Kapitel.2

525 38 0
                                    


An diesem Abend lädt er sich keinen Menschen zum kurzweiligen Vergnügen ein. Stattdessen befiehlt er Thor, die Nacht vor seinem Schlafzimmer Wache zu stehen, gemeinsam mit dem Androiden. Peter nimmt er mit auf sein Zimmer.
In den letzten Wochen hat er den Menschen kaum angerührt. Loki mag andere moralische Vorstellungen haben als die Meisten, aber jemanden willenlos zu machen und ihn dann körperlich auszunutzen, liegt auch unter seiner Würde. Demnach ist es immer bei dem gelegentlichen Halten der Hand wenn sie gemeinsam irgendwohin gingen, oder einem vereinzelten Kuss auf die Stirn geblieben.
Was Loki nicht wirklich ausreicht, wie er in diesen letzten Wochen feststellen musste.
Vor allem aber benötigt er Peter. Er braucht jemanden, mit der er reden kann, das ist ihm immer deutlicher geworden. Jemand, der ihm sagen kann, was er tun sollte und was richtig ist, mit dem er sich streiten kann. Der ihm wieder das Gefühl gibt, geliebt zu werden. WIRKLICH geliebt zu werden.
Peter jedoch, wenn auch nur zeitweise, seine Seele zurückzugeben, ist ein Risiko. Zwar überschaubar aber dennoch. Außerdem weiß er, wie der Mensch reagieren wird, wenn er erkennt was Loki getan hat. Niemals wird er das auf sich beruhen lassen.
„Setz dich auf das Bett", befiehlt der Gott, während er sich seiner Krone entledigt und die Vorhänge der Fenster schließt. Peter gehorcht sofort.
Danach steht Loki etwas unschlüssig ein paar Schritte vor dem Menschen und betrachtet ihn.
Er hat etwas zugenommen in den paar Wochen, was aber durchaus auch beabsichtigt war. Seine Hautfarbe ist normal, die Haare wachsen weiterhin langsam auf die Länge, die Loki gerne haben möchte. Der Ansatz eines Bartes ist es Loki sogar wert, ihn jeden Morgen magisch etwas zu rasieren.
Er ändert die Kleidung des Menschen in seine Schlafsachen.
„Was mache ich nur mit dir...?"
Die warmen braunen Augen sehen ihn ausdruckslos an, warten auf einen weiteren Befehl. Loki geht auf ihn zu und nimmt eine der Hände in seine. Platziert einen Kuss darauf und gibt sie dann wieder frei. Seufzt.
Nicht heute.
Stattdessen legt er sich auf seine Seite des Bettes und weist den Menschen an, sich daneben zu legen, mit dem Kopf auf seiner Brust. Lässt ihn schlafen während er im Dunkeln nachdenklich durch die weichen Haare fährt.

Es muss an dem engen persönlichen Bezug gelegen haben, überlegt Loki am nächsten Tag. Peter sitzt vor ihm auf einen der Treppenstufen, stumm wie immer, während er auf seinem Thron mit dem Messer spielt und nachdenkt.
Es gäbe eine Möglichkeit, mehr dazu herauszufinden. Ein paar der Avenger haben eine sehr enge Bindung zueinander. Wenn er sie dazu bringt, sich gegeneinander zu wenden, kann er vielleicht wieder so eine Reaktion provozieren und sehen, wie weit sie geht. Ob die Seele dem Stein von selber entkommen kann.
Peter ist ausgeschlossen und Wanda und Vision sind ihm im Falle der tatsächlichen Bewusstseinsrückkehr zu ungemütlich. Bleiben also noch zwei Personen, deren Beziehung ihm eh schon immer ein Rätsel war.
„Thor!"
Sein Bruder, der seit gestern immer vor seinen Türen Wache hält, öffnet nun eben jene und tritt daraus hervor.
„Bruder?"
„Hole mir Steve Rogers und Tony Stark." Ein Gedankenblitz durchzuckt ihn und er ergänzt schnell: „Und Bucky Barnes."
Das Band von Captain America und Iron Man ist stark, doch die Verbindung zwischen ersterem und dem Winter Soldier ähnelt eher der zwischen ihm und Thor. Er wird einfach beides ausprobieren.

Während er einen Moment wartet, steht er auf und lässt Peter auf dem Thron Platz nehmen, da er dort wahrscheinlich am sichersten ist. Zusätzlich legt er noch ein paar Zauber auf ihn, sodass er sich nun gänzlich seinem Experiment widmen kann.
Wie soll er vorgehen? Eifersucht provozieren? Oder doch lieber Angst um das Überleben des Anderen? Rogers und Stark gegeneinander kämpfen lassen, bis auf den Tod? Oder noch besser, Barnes befehlen, Stark zu töten?
Noch während er überlegt klopft es und Thor tritt wieder ein, ihm folgen die geforderten Menschen. Ausdruckslos.
„Bruder: Steve Rogers, Tony Stark und Bucky Barnes."
Loki deutet Thor mit einer Handbewegung den Saal wieder zu verlassen, dann lässt er den Blick über die drei ehemaligen Helden wandern. Iron Man ohne seine Rüstung, Captain Amerika ohne sein Schild. Den Metallarm hat er gelassen, so ist ihm der Winter Soldier nützlicher.
„Schön, dass ihr es so schnell einrichten konntet... Lassen wir das lange Gerede und fangen direkt an, nicht wahr? Barnes, küss Rogers."
Er wird er erst mit Eifersucht versuchen.
Der brünette Mensch zögert keine Sekunde, fast so als hätte er schon ewig darauf gewartet. Die anderen Beiden bleiben regungslos und Loki sieht gebannt zu, wie der eine beste Freund sich dem anderen zuwendet und ein Stück strecken muss, um ihre Lippen zu vereinen.
„Stark, sei doch so gut und sag mir, was die beiden Personen neben dir gerade tun."
Loki geht grinsend um die drei herum. Da der Captain den Kuss nicht erwidert, hilft er mit einer entsprechenden Anweisung nach. Es muss ja auch echt wirken für die Blechbüchse.
Der blinzelt bei dem Anblick zweimal, doch sonst tut sich nichts besonderes. „Sie küssen sich, König Loki."
Hm, also reicht das offenbar nicht. „Barnes, Rogers, ihr könnt wieder aufhören. Versucht euch jetzt gegenseitig zu töten."
Ein Kampf, den er ohnehin schon immer einmal sehen wollte. Vielleicht sollte er mehr Avenger-Kämpfe veranstalten, sie würden sicher unterhaltsam werden.
„Stark, sieh die ganze Zeit zu und halte mich mit dem Stand auf dem Laufenden", weist er noch an, dann verlässt er die Stelle, die sich jetzt schon zum Kampfort entwickelt hat, geht wieder die Treppen hinauf zu Peter. Nimmt neben ihm auf der Lehne Platz, ein Bein überschlagen und ein breites Grinsen auf dem Gesicht.
Eine Weile passiert nichts außer dass sich die beiden Superhelden gegenseitig durch den Raum werfen, schlagen und würgen. Stark bleibt immer an einer Stelle und berichtet so neutral als wären es zwei völlig Fremde, die sich dort töten wollen.
Bis es zu einer Situation kommt, die scheinbar Erinnerungen weckt. Rogers liegt auf dem Boden, er blutet schon und sieht zu Barnes hinauf. Der hat die Faust erhoben, doch hält dann inne. Stark und Rogers geben keinen Laut mehr von sich.
„S-Steve..."
Barnes steigt mit einer schnellen Bewegung von Rogers hinunter und dreht sich dann auf dem Absatz um, zu Loki. Sein Ausdruck ist voller Zorn.
„Was hast du getan?!"
Überraschend. Also können sich die Seelen tatsächlich von selber befreien, wenn es sich um eine sehr tief verankerte Erinnerung handelt. Oder eine bestimmte Emotion. Oder vielleicht auch beides, wer weiß das schon.
„Rogers, töte Stark. Stark, du darfst dich wehren aber machen wir uns nichts vor: Ohne deine Rüstung bist du nichts."
Barnes reagiert schnell, stellt sich schützend vor den Menschen während Rogers wieder aufsteht. Natürlich wird er nicht zulassen, dass es wirklich Tote gibt, dafür sind die Avenger zu wertvoll, aber das weiß der Winter Soldier nicht. Und wenn Loki ehrlich ist: Mit den Männern hat er ohnehin noch alte Rechnungen offen. Besonders Stark.
„Steve, Steve bitte!", sagt Barnes laut, hält dabei die Angriffe von diesem auf. „Wach auf! Du willst das nicht! Das ist Tony! Tony Stark, dein Freund!"
Der Captain hält einen Moment inne und Barnes entspannt sich, lässt die Arme langsam sinken. Den Moment nutzt der andere Avenger, um an ihm vorbei zu kommen und sich direkt auf Stark zu stürzen. Der erste Schlag landet in seinem Gesicht, bevor Barnes mühsam versucht, Rogers wieder zurück zu ziehen.
Der holt mit einem Schlag nach hinten aus, der seinen Freund kurz zurück stolpern lässt, sodass er sich wieder Stark widmen kann.
Und dann geschieht etwas, das Loki nicht bedacht hatte. Was er eigentlich hätte bedenken sollen in Anbetracht all der Dinge, die er über ihn weiß.
„STOP!"
Peter Parker springt neben ihm von dem Thron auf und rennt auf die Kämpfenden zu, gerade als Barnes wieder Rogers zu fassen bekommt und diesmal noch entschlossener zurückzieht.
„Tony?! Oh Gott, Tony, ist alles okay?!"
Das ist ein Problem.
Peter ist wieder bei Bewusstsein und er war schon einmal in der Lage, eine Seele wieder aus dem Stein zu holen. Loki erhebt sich und geht langsam die Treppe hinunter.
„Rogers, halt Barnes fest. Thor!"
Sein Bruder betritt den Raum, gerade als Peter neben Stark zu Boden gegangen ist und seinen Puls prüft.
Barnes windet sich in dem Griff des Captain. „Steve, lass mich los! Peter, weißt du, was hier vor sich geht?!"
„Sorge dafür, dass die Beiden in diesem Raum bleiben und mir nicht zu nahe kommen. Peter..."
Loki reibt sich kurz die Stirn. Er hätte bedenken sollen, wie sehr der Mensch an den Avenger hängt. Wie viel sie ihm bedeuten. Eine brennende Eifersucht breitet sich in ihm aus.
„Loki... Was hast du getan? Was- Was passiert hier?!"
Da Stark ganz offensichtlich noch lebt und nicht in einem kritischen Zustand ist, schießt Peter wieder auf und geht wütend auf den Gott zu, den Kiefer angespannt, die Fäuste geballt.
Loki Odinson hat keine Angst, natürlich nicht, vor so einem mickrigen Menschen niemals. Dennoch fühlt er sich unwohl. Beinahe schuldbewusst. Ein Gefühl von dem er gehofft hatte, es endgültig abgelegt zu haben.
„Wonach sieht es aus, Parker? Ich habe gewonnen. Die Erde gehört mir."
Peter sieht ihn einen Moment nur voller Zorn an, dann will er mit einer Faust zuschlagen, doch der Gott ist schnell genug, hält sie magisch fest, einige Zentimeter vor seinem Gesicht.
„DU BIST WAHNSINNIG, LOKI!", brüllt Barnes aus einer Ecke. Er sieht nicht einmal hin. Seine Aufmerksamkeit ist ganz Peter gewidmet.
Ihre Verbindung hat sich mit dem Entfernen von dessen Seele automatisch aufgelöst, doch es ist trotzdem nicht schwer zu wissen, was der Andere fühlt. Loki sieht in dem Blick nur Zorn und einen Stich Enttäuschung. Hauptsächlich Zorn.
Und obwohl die Reaktion durchaus zu erwarten war, hatte der Gott wohl doch etwas Hoffnung. Er hätte Peter gerne wieder richtig an seiner Seite gehabt. Mit Seele.
„Bucky hat recht. Du hast ihnen allen die Seele genommen und lässt sie jetzt gegeneinander kämpfen?! Loki, du bist ein Tyrann! Ein- Ein Monster!"
Einen Augenblick empfindet der Gott wirklichen Schmerz bei diesen Worten. Er hätte Peter niemals so nah an sich heran lassen sollen, dass er weiß, wie er ihn verletzen kann. Tyrann. Monster. Diese Worte hat er schon so oft gehört und sie sind jedes Mal ein Stich. Er hatte nie so sein wollen wie die Eisriesen.
„Denkst du das wirklich, Peter?"
Er gibt den Arm des Menschen wieder magisch frei. Neben Barnes ist niemand außer ihnen Beiden hier bei Bewusstsein, also können sie dieses Gespräch genauso gut jetzt führen. Damit Loki dann entscheiden kann, was er weiter mit dem Anderen macht.
Peter senkt die Faust langsam wieder, sein Blick wendet sich von ihm ab und geht einmal durch den Raum. Thor und Rogers halten den zappelnden Barnes fest, Stark liegt noch immer auf dem Boden da er keine neue Anweisung erhalten hat.
Schließlich schließt Peter die Augen, hält seine Hände ans Gesicht.
„Ja.... Ja, Loki. Ich dachte immer, ich wüsste es besser als alle anderen... Aber sie hatten recht."
Zwei Gefühle übermannen den Gott geradezu. Auf der einen Wut, auf den Menschen und auf sich selber. Weil Peter ihm so weh tut, weil er diese Dinge sagt. Er würde ihn am liebsten ebenfalls verletzten, sogar töten. Loswerden.
Das andere Gefühl ist Trauer. Weil er die letzte Person im Universum verloren hat, die noch an ihn geglaubt hat. Die ihm Liebe und Wärme entgegengebracht hat. Und das macht ihn nur noch wütender.
Soll er ihm das zeigen, sich so verletzlich machen? Würde es überhaupt noch etwas ändern?
Peter wischt sich nun mit den Händen über die Wangen. Loki hat ihn nicht weinen hören.
Er schließt einen Moment die Augen, weil er dem Menschen vertraut. Er weiß, dass dieser Mann ihn so nicht angreifen wird.
Erst als er sicher ist, alle Wunden und Verletzungen der drei Avenger vollständig geheilt zu haben, öffnet er sie wieder.
„Thor, bring Barnes in mein Schlafzimmer und achte darauf, dass er dort bleibt. Rogers, Stark, ihr könnt gehen."
Peter dreht sich zu den Anderen um und sieht sicher in diesem Moment auch, dass sie wieder geheilt sind. „Bucky... Es tut mir so leid. Es ist alles meine- Ich schwöre dir, ich bekomme das wieder hin!"
„Wir hatten so Angst um dich, Peter", erwidert Barnes während er von Thor Richtung Tür geschoben wird, durch die die anderen beiden Avenger sie gerade schon verlassen. „Und keiner gibt dir die Schuld, sondern nur diesem Ungeheuer! Verreck in der Hölle, Loki!"
Mit diesen Worten verlassen auch Thor und Barnes schließlich den Raum, und der Gott schließt magisch die Tür hinter ihnen, nimmt wieder auf seinem Thron Platz. Wartet.
Nur langsam wendet sich der Mensch wieder ihm zu.
„Ich... weiß nicht einmal, was ich noch sagen soll. Es ist dir doch eh egal. Du lässt die anderen so oder so nicht frei, und alleine kann ich es nicht. Also, was willst du von mir?"
Loki schweigt, spielt wieder mit einem Messer. Hält es fest als er schließlich eine Entscheidung trifft.
„Ich kann dich nicht gehen lassen. Zum einen wegen dem Stein, zum anderen weil ich dich in meiner Nähe will. Aber ich kann auch nicht zulassen, dass du die Anderen befreist."
„Also willst du mir wieder die Seele nehmen? So dass ich wie ein Zombie an deiner Seite stehen muss? Gegen meinen Willen?"
Loki seufzt. „Ja. Du hast mich schon einmal verraten, trotz deiner angeblichen Liebe. Auf sie kann ich nicht vertrauen."
Der Mensch schüttelt den Kopf. „Ich habe dich vor Tony geschützt. Du hingegen tust nur den Menschen weh die ich liebe. Meiner Familie, meinen Freunden."
„Weil sie mir nichts bedeuten. Die Avenger haben mich gedemütigt und eingesperrt. Ich kann ihnen nicht vergeben."
Peter nimmt einen tiefen Atemzug, geht dann auf ihn zu und nimmt seine rechte Hand, die auf er Lehne des Throns lag. Loki lässt es zu. Es ist etwas deutlich anderes, wenn der Mensch den Kontakt von sich aus und freiwillig sucht. Befriedigender.
„Ich habe dir auch vergeben. Viele Male. Und du weißt, dass es mir leid tut, was sie dir angetan haben. Aber sie hatten einen Grund, es war deine Bestrafung."
Peter redet auf eine sanfte und beruhigende Weise, so wie es Frigga immer getan hat, wenn Loki eine Grenze übertrat. Nachdem Odin ihn angebrüllt und bestraft hatte.
Er steht wieder auf und zieht den Menschen in seine Arme.
„Ich bin ein guter König, Peter. Bleib an meiner Seite und ich verspreche, ich lasse die Avenger nicht mehr gegeneinander kämpfen."
Er spürt die Anspannung in dem anderen Körper, obwohl die Umarmung nach kurzem Zögern erwidert wird.
„...Versprochen?"
Loki kann es kaum fassen. Er hat natürlich nicht damit gerechnet, dass der Mensch wirklich zustimmen könnte. Doch dem Unglauben folgt schnell Argwohn.
„Natürlich."
Er spürt Peter an seiner Schulter nicken.
„Okay... Okay, Loki."

Peter und LokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt