Sugawara Kõshi - Verwischt

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Etwas ängstlich blicke ich hoch in den Himmel, der von einem Lichterspiel erhellt wird. Kurz darauf ist das Gröhlen eines Donners zu hören und ich zucke zusammen.

Seit zehn Minuten stehe ich hier unter dem Vordach und warte darauf, dass der strömende Regen endlich nachlässt, aber nichts dergleichen passiert. Im Gegenteil. Es wird noch schlimmer.

Mittlerweile müsste ich die einzige Schülerin auf dem Gelände sein, die noch nicht nach Hause gegangen ist. Jeder ist mit einem Schirm aus dem Gebäude spaziert, außer mir. Ich habe ihn natürlich nach letztem Mal nicht wieder mit in die Schule genommen. Vollidiotin! Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.

Nun stehe ich hier. Ohne Schirm. Ohne Jacke. Nur mit einer weißen Bluse als Schutz vor dem Guss. Ein eisiger Wind fegt unters Dach und lässt mich erzittern. Auch das noch. Es kühlt sich viel zu schnell ab. Wie ich den Sommer manchmal hasse!

Ich horchte auf. Neben dem Plätschern der heruntergekommenen Regentropfen in den bereits entstandenen Pfützen und dem lauten Donnern, der den Zorn der Natur wiederspielgelt, ist noch etwas zu hören. Stimmen. Quietschen. Dumpfe Aufprälle.

Neugierig folge ich dem Geräusch. Es führt mich zu einer der Sporthallen auf dem Gelände. Es sind doch jetzt Ferien. Wer ist denn so bescheuert und bleibt freiwillig länger in der Schule? Länger kann ich allerdings nicht grübeln, da etwas gegen meinen Kopf prallt und ich nach hinten stolpere.

"Asahi! Pass doch auf, wo du hinschlägst!", höre ich noch, bevor ich selbst mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufkomme. "Verdammt, war das ein harter Ball...", murmel ich und zucke zusammen als jemand aufschreit. "Scheiße!" Schritte. Ein Schatten über mir. "Ist alles in Ordnung? Entschuldige. Das war keine Absicht." Sanfte, besorgte braune Augen tauchten über mir auf. "Kann mal passieren.", nuschel ich und richte mich auf.

Nun kommt auch ein großer bärtiger Braunhaariger aus der Halle. Als er mich am Boden sitzend sieht, wird er blass und entschuldigt sich wirklich zich mal, dass er mich getroffen hat. Irgendwann reicht es mir. "Wenn du dich nochmal entschuldigst, dann mache ich Rührei aus dir." Der Junge neben mir kichert nur und der Braunhaarige wird noch blasser und geht einen Schritt zurück. "Entsch-" strafend sehe ich ihn an und er presst seine Lippen aufeinander.

"Du schüchterst unseren Großen ja ganz schön ein." Immer noch kichernd hält der Grauhaarige mir seine Hand hin. Vorsichtig lege ich meine Hand in seine, die er daraufhin sanft umschließt. Für einen Jungen hat er ganz schön weiche Hände. Er hilft mir wieder auf die Füße. "Danke schön." "Kein Thema." Auch sein Lächeln hat etwas sanftes an sich.

"Sag mal, was machst du denn noch hier?" Missmutig starre ich hinaus in den Regen. "Ich warte darauf, dass es aufhört zu regnen..." "Du hast also keinen Schirm dabei." "Und 100 Punkte gehen an..." Ich schaue ihn auffordernd an. "Sugawara Koshi." "N/N V/N.", stelle ich mich ebenfalls vor. "Du kannst gern in der Halle warten bis es aufgehört hat zu regnen." "Danke, aber ich kann leider nicht länger warten. Ich muss nach Hause." Ich will nicht. "Dann warte kurz."

Sugawara lässt meine Hand los. Erschrocken stelle ich fest, dass er die ganze Zeit über meine Hand gehalten hat und mein Kopf läuft rot an.

Der Junge kommt mit einem Regenschirm in der Hand wieder. "Hier." "Aber du brauchst ihn doch nachher bestimmst selber." "Ich gehe mit zu Daichi und er hat einen Schirm." "D-Danke." "Keine Ursache. Man sieht sich." Er wendet sich mit einem Winken ab und geht zurück in die Halle.
"Warte, Sugawara!" Verwundert dreht er sich nochmal um, während ich einen Kugelschreiber aus meiner Tasche krame. Diesmal nehme ich seine Hand und strecke seinen Arm etwas. "Ich kann den Schirm ja nicht die ganzen Ferien über behalten." Ich schreibe eine Zahlenfolge auf seinen Unterarm. "Schreib mir, wenn du ihn wiederhaben möchtest. Dann können wir uns treffen." Schnell stecke ich den Stift wieder weg und diesmal wende ich mich von ihm ab. "Wir sehen uns hoffentlich bald!", rufe ich ihm zu und verschwinde unter seinem Schirm Richtung nach Hause.

Sugawara POV

Etwas verdattert schaue ich dem Mädchen hinterher, die dann auch schon hinter der nächsten Ecke verschwunden ist, und dann auf meinen Arm. Was ist denn jetzt geschehen? Ist das...

"Schaut mal! Das süße Mädchen hat einfach ihre Nummer auf Sugas Arm geschrieben!", ruft Noya. Sofort liegt die gesamte Aufmerksamkeit auf mir.
"Kannst du mir auch die Nummer geben?" - Tanaka.
"Wie heißt sie?" - Hinata.
"Geht sie nicht in eure Parallelklasse?"- Ennoshita.
Und so geht es gefühlt die nächsten zehn Minuten weiter, während ich es mental erst mal verarbeiten muss. Sie hat mir einfach so ihre Nummer gegeben.

"Jungs!", brüllt Ukai durch die Halle, woraufhin alle endlich mal die Klappe halten. "Weiter geht's mit dem Training!" Wie gewohnt geht es weiter mit dem Training, welches mal wieder sehr anstrengend ist.

Im Clubraum unterhalten sich die meisten nach dem Training. "Hey, Suga. Hast du die Nummer schon eingespeichert?", kommt es von Tanaka und zeigt auf meinen Arm. "Oi! Nein, noch nicht." Schnell hole ich mein Handy hervor, tippe auf neuen Kontakt hinzufügen und tippe ihren Namen ein. N/N V/N. Ein wirklich süßes Mädchen. Mit einem schönen herzlichen - Oh, nein!

Auf meinem Arm ist ein verwischtes Irgendetwas, aber keine Nummer. "Du wirst deinen Schirm wohl erst nach den Ferien wiederbekommen." Daichi klopft mir mitfühlend auf die Schulter. Aber ich möchte ihn früher zurück... Niedergeschlagen ziehe ich mich um.

-

An einem sonnigen, warmen Tag gehen mein kleiner Bruder und ich in die Stadt zur Eisdiele. Der Kleine will unbedingt ein Eis und Mutter hat mich deshalb mit ihm losgeschickt. In der Eisdiele setzen wir uns an einen kleinen runden Tisch, an den nur zwei Stühle stehen.

"Such dir eins aus, Kleiner." Mit leuchtenden Augen schaut er sich die Karte an. Er kann sich nicht wirklich entscheiden. Immer wieder wechselt er die Sorte des Eis. Nach beinahe zwanzig Minuten Unentschlossenheit, stelle ich ihm ein Ultimatum. "Entweder du legst dich jetzt fest oder ich suche dir eins aus." Und diesmal bleibt er bei seiner Wahl, dass ich endlich bestellen kann. Also stehe ich auf und gehe zur Theke. Dort gebe ich unsere Bestellung auf und gehe anschließend zurück zum Tisch.

Auf dem Weg zum Tisch schaue ich mich ein wenig um. Es ist ziemlich voll. Sowohl in der Eisdiele als auch in der Stadt selbst. Überall sind Familien, die den schönen Tag gemeinsam genießen. Aber an einer Person bleibt mein Blick hängen.

Ihr dunkelblondes glattes Haar ist zu einem einfachen Zopf geflochten, der über ihre rechte Schulter hängt. Ihre Augen sind auf das Buch auf den Tisch vor ihr geheftet. Sie hat Kopfhöhrer in den Ohren. Vor ihr auf dem Tisch steht ein Milchshake, den sie schon zur Hälfte ausgetrunken hat.

Wie ein Roboter gehe ich am Tisch meines Bruders vorbei und auf sie zu. Sie wird sich bestimmt gefragt haben, warum ich ihr noch nicht geschrieben habe.
Oder weiß sie davon gar nichts mehr? Dieser Gedanke macht mich nervös und ich bleibe stehen. Das wäre dann mega peinlich. Jetzt hat mich der Mut verlassen und ich drehe gerade meinen Oberkörper, um den Rückzug anzutreten, als sie ihren Blick hebt.

Sie schaut sich neugierig um. Wartet sie auf jemanden? Das kleine Lächeln verschwindet mit jeder Sekunde, in der sie ihren Blick schweifen lässt. Sie sieht enttäuscht aus, bis ihre stahlgrauen Augen wohl an mir heften bleiben, woraufhin augenblicklich dieses Lächeln wieder auf ihren Lippen erscheint.

Etwas schüchtern winkt sie mir zu, was die Röte in mein Gesicht treibt. Sie hat es nicht vergessen.
Anstatt mich vom Acker zu machen, gehe ich nun auf sie zu,
"Hey, N/N." und setze mich.

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1272 Wörter

Haikyuu!! - OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt