9. Verzweiflung

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Ich erwachte mit einem dröhnenden Kopf. Ich öffnete vorsichtig meine Augen und das erste, was ich wahrnahm, war Blut. Ich blickte auf meinen Oberkörper und sah das Blut. Ich wusste es war nicht meines. Ich wusste er gehörte ihnen. Ich schloss wieder für einen kurzen Moment die Augen und atmete tief durch.
Ich öffnete wieder meine Augen und versuchte meine Arme zu bewegen. Sie waren festgekettet. Ich stöhnte leise aus.

„Das hatte ich wohl verdient."

„Geht es wieder?"

Ich blickte hoch. Shikamaru hockte mir gegenüber und schien unsicher, wie er mit mir umgehen sollte.
Ein zaghaftes Nicken meinerseits ließ ihn erleichtert aufatmen. Er schien erkannt zu haben, dass ich nun wieder die alte war. Er griff hinter mich und befreite mich aus meinen Ketten.

„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist, Shikamaru?"

Erst jetzt sah ich sie. Sakura war zu uns getreten. Anscheinend waren die Medizin Shinobis angekommen.

Ich seufzte. Doch sie bekam weder von Shikamaru, noch von mir eine Antwort.

„Wie geht es Kakashi? Und Sasuke?", fragte ich an Shikamaru gerichtet.

„Kakashis Arm ist gebrochen. Sakura hatte sich um ihn gekümmert. Sasuke hat keine Verletzungen davon getragen. Du hast schlimmeres verhindern können."

Dazu konnte ich nichts erwidern. War er jetzt auch noch stolz auf mich? Auf dieses Monster. Was in mir steckte, was ich nicht hatte kontrollieren können. Ich hatte es frei gelassen. Und wenn ich nicht Ohnmächtig geworden wäre, hätte ich nicht versprechen können, dass die anderen auch ohne Verletzungen davon gekommen wären.

„Wann können wir wieder zurück?"

„Wenn du dich soweit erholt hast und wieder laufen kannst."

„Mir geht es gut."

Zur Bestätigung stand ich auf und schob mein Oberteil ein wenig hoch. Ein Verband war um meinen Bauch gewickelt. Sakura hatte mich wohl auch verarztet. Doch durch mein enormes Chakra hatte ich auch schnellere Regenerationsfähigkeiten. Selbst Körperteile konnte ich nachwachsen lassen.

Ich wickelte den Verband ab und zeigte meinen Bauch. Die Verletzung war verheilt.

Sakura kam ungläubig einige Schritte näher, bestätigte mich allerdings dann mit einem Nicken.

Shikamaru seufzte.

„Na gut, ich werde den anderen Bescheid geben und dann brechen wir auf."

Wenige Minuten danach waren alle Startklar und machten sich auf den Weg. Ich lief zum Schluss hinter her. Ich konnte es immer noch nicht fassen, wie sehr ich die Kontrolle verloren hatte. Ich hatte es all die Jahre unterdrückt und nur das Nötigste meiner Kräfte benutzt. Und nun... bei meiner ersten Mission bin ich gescheitert.

Sasuke ließ sich auch ein paar Schritte zurück fallen, um neben mir her laufen zu können.

„Alles in Ordnung?"

"Ja."
Er wusste, dass ich log. Ich beäugte mich misstrauisch und schien zu überlegen, wie er darauf reagieren sollte.

„Ist bei euch alles in Ordnung?" Sakura kam zu uns. Ihr schien es nicht zu passen, dass ich mich alleine mit Sasuke unterhielt. Gerade kam sie mir ganz gelegen. So konnte ich dem ermüdenden Gespräch mit Sasuke vermeiden.

Zur Abenddämmerung suchten wir uns wieder einen Unterschlupf zum Übernachten.
Keiner riss sich darum, die Nachtwache zu übernehmen, sodass sich Sakura freiwillig dafür meldete. Sasuke würde sie danach ablösen.
Mir war dies ebenfalls nur Recht.
Doch in meinem Schlafsack konnte ich kein Auge zu machen. Zu viel schwirrte in meinem Kopf herum. Ich setzte mich auf und sah mich um. Alle schliefen und Sakura saß am Lagerfeuer. Ich erhob mich und schlenderte zu Sakura.

„Du solltest dich ausruhen, [Y/N]."

Es war kein höflicher Vorschlag, oder ein professioneller. Sie zeigte mir, dass sie mich nicht sehen wollte.
Ich setzte mich trotzdem neben sie.

„Weißt du, ob es [K/N] gut geht?"

„Ja, der Hokage persönlich schaut mindestens einmal täglich vorbei, um nach ihm zu sehen. Du scheinst bei jedem eine Sonderbehandlung zu erhalten."

Der letzte Teil des Satzes war mehr ein nuscheln, aber ich konnte es deutlich verstehen. Daher wehte also der Wind.

„Sakura... wenn es um Sasuke geht. Ich will ihn dir nicht weg nehmen, wenn ich gewuss-"

„Das hast du bereits getan,[Y/N]."
Ich stockte.

„Wovon sprichst du?"

„Sasuke ist viel öfter in Konoha, seitdem du da bist."
Irritiert erhob ich eine Augenbraue.

„Aber...das ist doch gut, oder nicht?"

„Nein,[Y/N]. Ist es nicht. Denn er ist nicht da, um sich um uns zu kümmern, sondern um dich. Selbst wenn er bei uns ist, ist er gedanklich ganz wo anders. Er vernachlässigt mich und Sarada, seit ihr da seid!
Dabei wusste ich es doch, von Anfang an."

„Was meinst du damit?"

Sie seufzte schwer und schwieg. Sie schaute ins Feuer und knetete ihre Hände. Ich dachte, ich würde schon gar keine Antwort mehr erhalten, bis sie endlich doch sprach: „Als er nach Konoha zurück gekehrt ist. Ich hatte mir das hunderte Male vorgestellt.
Nun war er endlich wieder da. Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Ich konnte es nicht glauben. Ich weinte vor Freude. Und... ich kam emotional nicht an ihn heran.
Er hatte davon gesprochen, dass er seinen Clan wieder aufbauen wollte. Gott, ich war so naiv und habe mich ihm quasi an den Hals geworfen. Ich wollte die Mutter seiner Kinder werden und wurde es dann auch. Aber er war immer kalt zu mir. Ich dachte immer, er wäre nun mal so. Ich könnte daran nichts ändern.
Bis ihr dann kamt. Ihr wart aus dem nichts plötzlich erschienen und ich entdeckte neue Seiten an Sasuke. An dem Tag, an dem er euch begegnet ist, kam er lächelnd zu mir. Er hatte mich nie angelächelt. Er sagte zu mir, dass er noch einen Sohn hatte-"

Sie stockte kurz und wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln. Ich schwieg. Was sollte ich denn dazu sagen?

„Er erzählte mir fast nie freiwillig etwas über sich und was in ihm vorging. Und dann so etwas.
Ich sah euch dann zu dritt vor diesem Restaurant. Er hatte uns nie zum Essen eingeladen. Und da wusste ich, dass ich ihn verloren hatte. Wie er da bei euch stand. Er hatte eine ganz andere Körperhaltung. Er war euch zugeneigt. Er war ein so ganz anderer Sasuke, als ich ihn kannte. Ich wusste, dass ich verloren hatte."

Sie wurde immer leiser, bis es letztlich still um uns wurde.

„Das... tut mir alles sehr leid, Sakura. Das ist nicht das, was ich gewollt hatte, glaub mir."
Sie zischte kurz auf.

„Es ist mir egal, was du gewollt hattest, oder nicht."

Ich seufzte kurz auf. Frauen waren immer so viel schwerer zu verstehen, als Männer.

„Ich weiß, dass du Sasuke glücklich machen kannst, also tu es bitte auch."

„So ist das nicht, Sakura. Ich weiß nicht, was zwischen uns ist und wie es sich weiter entwickelt. Ich weiß noch nicht einmal, ob Konoha etwas für mich ist."
Überrascht sah sie mich an.
„Was? Aber was ist mit [K/N]?"

Ich seufzte. Ich konnte ihr darauf nicht antworten. Ich hatte mir die gesamte Situation noch nicht durch dacht.

Ich erhob mich. „Ich werde mich noch mal hinlegen."

Damit verschwand ich und ließ sie sitzen. Doch an Schlaf war nun erst Recht nicht mehr zu denken. Hatte sich Sasuke wirklich so verändert, seit ich wieder da war?

Ich kannte ihn nicht anders, als so. Er war mir gegenüber nie Kalt. Er war verständnisvoll und ein guter Zuhörer.
Ich schloss die Augen und spürte Schlagartig die Müdigkeit wieder. Über menschliche Gefühle nachzudenken, war unglaublich anstrengend.

Der nächste Tag verlief ereignislos und wir liefen meist schweigend nebeneinander her. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Überraschend schnell erreichten wir Konoha. [K/N] wartete am Eingangstor. Es war beinahe so, als hätte er die letzten Tage dort gestanden und auf uns gewartet.

„MAMA!"
Er sprang mir in die Arme.

„Mama, alles ok? Du bist voller Blut."
Entsetzt starrte er auf meine Kleidung. Auch ihn konnte ich nicht anlügen.

„Ich bin nicht verletzt, keine Sorge."

„Na zum Glück!"
Er lächelte mich an. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich hatte ihn vermisst.

Er drehte sich zu Sasuke und lief zu ihm rüber.

„Ähm... Deine Kleidung ist ja noch nicht einmal dreckig, also entweder bist du unglaublich stark oder..."
Er grinste unglaublich frech.
„Oder...du warst so faul, dass du keinen Finger krumm gemacht hast."

Sasuke legte seine Hand mit Druck auf [K/N]s Kopf und drückte ihn runter. Dieser flitzte unten drunter durch und rannte ein paar Schritte vor. Lachend drehte er sich wieder zu uns rum und fand sich selber urkomisch.

Es war schön ihn so unbeschwert erleben zu können. Mir wurde klar, dass es für ihn eine gute Entscheidung war, hier in Konoha zu leben. Er konnte er selbst sein. Musste keine schweren Entscheidungen treffen. Konnte den Kämpfen komplett den Rücken kehren.

Wenn wir wieder nur zu zweit unterwegs gewesen wären, sähe seine Zukunft ganz anders aus. Geprägt von Monstern, Hass, Blut vergießen und dem Tod. Vielleicht würde er dann zu einem Monster werden, welches ich gestern gewesen war.
Das durfte ich nicht zu lassen.

„Mama?"

„Hm?"

„Hör auf zu träumen, komm wir gehen nach Hause!"

Ich nickte nur und folgte ihm. Immer noch in meinen Gedanken versunken. Sasuke und Sakura liefen wenige Schritte vor uns und schwiegen sich ebenfalls an.
[K/N] verabschiedete sich von den Zweien und wir betraten unser Haus.

Ich setzte mich aufs Sofa. Und ließ meine Gedanken um den gestrigen Abend kreisen.

„Mama? MAMA?!" Das rütteln riss mich aus meinen Gedanken.

„Hm?"

„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?"

Er sah mich besorgt an. Ich konnte ihm nicht erzählen, was gestern Abend geschehen ist. Also nickte ich nur.

Er ließ es darauf beruhen und fragte nicht weiter nach.

„Eigentlich wollte ich nur wissen, ob du auch etwas Essen wolltest? Ich habe dir extra etwas von meinem Mittagessen aufgehoben!"

Wieder dieser Erwartungsvolle Blick. Doch ich schüttelte den Kopf. Enttäuschung machte sich in ihm breit.

„Ok..."

Ich seufzte und legte eine Hand auf meine Stirn. Wie hätte ich meine Kräfte gestern unterdrücken können? Wie kann ich das nächste mal das Monster zähmen? Wird es ein nächstes Mal geben?
Ich starrte hinaus. Es sah alles so friedlich aus. Ganz anders, als wie es sich in mir anfühlte.

Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen. Es war bereits dunkel. Hatte ich so lange aus dem Fenster gestarrt? Wo war [K/N]?

Ich erhob mich langsam vom Sofa. Ich merkte, dass meine Beine eingeschlafen waren. Müde öffnete ich die Tür und Sasuke stand dort. Er sah wütend aus und ich wusste nicht warum, würde es aber sicherlich gleich erfahren.

Er quetschte sich einfach an mir vorbei und trat in unser Wohnzimmer.
Ich schloss die Haustür und folgte ihm.

„Unser Sohn kam gerade zu mir rüber gelaufen und hat mich gefragt, ob gestern etwas Schlimmes passiert sei, weil du nicht mehr die alte seist."

Ich setzte mich wieder aufs Sofa.

„Wo ist er jetzt?"

„Bei Sakura."

„Ich werde ihn holen gehen."

Ich stand auf, um rüber zu laufen, doch Sasuke packte mich am Arm und zerrte mich wieder zurück auf das Sofa.

„Du gehst nirgendwo hin. Erst wenn du mir erzählt hast, was mit dir los ist!"

„Du warst gestern dabei, Sasuke!
Du hast gesehen zu was ich geworden bin. Was ich getan habe."
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Solch Menschliche Züge hatte ich lange nicht mehr zu gelassen.

„Wie soll ich ein Kind erziehen, wenn ich das bin, was ich bin, Sasuke. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen und eine liebevolle Mutter spielen, während mir noch das Blut meiner Opfer an den Händen klebt."

Die Tränen liefen. Sasuke sagte nichts.

„Ich habe überlegt, dass er vielleicht ohne mich besser dran wäre."

Sasuke blickte auf. „Du spinnst."

„Ich bin ein Monster, Sasuke! Ich kann keine Kindererziehung übernehmen. Was hätte er denn bei mir? Tod und Mord und Verzweiflung.

Er könnte hier bei dir aufwachsen. Mit Sarada und Sakura. Er könnte ein Kind sein und sich wie eines benehmen. Er könnte Freunde finden! Er hätte eine Familie und du auch. Und Sakura hätte dich immer noch. Problem gelöst!!"

Ein lauter Knall riss mich aus meiner Ektase. Sasuke hatte gegen die Wand geschlagen. Ich starrte ihn erschrocken an.

„Du willst also verschwinden, [Y/N]?"
Er kam einige Schritte auf mich zu.

Ich stand vom Sofa auf und machte einige Schritte zurück.
„ Und was dann? Wirst du ein Massaker beginnen und dich alleine in die Organisation stürzen? Wird dir dein eigenes Leben wieder egal werden? Das werde ich nicht zu lassen."

Ich spürte die Wand an meinem Rücken.

„Ich lass dich nicht gehen."

Er fasste mich an meinen Handgelenken, zog mich ein Stück an sich heran und dann passierte es. Seine Lippen drückten sich fest auf meine. Es war nichts Sanftes oder liebevolles in diesem Kuss. Er war fordernd. Und hart. Doch ich liebte es.

„Du bist kein Monster."
Er sah mich an. Ich sah ihn an. Ich erkannte die Worte von damals. Ich drückte mich wieder an ihn und küsste ihn. Ich wusste, er war der einzige der mich retten konnte.

~Sasuke x Reader~ Dawning // ABGESCHLOSSEN//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt