Kageyama Tobio

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Maki biegt um die Ecke und läuft beinahe in diesen Riesen rein, der mit gerunzelter Stirn vor dem Automaten steht. Er scheint sie gar nicht bemerkt zu haben, denn er bewegt sich nicht. Er denkt angestrengt darüber nach, welches Getränk er nun nehmen soll. "Orangensaft oder Milch?", hört sie ihn murmeln.

Wie lange steht er schon hier und überlegt? Die Pause ist doch gleich schon vorbei, denkt sich Maki.

Die Zeit verstreicht und der Schwarzhaarige hat sich immer noch nicht entschieden. Maki möchte aber diese Pause auch noch etwas zu trinken haben und stellt sich einfach vor ihn.
"Da du dich nicht entscheiden kannst, bin ich mal so frei."
Außer einen verdutzten Laut gibt der Junge nichts von sich, weswegen Maki sich auch keine weiteren Gedanken macht, das Geld in den Automaten steckt und ihren heißgeliebten Eistee auswählt. Mit einem lauten Poltern landet die Dose im Ausgabefach und sie greift hinein, um ihr Getränk herauszuholen.

Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hat, spürt sie einen heißen Atem im Nacken. Langsam dreht sie sich um und blickt in ein wütendes, starres Gesicht, welches eindeutig zu nah an ihrem ist. Dadurch kann sie aber diese leichten, hellen Sprinkler in den nachthimmelblauen Augen erkennen. Sie funkeln so hell wie die Sterne in einer Neumondnacht. Diese Nacht hypnotisiert Maki.

"Gibt's ein Problem?", stottert das dunkelhaarige Mädchen schließlich. Diese Nähe ist ihr unangenehm, aber zurückweichen geht auch nicht, weil der Automat hinter ihr ist.
"Du hast dich vorgedrängelt." Immer noch schaut er sie grimmig an. Ihm ist nicht bewusst, wie wenig Abstand eigentlich zwischen ihnen ist.

Die Erstklässlerin fragt sich, ob ihm das nicht unangenehm wäre, und runzelt nun auch die Stirn.

"Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, der Unterricht beginnt in wenigen Minuten", überspielt sie ihre Unsicherheit und macht ihn gleichzeitig darauf aufmerksam, dass er bereits länger davor gestanden hat.
"Tch ... Als ob! Wir haben noch eine -" Die Schulglocke unterbricht ihn.
"Entscheide dich schnell. Sonst bekommst du noch Ärger." Damit entkommt Maki seinem durchdringenden, fesselnden Blick und verschwindet in Richtung Klassenraum. Dieser Ausdruck beschert ihr immer noch Gänsehaut, als sie sich auf ihren Platz setzt, aber die Schönheit dieses Nachthimmels mit Sternen brennt sich ihr ins Gedächtnis.
Momentan weiß sie noch nicht, dass diese sie auch nachts in ihren Träumen verfolgen wird.

*

Wochen vergehen und in beinahe jeder Pause treffen sie bei den Automaten aufeinander, wo Maki sich jedes Mal vordrängelt, weil dieser Junge - Kageyama Tobio - wie sich herausstellt, sich nie entscheiden kann. Die ersten Male hat er sich beschwert, doch dann ließ er es sein.

Ihn fasziniert die Dreistigkeit, die die Kleinere besitzt. Er fragt sich, warum sie seit dem ersten Mal nicht mehr mit ihm gesprochen hat. Sie hat sich nicht mal für das Vordrängeln entschuldigt. Kein einziges Mal.

Irgendwann erwischt er sich, wie er nach diesem schönen, schokobraunen Schopf Ausschau hält, wenn er zur Schule kommt. Sucht nach ihren onyxfarbenen Augen, aber er findet sie nicht.

Als sie dann die eine Woche auch am vierten Tag nicht auftaucht, beginnt sich ein seltsames Gefühl in seiner Brust breitzumachen, welches er so noch nie hatte. Es verfolgt ihn sogar mit zum Training und irritiert krallt er sich stirnrunzelnd in sein Shirt.
"Was ist das nur?", murmelt Kageyama. "Ich werde es einfach nicht los."
"Was hast du denn, Kageyama? Geht's dir nicht gut?" Besorgt schaut Sugawara, der Vize-Kapitän ihres Volleyballteams, ihn an. Auch die anderen halten inne.
"Du bist schon die ganze Zeit nicht ganz bei der Sache", bemerkt auch Tanaka, der ihm eine Hand auf die Schulter legt.

Kageyama hadert anfangs, aber entschließt sich dann doch, nachzufragen. Allein würde er nämlich nie herausfinden, was genau dieses Gefühl ist. "Ich habe seit vorgestern so einen Druck auf oder auch in der Brust, der mit jedem Tag stärker wird."
"Warst du damit schon beim Arzt?", fragt Daichi.
Der Setter schüttelt den Kopf.
"Aber Luft bekommst du? Das Atmen funktioniert?", mischt sich nun Ukai ein.

Haikyuu!! - OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt