Die Türe fiel ins Schloss zurück und Louis wandte sich an die zweite Person im Raum. „Maman? Was denkt Ihr über diesen Schneider?", bat er Anne um ihre Meinung. Sie antwortete nicht gleich, sondern trat näher, um die Stoffe genauer zu betrachten. Behutsam strich sie über die Proben und ein bewundernder Seufzer verliess ihre Lippen.

„Die Stoffe dieses Schneiders sind einzigartig. Samtig weich und dennoch nicht zu schwer, um sie länger zu tragen. Er arbeitet mit Stoffen, die schon unbearbeitet ein Traum sind. Er hat Euch auch eine Probe seines Könnens dagelassen. Ich kann erkennen, dass seine Stiche regelmässig sind. Sie sind gezielt und nicht einer tanzt aus der Reihe. Er weiss um seine Begabung, was ihn arrogant werden liess, aber dennoch ist er jeden Preis wert, den er verlangt."

Dankbar trat Louis näher und nahm die zarten Hände seiner Mutter in die seinen. „Maman, ich schätze Eure Meinung sehr. Was würde ich nur ohne Eure Hilfe tun?", fragte er. „Eurer Dank lässt mich erröten, doch Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Ihr ohne mich einfach jemand anderen fragen würdet!" Anne lachte heiter auf und der König stimmte mit ein.

Seit der Krönung ihres Sohnes war Annes Leben mit jedem Tag lebenswerter geworden. Ihr Sohn war eigenwillig und liebte es grosse Feste zu geben, doch er hatte ein grosses Herz. Er sorgte sich um seine Familie und auch über seine Angestellten hielt er eine schützende Hand. Als Anne ihm Constances Situation geschildert hatte, zögerte er nicht einen Augenblick, ihr Urteil zu wiederrufen.

So lebte Anne nun glücklich im Louvre. Constance und Louis an ihrer Seite. Selbst Aramis konnte sie oft sehen, da sie nun nicht mehr Tag und Nacht unter Beobachtung stand. Sie genoss die gemeinsamen Stunden im Park. Die wortlose Zweisamkeit zwischen den Blumen und Bäumen. Dann glaubte sie, dass nichts ihr Glück trüben könnte.

Doch manchmal legte sich ein Schleier der Wehmut über ihr Leben. Wenn Louis sich mehr für seine Feste als für das Wohl seines Landes zu interessieren schien. Dann wünschte sie sich, er wäre nicht ganz so stur. Dann wünschte sie sich, er würde öfters ihren Worten lauschen und einsehen, dass sein Geld anderweitig mehr Gutes tun konnte. Doch sie war nichtsdestotrotz stolz auf ihren Sohn. Er war zu einem stattlichen jungen Burschen herangewachsen und wenn der Stolz sie zu überwältigen drohte, wünschte sich Anne nichts mehr, als ihre Gefühle mit dem wahren Vater teilen zu können.

Anmerkungen: Bonjour mes chers. Ich weiss, das Kapitel ist nicht lang, aber das gestrige war im Gegenzug sehr lang, also gleicht sich das wieder aus, oder? Ich wollte mich einfach mal wieder bei euch bedanken, weil ihr Anne nun doch schon seit längerem durch ihr Leben begleitet. Ausserdem muss ich euch mitteilen, dass noch exakt sieben Kapitel über bleiben, bevor die Geschichte ihr Ende nimmt. Ach und wundert euch nicht, wegen der direkten Rede, die immer mal wieder in einer anderen Person geschreiben ist. Mittlerweile komm ich selbst nicht mehr ganz klar damit, aber sobald ich die letzten sieben Kapitel veröffentlicht habe, werde ich dieses Durcheinander berichtigen! Bisous, Lucie

Das Leben einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt