Fire Island II

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„Okay, das macht echt keinen Spaß mehr", meckert Todd lachend, nachdem er und Carlo zum dritten Mal gegen ihren Freund Chad und mich verloren haben. Chad und ich klatschen uns mit einem High Five ab und Carlo und Todd kommen unter dem Netz hindurch zu uns.

„Du hättest uns sagen können, dass du in der Beachvolleyballnationalmannschaft spielst, Raphael", kichert Carlo und klopft mir anerkennend auf die Schulter.
„Wenn es denn mal so wäre", lache ich. „Ich habe einfach hundertprozentiges räumliches Sehen, das macht schon vieles leichter."
Carlo wirft Todd grinsend einen Seitenblick zu und dieser fängt sofort an zu diskutieren: „Jetzt fang bloß nicht von meinem Fahrstil an, Carlo!"

Carlo kichert los und beginnt natürlich genau damit: „Todd ist der unkoordinierteste Mensch, den ich kenne. Der verfährt sich sogar in seiner eigenen Heimatstadt. Und die hat gefühlt nur vier Straßen."
Todd schlägt ihm grimmig gegen den Arm.
„Dafür wurde das Navigationssystem erfunden, du Pfeife. Kein Mensch braucht räumliche Vorstellungskraft."
„Oh", widerspreche ich. „Für Autos mag das zutreffen."

Dankend nehme ich eine angebotene Flasche Wasser von Chad entgegen, die er aus einer mitgebrachten Kühlbox hervorzaubert.
„Für Autos nicht?", fragt er neugierig. „Was bist du? Astronaut?"
„Nicht ganz so hoch", lächele ich. „Pilot."

Normalerweise erzähle ich nicht gern von meinem Beruf, aus bereits bekannten Gründen, aber das hier ist Urlaub, die Jungs und ich hatten den ganzen Nachmittag Spaß und ich bin ihnen wirklich dankbar, dass sie mich tatsächlich dazu gebracht haben etwas zu entspannen.

„Wow", kommt es von Carlo. „Kannst du uns da auch–"
„Kann er nicht, Carlo", fällt Todd ihm ins Wort und Carlo schaut verwundert. „Meine Cousine Kelly ist Flugbegleiterin. Sie erzählt immer, wie nervig es ist, wenn sie ständig nach Freiflügen gefragt wird."
Ich nicke und trinke etwas von meinem Wasser.
„Das ist so vollkommen richtig", pflichte ich ihm bei.
„Sorry", brummt Carlo. „Aber du hast bestimmt einiges zu erzählen, was man da so erlebt, oder?"

Ich zucke mit den Schultern.
„Klar, es wird auf jeden Fall nie langweilig. Aber was macht ihr denn so? Es gibt doch sicherlich in jedem Berufsfeld spannende Dinge, die man erzählen kann."

Von hinten werde ich plötzlich von dünnen Ärmchen umschlungen und eine erschöpfte Liv legt ihr Kinn auf meine Schulter.
„Na?", fragt sie. „Hat hier etwa jemand Spaß, der gar keinen wollte?"
„Leute", spreche ich die anderen an. „Das ist meine liebe Freundin Liv, die in vier Tagen heiraten wird. Liv, das sind Carlo, Todd und Chad."
„Hi Jungs", begrüßt Liv die Jungs, die allesamt in ihren Badehosen aussehen wie die Chippendales. „Du gönnst dir aber reichlich, Raph", kichert sie und ich schubse sie liebevoll.

„Oh nein", lacht Todd. „Raphael ist zwar eine Zuckerschnute, aber hier gibt's nichts für ihn zu holen. Wir sind alle glücklich vergeben."
Liv schmollt leicht und wendet sich dann wieder mir zu: „Kommst du gleich mit zum Essen oder willst du lieber noch ein bisschen spielen?"
„Ich komme mit", erkläre ich und hebe meine Hand, um den Jungs zum Abschied zu winken. „Die wollen nicht nochmal verlieren."

„Hey, wenn ihr Lust habt, könnt ihr heute Abend zu uns kommen. Chad und seinem Freund gehört das große Haus mit der Glasfront da drüben und wir machen heute Abend eine kleine Party", schlägt Carlo vor. „Du kannst auch gern deine bessere Hälfte mitbringen, Liv."
„Ich frag sie", erwidert Liv zögerlich. „Wendy kotzt heute vermutlich Blumen, so viele wie wir uns ansehen mussten. Vielleicht tut ihr etwas Ablenkung ganz gut."

„Leute, ihr müsst das echt nicht–", fange ich an, doch Chad hebt sofort die Hand.
„Wollen wir aber und darum kommt ihr einfach vorbei. Bringt gerne noch ein paar Drinks mit und die ein oder andere Reisestory, das wird bestimmt witzig."

Ich lächele schief und merke dann, wie Liv von hinten gegen meinen Kopf drückt und ihn so zum Nicken zwingt.
„Raphael kommt gern", sagt sie in gespielt tiefer Stimme, die wohl meine imitieren soll, und die Jungs lachen.
„Bis später", rufen sie uns nach, als Liv und ich durch den Sand zurück zu meiner Liege stapfen, um meine Sachen zu holen.

„Ich weiß nicht, ob ich solche Lust auf eine Party habe, Liv", nörgele ich und sie sieht mich ernst an.
„Aber ich", entgegnet sie. „Und du gehst. Wann willst du mal jemanden kennenlernen, Raphael? Im Cockpit? Wohl kaum."
„Liv", seufze ich. „Ich denke, ich will niemanden–"
„Raph, du bist einsam", sagt sie liebevoll und legt ihre Hand an meine Wange. „Und du solltest unter Leute gehen. Nur für ein paar Tage mal so tun, als wäre alles möglich. Du kannst nicht davon ausgehen, dass dir der Richtige irgendwo in... keine Ahnung... Afrika über den Weg läuft."

Ich weiche ihrem Blick aus und sofort weiten sich ihre Augen.
„Du hast jemanden getroffen", konstatiert sie.
„Nein", lüge ich.
„Du lügst."
„Tu ich nicht."
„Tust du sehr wohl."
„Wieso denkst du das?"
„Weil du diesen Mama-hat-meine-Hand-in-der-Keksdose-gesehen-Blick hast."
„Kein Keks, versprochen", lache ich.
„Aber was zum Naschen?"
„Nicht der Rede wert", lenke ich ab und hake mich bei ihr unter, um sie die Düne hinaufzuziehen.

„Für mich sind auch die nicht der Rede werten Dinge interessant, du erzählst mir alles beim Essen!"

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