Wir verfallen erneut in Schweigen, wobei jeder von uns vermutlich seinen eigenen Gedanken nachhängt. Ich denke derweil darüber nach, wie ich mir den Stress meiner Verpflichtungen als Prinzessin möglichst lange vom Hals halten kann. Und ob ich mir jemals vorstellen könnte, jemand anderen als Roy an meiner Seite zu haben. Die Antwort darauf ist nicht schwer. Niemals.
Doch so lange ich auch grübele, wie ich am besten vorgehen soll, um insbesondere dem Smaragdkönig kein Futter für Spekulationen bezüglich einer Trennung von Roy zu liefern. Es will mir nichts Gutes einfallen. Schließlich gebe ich es auf. An Vincent gerichtet, der ebenfalls noch wach ist, sage ich: "Ich denke, wir sollten schlafen." Er sieht mich einen Moment lang und nickt nur. Bevor er sich erneut hinlegt und sich auf die Seite dreht, mit dem Rücken zu mir.
Ich lege mich derweil auf den Rücken und blicke abermals in die funkelnden Lichter über mir, da ich trotz meiner überdeutlich präsenten Müdigkeit viel zu aufgewühlt bin, um schlafen zu können. So vieles ist ungewiss und das macht mir Angst.
Eine ganze Weile liege ich so dar und beobachte die Sterne, bis ich die tiefen und ruhigen Atemzüge von Vincent neben mir wahrnehme. Deswegen drehe ich meinen Kopf und schaue kurz zu ihm, ehe ich mir erneut die Sterne ansehe. Solange, bis auch ich schließlich in den Schlaf hinübergleite.
Von den Sonnenstrahlen am nächsten Morgen, die meine Nasenspitze kitzeln, werde ich schließlich geweckt. Viel zu früh für meinen Geschmack, denn ich bin ziemlich erschöpft und fühle mich wie durch den Wolf gedreht. Außerdem schmerzt mein Rücken wegen des harten Waldbodens unter meiner provisorischen Schlafstätte. Weshalb ich schmerzerfüllt aufstöhne und mich ausgiebig strecke. Dadurch versuche ich ein wenig von der Steifheit und dem Schmerz aus meinen Gliedern zu vertreiben. Viel hilft es leider nicht.
Ich seufze und sehe mich nach Vincent um. Allerdings ist der Schlafplatz neben meinem, leer. Verwirrt ziehen sich meine Augenbrauen zusammen. Er wird doch wohl nicht ohne mich gegangen sein.
Hastig stehe ich auf und schaue nach, ob die Kutsche nach wie vor an ihrem Platz steht. Erleichtert atme ich auf, als ich sie kurz darauf mitten auf dem Waldweg stehen sehe. Der Baum liegt ebenfalls noch am selben Ort, wie am Abend zuvor. Doch mittlerweile hat sich eine kleine Menschentraube um ihn herum versammelt. Neugierig trete ich näher. Dabei entdecke ich auch Vincent.
Verwundert betrachte ich das Spektakel, denn der Prinz packt beim Wegräumen des Baumes tatkräftig mit an. Eine solche Hilfsbereitschaft hätte ich ihm gar nicht zugetraut.
Mit schief gelegtem Kopf beobachte ich Vincent weiterhin, während er sich mit den anderen Männern abmüht, den Baum zur Seite zu hieven. Dazu müssen sie jedoch einige Äste absägen, um genug Grifffläche am Baumstamm zu finden. Schließlich gelingt es den Männern, das Hindernis aus dem Weg zu räumen, sodass wir weiterfahren können. Endlich. Erleichterung macht sich in mir breit, denn ich hätte keine Lust darauf gehabt, eine weitere Nacht auf dem ungemütlichen Waldboden zu verbringen. Vincent sagt noch etwas zu den Männern und kommt anschließend auf mich zu. Als er vor mir steht, kann ich die kleinen Schweißperlen sehen, die im Sonnenlicht auf seiner Stirn glitzern. Die Anstrengung ist ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder. Es sah alles andere als leicht aus.
"Ich denke, wir können weiterfahren", meint der Prinz zu mir.
Ich nicke und frage: "Soll ich noch beim Einpacken der Sachen helfen?" Aber Vincent schüttelt nur mit dem Kopf und lächelt mich an.
"Nein, das musst du nicht. Du kannst dich ruhig schon einmal in die Kutsche setzen." Ich nicke abermals.
"In Ordnung." Mit diesen Worten wende ich mich ab, marschiere zur Kutsche und steige ein. Bevor ich es mir so bequem wie möglich mache. Das ist angesichts meiner schmerzenden Knochen gar nicht so leicht. Trotzdem finde ich schließlich eine halbwegs bequeme Position.
Wenig später steigt auch der Prinz zu mir in die Kutsche und setzt sich mir wortlos gegenüber. Dann fährt die Kutsche an und wir setzen unseren Weg fort. Die gesamte Fahrt bis zum Smaragdschloss verbringen wir in einträchtigem Schweigen. Es ist mir recht, weil ich auf diese Weise meinen eigenen Gedanken nachhängen kann.
Vor allem frage ich mich, was mich wohl im Smaragdreich erwarten wird. Mein letzter Besuch war schließlich wenig erfreulich verlaufen und ich habe meinen Aufenthalt dort in keiner guten Erinnerung behalten. Doch vielleicht wird es diesmal anders.
Aber das ist nicht der einzige Gedanke, der mich im Moment beschäftigt. Nach wie vor beschäftigt mich die Trennung von Roy. In jeder Minute, in welcher ich mit meinen Gedanken allein bin. Ich habe Angst vor einer Zukunft ohne Roy. Er war mein Fels in der Brandung und mit ihm schien alles möglich zu sein. Ohne ist alles so ungewiss. Ich fühle mich kalt und leer, ohne ihn.
Als wäre das noch nicht genug, geißeln mich meine Gedanken mit einer Endlosschleife meiner Abfuhr bei Roys Antrag. Ich habe die Situation so deutlich vor Augen, als wäre es eben erst geschehen. Und die kleine, gemeine Stimme in meinem Kopf quält mich obendrein mit Selbstvorwürfen.
Plötzlich werde ich sanft angestupst. Ich zucke zusammen und wende verwirrt dem Prinzen meine Aufmerksamkeit zu. "Wir sind da." Ich hebe den Vorhang am Fenster der Kutsche beiseite und blicke hinaus. Er hat recht. Wir haben unser Ziel erreicht.
"Soll ich zuerst aussteigen?" Ich nicke und überlasse ihm somit den Vortritt. Nachdem er ausgestiegen ist, reicht er mir seine Hand und hilft mir aus der Kutsche.
Im Innenhof umfängt mich der vertraute Anblick des Smaragdschlosses. Es ist ein seltsam wieder hier zu sein und ich bin mir nicht vollkommen sicher, wie ich mich dabei fühlen soll. Es ist einfach zu merkwürdig in Anbetracht der vergangenen Ereignisse.
"Sollen wir?", fragt mich der Prinz nun und bietet mir seinen Arm an. Ich nicke erneut und ergreife wortlos seinen Arm, ehe ich mich von ihm in das Schloss führen lasse. Wobei wir direkt auf den Thronsaal zusteuern. Die Wachen, die vor der Tür zum Saal platziert sind, setzen sich bei unserem Anblick in Bewegung und öffnen die Türen für uns. Um uns Einlass zu gewähren.
Mit einem beklommenen Gefühl in der Magengegend betrete ich an Vincents Seite den Thronsaal und schreite mit ihm gemeinsam durch den Gang, hin zu dem König und der Königin. Vor den Beiden angekommen, kommen wir zum Stehen und der Prinz verbeugt sich respektvoll vor seinen Eltern. Kurz überlege ich, ob ich vor ihnen knicksen soll, entscheide mich jedoch dagegen. Ich werde nie wieder vor jemandem mein Knie beugen, der meinen Respekt nicht verdient hat. Mir ist es egal, ob ich damit die höfische Etikette verletzte.
Nach seiner Verbeugung richtet Vincent das Wort an den König: "Vater", sagt er und nickt ihm dabei kurz und knapp zu. Dieser erwidert sein Nicken, bevor seine gesamte Aufmerksamkeit mir gilt.
"So schnell sieht man sich wieder", meint er an mich gerichtet. Bei seinem Tonfall fällt mir auch sofort wieder ein, warum ich ihn nicht leiden kann. Anstatt auf seine Provokation einzugehen, verhalte ich mich lieber klug und schweige stattdessen. Woraufhin die Augenbraue des Königs in die Höhe wandert. Vermutlich deutet er mein Schweigen als Trotz. Damit hat er nicht ganz Unrecht. Ich bin in der Tat nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen, nachdem er nur seinen Nutzen aus mir ziehen wollte und ihm meine Gefühle dabei völlig gleichgültig gewesen sind.
"Endlich sind alle vollzählig", zerschneidet unerwartet eine bekannte Männerstimme die momentane Stille. Suchend drehe ich mich um und halte Ausschau nach der Person, in der Menge aus Adeligen, Wachen und Bediensteten. Lange brauche ich nicht, bevor ein Mann in Schwarz und Blau gekleidet zwischen den Menschen hervortritt. "Ich würde sagen, die Feier kann nun endlich starten", meint der Mann mit einem mir nur allzu bekannten Grinsen im Gesicht.
"Was machst du denn hier?", fauche ich in seine Richtung und starre Prinz Ash völlig entgeistert an.
"Es freut mich auch, dich wiederzusehen, Prinzessin", entgegnet dieser gelassen und ohne mit seinem blöden Grinsen aufzuhören.
DU LIEST GERADE
Im Bann des Rubinkönigreiches
Viễn tưởngJewel Kingdoms- Vier Königreiche und ein Fluch. Band 2 Zemira weiß bereits, dass sie die Prinzessin des Diamantkönigreiches ist. Diese Rolle hat sie mittlerweile akzeptiert und für sich angenommen. Dadurch wird ihr Leben jedoch keineswegs leichter...