08

2 2 2
                                    

Die Kutsche fährt über einen holprigen Waldweg, während ich mich immer weiter vom Smaragdschloss entferne. Mittlerweile herrscht draußen tiefschwarze Nacht. Sie passt perfekt zu meiner momentanen Stimmung.

Ich bin immer noch schockiert über die kürzlichen Ereignisse und kann es kaum fassen, dass mein Leben erneut vollkommen auf den Kopf gestellt wurde. Die Gedanken kreisen in meinem Kopf und ich versuche sie zu ordnen und dem Gefühlschaos in meinem Inneren, Herr zu werden.

Mein Herz pocht laut in meinen Ohren und ist neben dem Geräusch der Räder auf unebenem Gelände und das Hufgetrappel des Pferdes, das einzige Geräusch. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob mein Herzklopfen von der Aufregung herrührt, da ich mich erneut auf unbekanntem Terrain bewege und nicht sicher kein, wie es für mich ausgehen wird. Oder ob mein wilder Herzschlag einen anderen Grund hat.

Das Stoffbündel ruht nach wie vor ungeöffnet in meinem Schoß. Ich habe es noch nicht gewagt, einen Blick hineinzuwerfen. Es wäre so endgültig, die Dienstkleidung zu betrachten. Von der Prinzessin zu einer Magd. Einen extremeren Rollenwechsel hätte ich wieder einmal nicht vollziehen können. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht und ich möchte diese Tatsache noch nicht vollends akzeptieren. Stattdessen gönne ich mir lieber noch diese kleine Auszeit, bis ich beim Gasthof ankomme. Die Realität wird mich noch früh genug einholen. Ich brauche diese Pause, um durchatmen zu können und die letzten Ereignisse zu verdauen.

Ich bin es zwar gewohnt, dass mein Leben durch Prinz Ash bedroht wird. Aber ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich einmal deswegen fliehen muss. Zum Glück hat mir Vincent doch noch geholfen. Ich will gar nicht wissen, wie es ausgegangen wäre, wenn er nicht gewesen wäre. Es stellt sich mir die Frage, ob die Beiden eine Vorgeschichte miteinander haben, da ich an Vincents Worte zurückdenken muss. Ich weiß, ich hätte früher etwas unternehmen sollen. Aber ich hätte auch nicht gedacht, dass Ash es wirklich so ernst meint. Demzufolge muss er Ash wirklich gut kennen.

Unwillkürlich wandern meine Gedanken weiter. Hin zu Roy. Ich würde gerne wissen, inwieweit Roy ebenfalls in diese Vorgeschichte verwickelt ist. Vermutlich wäre ich es nie erfahren.

Wenn ich Roy keine Abfuhr erteilt hätte, wäre er es mit Sicherheit gewesen, der mich am heutigen Abend vor Prinz Ash gerettet hätte. Dieser Gedanke stimmt mich zutiefst traurig und die Wunde in meinem Herzen beginnt aufs Neue zu bluten.

Es fühlt sich so an, als würde mich jeder Schritt weiter von ihm entfernen. Dabei wünsche ich mir so sehr, dass ich alles rückgängig machen könnte, um Roy erst gar nicht zu verlieren. Bisher habe ich ganz gut mit der Trennung leben können, weil Vincent mich erfolgreich von meinem Schmerz ablenken konnte. Er ist ein guter Freund für mich geworden. Unglaublich, dass ich das sage. Vor nicht allzu langer Zeit, hätte ich es nicht geglaubt, dass Vincent und ich einmal Freunde sein würden. Doch ich freue mich wirklich sehr darüber, dass ich nicht nur Menschen verliere, sondern auch welche hinzugewinne. Er ist für mich da gewesen, als ich eine Schulter zum Anlehnen gebraucht hatte. Aber nun bin ich von ihm getrennt worden. Darum steht erneut nichts mehr zwischen mir und meinem Schmerz und ich kann ihn wieder deutlich spüren.

Ich vermisse Roy so sehr.

Traurig lasse ich den Kopf hängen und schließe die Augen. Ich fühle mich abermals allein, ohne einen Freund oder wenigstens einen Verbündeten an meiner Seite. Vincent hat mir zwar eröffnet, dass ich dem Wirt in Greenville vertrauen kann. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dem wirklich so ist. Ich kenne ihn nicht und weiß auch nicht, wie gut Vincent ihn kennt. Mit blindem Vertrauen habe ich in dieser Welt keine guten Erfahrungen gemacht. Darum bin ich lieber vorsichtig, bis ich mir sicher sein kann.

Gerade als sich mir die Frage stellt, wie weit es bis zum Gasthof wohl noch ist, kommt die Kutsche zu stehen. Ich warte nicht ab, bis mir die Tür geöffnet wird, sondern stoße sie selbst auf und steige aus. Im Matsch stehend, sehe ich mich, während mir ein frischer Wind um die Nase weht. Fröstelnd reibe ich mir die Arme. Für die mittlerweile kühleren Temperaturen ist mein luftiges Frühlingskleid eindeutig die falsche Wahl. Darum sehe ich mich nach dem Kutscher um. Dieser steht abwartend ein Stück entfernt. Wortlos gehe ich zu ihm hinüber und wir legen den kurzen Weg bis zum Gasthof schweigend zurück.

Im Bann des RubinkönigreichesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt