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Am Abend falle ich todmüde ins Bett und schlafe sofort ein, sobald mein Kopf auf dem Kissen zum Liegen kommt. Meine Hände sind wund und haben teilweise Blasen von der harten Arbeit.

Nach dem Rundgang, habe ich Ingrid geholfen alle Tische im Schankraum zu wischen und das Gemüse für die Speisen zu putzen und kleinzuschneiden, welche die Gäste am Abend in dem Gasthof bestellen können. Auch habe ich dabei geholfen, ein Huhn zu rupfen. Im Anschluss habe ich noch weiter mitangepackt und zusammen mit Ingrid den Schankraum gefegt und anschließend geputzt. Mit Bürsten und einem Holzeimer voll Wasser haben wir den Boden geschrubbt. Später kam noch die Tochter von Ingrid, Liselotte. Gemeinsam bereiten die Beiden jeden Abend die Speisen für die Gäste zu.

Ich habe derweil Theodor in der Schänke unter die Arme gegriffen und habe vor allem jede Menge Bier an die Gäste verteilt. Nachdem alle Gäste gegangen waren, habe ich noch mit Ingrid zusammen das restliche Geschirr gespült, während ich vor Erschöpfung beinahe im Stehen eingeschlafen wäre. Jeder einzelne Knochen hat geschmerzt und ich habe mich nur noch die Treppe nach oben geschleppt, nachdem alle Arbeit erledigt gewesen ist.

So gehen die Tage ins Land. Jeden Morgen sammele ich die Eier ein und schaffe es sogar mit der Zeit, die Kühe zu melken. Bei meinem ersten Versuch hat mir Ingrid noch prüfend über die Schulter geblickt, während ich auf einem Holzschemel neben der Kuh gesessen habe und ihr trotz aller Anstrengung keine Milch entlocken konnte. Urplötzlich habe ich es schließlich doch geschafft, einen Strahl Milch aus dem Euter hervorzuzaubern. Dieser ist jedoch leider nicht im Eimer unter der Kuh gelandet, sondern hat Ingrid völlig unvorbereitet getroffen. Überrascht hat sie mich angesehen, während ich ihren Blick mit erschrockener Miene erwidert habe. Eine Sekunde später sind wir beide in schallendes Gelächter ausgebrochen und Ingrid hat sich lachend die Milch vom Gesicht gewischt. Seitdem sind meine Melkkünste jeden Tag gewachsen. Mittlerweile kann ich es ganz gut.

Auch an die harte, körperliche Arbeit habe ich mich mit der Zeit ebenso gewöhnt wie an die langen Abende in der Schänke. Auf meinen Händen hat sich auch etwas Hornhaut gebildet. Ganz wie Ingrid es vorausgesagt hat. Und ich bin sehr froh darüber, denn es ist mir alle mal lieber, als jeden Tag Blasen und wundgescheuerte Hände zu haben.

Besagten Benjamin habe ich auch schon kennengelernt. Er ist definitiv ein Frauenheld und er lässt keine Gelegenheit aus, um zu flirten. Als er jedoch gemerkt hat, dass es bei mir nichts bewirkt, hat er es schließlich aufgegeben und wir pflegen mittlerweile ein gutes, freundschaftliches Verhältnis. Theodor, Ingrid, der schweigsame Oli und die junge Liselotte sind mir mittlerweile genauso ans Herz gewachsen. Sie sind einfach gestrickt und ich habe von ihnen nichts zu befürchten. Das schätze ich besonders.

Inzwischen habe ich meinen Rhythmus gefunden. Wie viel Zeit seither verstrichen ist, ist schwer zu sagen, ohne einen Kalender oder etwas Ähnliches zum Vergleich zu haben.

Hier spielt die Zeit keine große Rolle. Die Menschen leben von Tag zu Tag. Es ist ein einfaches und durchaus hartes und beschwerliches Leben. Die Menschen arbeiten viel, um ihren Beitrag an den König zahlen zu können. Auf Missernten oder dergleichen wird keine Rücksicht genommen. Genauso wenig wie auf Krankheiten. Es ist das stetige Wandeln an der Grenze zur Armut, denn auch sie habe ich mittlerweile kennengelernt. Nicht bei dem Gasthof, aber in der Nachbarschaft. Die einfachen Leute kennen sich gerade in kleinen Regionen oft sehr gut untereinander. Wie das Leben eben so spielt, sind Glück und Pech oft nah beieinander.

Trotzdem habe ich dieses Leben auf eine gewisse Weise zu schätzen gelernt. Es wird nicht mehr von mir verlangt, als ich mit meiner Hände Arbeit leisten kann und ich muss hier nicht das Schicksal von vier Reichen auf meiner Schulter tragen. Meine tägliche, harte Arbeit hat etwas Beruhigendes. Ich muss nicht ständig mit einer Gefahr für mein Leben rechnen und am Abend falle ich eigentlich immer erschöpft ins Bett. Daneben bleibt mir nicht viel Zeit zum Nachdenken. Die Arbeit nimmt mich völlig ein.

Im Bann des RubinkönigreichesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt