Urlaub. Seit drei Jahren habe ich wirklich einmal wieder Urlaub. Okay, es ist nur eine Woche und eigentlich auch nur, weil ich zur Hochzeit meiner Freundin Olivia eingeladen bin und sie statt einem Geschenk von mir einfach nur wollte, dass ich schon zum Wochenende vor der Hochzeit nach Fire Island komme und wir uns jeden Abend sehen können. Vielleicht war ich maßgeblich daran beteiligt, dass Liv und Wendy sich kennenlernten und vielleicht möchte sie sich auf diese Weise bei mir bedanken.
„Ist es okay, wenn ich dich für ein paar Stunden allein lasse?", fragt meine liebe Freundin.
Ich blinzele über den Rand meiner Sonnenbrille und winke gönnerhaft.
„Schätzchen, ich liege hier bequem unter meinem Sonnenschirm, habe ein kühles Getränk und hervorragende Aussicht. Ich denke, ich komme klar. Bitte sei mir nicht böse, dass ich dich keineswegs darum beneide, dass du jetzt Blumengestecke auswählen musst", lache ich.„Du kannst dich auch sicherlich am Buffet bedienen, Raph", kichert sie und haucht mir einen Kuss auf die Wange.
Ich winke augenrollend ab und schiebe meine Sonnenbrille wieder zurecht.
„Kein Bedarf", brumme ich und werfe ihr einen Luftkuss zu. „Und nimm bitte keine Nelken, die hasse ich."
„Gut, dass du das entscheidest, mein Süßer", kichert Liv und wackelt davon.Ich seufze leise und trinke einen Schluck von meinem Gin Tonic, während ich die anderen Menschen am Strand beobachte. Der Großteil von ihnen sind junge Männer, die oftmals händchenhaltend am Ufer entlangspazieren, im Wasser spielen und surfen oder in knappen Badeshorts Beachvolleyball spielen.
Ja, über die Aussicht kann ich mich wirklich nicht beklagen, doch es bleibt bei dem, was ich zu Liv sagte: kein Bedarf.Seit Namibia bin ich dazu übergegangen, mir andere Menschen nur noch anzusehen, nicht mehr und nicht weniger. Natürlich würde ich es nie zugeben, aber der abrupte Abschied von Milan und die Tatsache, dass es ihm nichts auszumachen schien, hat meinem Ego einen ziemlichen Knacks verpasst.
Ich leere mein Glas und lehne mich entspannt zurück. Dass es erst früher Nachmittag ist, ist auf Fire Island kein Problem. Irgendwo ist immer Happy Hour. Liv wird wohl für den Rest des Nachmittags mit ihren Blumen beschäftigt sein und ich kann schön in der Sonne braten und einfach mal–
Eine feuchte Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und ich zucke entsetzt zusammen.
„Hi", sagt ein großer, braungebrannter Mann in sonnengelber, knapper Badehose, der vorher definitiv nicht auf meiner Liege saß und ganz bestimmt auch seine Hand nicht dort hatte, wo sie jetzt liegt. „Ich bin Carlo."
Ich stoße seine Hand unsanft von meinem Bein und erwidere: „Und ich nicht interessiert."Carlo lacht und zeigt mir strahlend weiße Zähne. Er ist hübsch und vermutlich wäre er sogar mein Typ, wenn ich noch Interesse an Menschen hätte.
„Tut mir leid", kichert er und hebt entschuldigend die Hände. „Ich wusste, dass du so reagieren würdest."
„Komisch, dass du es dann trotzdem versuchst", antworte ich gelangweilt und lehne mich wieder zurück, in der Hoffnung, dass er meine ablehnende Haltung versteht und sich verkrümelt.„Mein Freund Todd und ich haben gewettet", erklärt er und zeigt auf einen blonden Typen, der auf einer Liege ein paar Meter entfernt von uns sitzt und zu uns herübersieht. „Er findet dich süß, aber ich habe ihm gesagt, dass du bestimmt einfach nur deine Ruhe willst."
„Herzlichen Glückwunsch", brumme ich. „Du hast gewonnen, er hat verloren. Bye!"
„Wow, du hast echt gar keinen Bock auf Leute, oder?", lacht Carlo und mir tut meine abweisende Art plötzlich leid. Er scheint ein netter Kerl zu sein und wollte vielleicht einfach nur jemandem, der allein hier ist, helfen Anschluss zu finden. Carlo kann ja nicht wissen, dass ich keinerlei Interesse an Anschluss habe.„Sorry", entgegne ich etwas freundlicher. „Ihr seid bestimmt furchtbar nett, aber ich habe wirklich kein Interesse an irgendwelchen Dreier–"
„Woah!", unterbricht Carlo mich mit erhobenen Händen. „Lass mal gut sein, Kumpel. Wir auch nicht. Todd und ich sind exklusiv. Wir finden nur, dass Fire Island ein Ort für Spaß und Freunde ist und ganz ehrlich wirkst du so, als hättest du von beidem nicht so viel."Ich atme tief durch und lache unbeholfen.
„Tut mir leid, Carlo. Das ist mein erster Urlaub seit Jahren und das auch nur, weil meine Freundin mich mehr oder weniger dazu gezwungen hat. Ich bin wohl noch nicht wirklich entspannt."„Freundin? Das hätte ich jetzt irgendwie nicht gedacht, wobei man dir die fehlende Entspannung deutlich anmerkt", antwortet Carlo amüsiert.
„Nein, nur gute Freundin", winke ich ab. „Sie heiratet am Samstag und ich soll die Woche einfach als seelische Unterstützung hier sein, denke ich."
„Okay, aber meinst du, du bist so unentspannt eine Unterstützung?", will Carlo wissen und ich runzele die Stirn.
„Sie hat nichts gesagt", überlege ich.
„Das tun sie nie", winkt der Mann in der knallgelben Badehose ab. „Komm, wir spielen eine Runde Beachvolleyball. Ganz ohne Anbaggern oder so, okay?"Ich ringe mir ein Lächeln ab und nicke zaghaft.
„Okay. Ich bin Raphael", stelle ich mich vor.
„Freut mich, Raphael", lacht Carlo und steht von meiner Liege auf. „Meinst du, du kannst mir trotzdem an den Arsch packen, wenn wir rübergehen? Todd ist verdammt heiß, wenn er eifersüchtig ist."
DU LIEST GERADE
Weltenbummler | ✓
Teen FictionEuropa, Südamerika, Asien - Raphael ist in seinem Beruf auf allen Kontinenten unterwegs. Was passiert, wenn ihm dabei jemand begegnet, der ihn zumindest für eine kurze Zwischenlandung seine Einsamkeit vergessen lässt? Hinweis: Erwachseneninhalt, für...