01

8 2 8
                                    

Unverrichteter Dinge klappe ich meinen Mund kurz darauf wieder zu, ohne Roy eine Antwort auf seine Frage gegeben zu haben.

Ich kann nur entgeistert auf den glitzernden Rubin in Form einer winzigen, filigranen Rose starren und habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich auf seinen Antrag reagieren soll. Jede andere Frau würde mich bestimmt gerade für vollkommen verrückt erklären. Wahrscheinlich haben sie auch recht damit. Schließlich liebe ich Roy und er liebt mich. Mein Glück könnte nicht größer sein. Zudem möchte er mich auch noch zur Frau nehmen. Es müsste der schönste Moment in meinem Leben sein, wenn es nicht dieses eine Problem gäbe. Ich bin die Kronprinzessin des Diamantkönigreiches und habe somit eine gewisse Verantwortung inne. Aber damit nicht genug. Das Schicksal hat mir noch obendrauf eine große Last auferlegt. Es hat mich auserkoren als diejenige, die den Fluch brechen kann, um den Reichen ihre Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit zurückzugeben. Damit die Königspaare wieder die alleinigen Herren darüber sind, wie viele Nachkommen sie das Licht der Welt erblicken lassen wollen.

Nun muss ich eine Wahl treffen. Es ist eine Entscheidung zwischen meiner Liebe zu Roy und meiner Verpflichtung als Prinzessin. Beide Optionen erscheinen mir wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Für mich persönlich ist ganz klar keine der beiden Möglichkeiten eine gute Wahl, denn ich muss in beiden Fällen etwas opfern.

Entweder muss ich das Wohl aller Königreiche über meine Liebe stellen und verletze damit höchstwahrscheinlich den Menschen, der mir in der letzten Zeit so sehr ans Herz gewachsen ist.

Mit der anderen Möglichkeit entlarve ich mich als egoistische Person, die ihre Liebe zu Roy über alles andere stellt.

Doch eine Prinzessin darf nicht egoistisch sein. Bei ihr muss das Wohl des Volkes immer an erster Stelle stehen oder in dieser Situation eben die Zukunft der Reiche. So viel habe ich in meiner kurzen Zeit in dieser Welt schon gelernt.

Ich könnte ich es mir nicht vergeben, wenn ich daran schuld wäre, dass der Fluch auch weiterhin besteht, obwohl ich ihn zu brechen vermag. Allerdings kann ich es mir ebenso wenig verzeihen, dass ich Roys Herz breche und meines gleich mit. Es ist einfach nicht fair, dass ich diese Entscheidung treffen muss.

Leider ist es im Leben oftmals so, dass es Dinge gibt, auf welche wir keinen Einfluss haben und auch niemals haben werden. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz und es besteht so felsenfest, als wäre es in Stein gemeißelt.

"Zemira? Ist alles in Ordnung bei dir?", erkundigt sich mein geliebter Roy in diesem Moment, mit einem Hauch Verunsicherung in der Stimme und holt mich somit aus meinen Überlegungen.

Nichts ist in Ordnung.

Vor lauter Grübelei habe ich ganz vergessen, dass er immer noch vor mir kniet und mir den Verlobungsring unter die Nase hält. Während eine unbeantwortete Frage zwischen uns in der Luft schwebt. Eine Frage, auf dessen Antwort er nach wie vor wartet.

Am liebsten hätte ich frustriert aufgestöhnt und mir ordentlich die Haare gerauft. Das hätte zwar auch nicht mein Problem gelöst. Doch vielleicht hätte ich mich danach wenigstens ein bisschen besser gefühlt. Aber es hilft alles nichts und ich kann den armen Roy nicht noch länger auf die Folter spannen.

Daher öffne ich erneut meinem Mund, um ihm meine Antwort auf seine Frage zu geben. Dabei sage ich mir in Gedanken immer wieder vor, dass ich eine Prinzessin bin und deswegen verantwortungsvoll sein muss. Ich klammere mich regelrecht an dieses Mantra, da ich befürchte, dass mich ansonsten der Mut verlässt und ich es nicht übers Herz bringe, die notwendigen Worte auszusprechen. Welche sehr wahrscheinlich das zarte Pflänzchen, unserer gerade aufblühenden Beziehung sofort im Keim ersticken werden. Das weiß ich mit unumstößlicher Sicherheit. Doch mir fällt keine andere Lösung ein, in der beides möglich ist. Meine Liebe zu Roy zu leben und trotzdem den Fluch zu brechen.

Im Bann des RubinkönigreichesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt