7.Kapitel

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Es dauert eine Weile und mehrere Telefonate, die Peter von dem Handy eines Teenagermädchens tätigen muss, während eben jenes begeistert mit Thor plaudert, der offenbar ihre Sprache spricht. Peter stellt sich den Bruchteil einer Sekunde die Frage, woher die Asen eigentlich die Fähigkeit haben, alle Sprachen der Erde zu sprechen, doch dann widmet er seine Aufmerksamkeit wieder der Sekretärin.
„Miss, ich verstehe, dass sie normalerweise nicht einfach so Anrufe an Patienten weiterleiten. Und ich verstehe das völlig, wirklich. Aber sie müssen mir glauben, ich bin der Neffe von May Parker! Und wenn ich könnte, würde ich sie auf der Stelle besuchen aber ich sitze gerade in Europa fest! Bitte!"

„Es tut mir leid, aber ich habe leider keine Sicherheit, dass sie wirklich ein Verwandter sind. Hätte ich ihre Stimme schon einmal gehört... Aber wie es scheint, haben sie Miss Parker in ihrer ganzen Zeit hier kein einziges Mal besucht. Meinen Unterlagen zu Folge waren dort nur ein Herrn Stark und eine Miss Romanoff. Und selbst das ist schon ein paar Wochen her, bevor- Wie auch immer, es tut mir leid. Ich kann ihnen keine Auskunft geben."
Peter spürt aufkommende Tränen der Verzweiflung. Am liebsten würde er diese Frau anbrüllen, ihn endlich mit May reden zu lassen, aber er reißt sich zusammen. Sie kann nichts dafür.
„...Okay. Okay, dann sagen sie mir bitte einfach, ob- ob sie noch lebt."
Schon der Gedanke zerfrisst ihn innerlich, gibt ihm das Gefühl, in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen. Er umklammert das Handy so fest, dass es schon ein wenig nachgibt, worauf er es schnell wieder locker lässt. Sein Puls rast als die Antwort auf sich warten lässt. Bitte, BITTE...

„Sie liegt im Koma, Mister... Parker. Ihr Zustand ist seit zwei Wochen unverändert."
Eine Träne rollt seine Wange herunter und er schließt einen Moment die Augen. Sie liegt im Koma. Wie lange hat sie wohl jeden Tag auf ein Lebenszeichen von ihm gehofft und ausgerechnet jetzt wo er wieder bei Bewusstsein ist, ist ihres weg...
Peter fühlt sich mit einem Mal einsam und alleine. Außer Thor ist ihm gerade niemand mehr geblieben, alle-
„V-Vielen Dank. Auf Wiederhören."
Peter legt auf, dann tippt er zittrig die nächste Nummer ein, während Thor ihm einen besorgten Blick zu wirft und das Gespräch mit dem Mädchen unterbricht, um auf ihn zu zu kommen.
„Peter? Was-"

Der Mensch legt nur einen Finger an seine Lippen als das Freisprechzeichen ertönt. Der Gott wischt ihm vorsichtig mit dem Daumen die Träne aus dem Gesicht, worauf er schwach lächelt.
Wie kann Thor nur trotz dem langen Einfluss seines Bruders so eine gutherzige und liebevolle Person geblieben sein?
„Ähm, hallo? Edward Leeds hier?"
Wie er diese vertraute Stimme vermisst hat. Sofort fühlt sich Peter ein bisschen weniger alleine.
„Ned... Ich bin's, Peter."
„Peter?! Oh mein Gott, du lebst! Ich wusste es, ich-"

„Hör zu: Es tut mir leid, dass ich mich die letzten Monate nicht gemeldet habe. Du hast wahrscheinlich von Lokis Rückkehr gehört und-", er nimmt einen tiefen Atemzug. Der Gott drückt aufmunternd seine Schulter. „Ich bin gerade in Asgard, mit Thor und den anderen Asen. Wir werden Loki besiegen. Aber- ich muss dich um einen Gefallen bitten, Ned."
„Klar, alles was du willst, Kumpel."
„May. Ich habe erst heute erfahren, dass sie im Krankenhaus liegt, im New York-Presbyterian in Queens. Im Koma. Und ich würde am liebsten sofort zu ihr, damit falls sie aufwacht und- Oder- ... Aber ich habe weder Geld noch meinen Ausweis und Loki... Er muss zuerst aufgehalten werden, bevor noch mehr Menschen-"

„Klar, Pete! Hätte ich das gewusst, hätte ich sie schon längst besucht, ich mache mich sofort auf den Weg! Ah, aber eins noch: Keine Ahnung, was du andeuten wolltest aber Loki ist kein wahnsinniger Amokläufer oder so. Eine seiner Verkündungen lief live im TV und da hat er gesagt, dass er sich als Beschützer und Wegweiser der Menschen sieht und uns nicht schaden möchte... Aber das heißt natürlich nicht viel."
Peter wechselt einen Blick mit Thor.
„Hm. Danke, Ned! Falls May aufwachen sollte, sag ihr bitte dass es mir gut geht und ich sie liebe und komme, sobald es irgendwie geht!"
„Auf jeden Fall. Pass auf dich auf, Pete!"
„Du auch."

Noch einige Telefonate später befinden sich Thor und Peter wieder auf dem Rückflug. Wie schon zuvor liegt der Mensch auf Thors Rücken, die Beine um dessen Bauch verschränkt, die Arme um den Hals. Sein Kopf ruht auf der linken Schulter des Gottes.
Mittlerweile ist es schon dunkel geworden, Peter fühlt sich so erschöpft und wie immer in Thors Nähe so sicher und geborgen, dass er einfach vor sich hin döst. Im Gegensatz zu Loki ist die Körpertemperatur des Gottes angenehm, er strahlt gerade einfach eine innere Ruhe aus.
„Mein Anzug...", murmelt Peter schließlich. „Wir sollten ihn vor dem Angriff holen, sonst bin ich so gut wie nutzlos."

„Gewiss nicht. Du bist die größte Waffe gegen meinen Bruder. Wir werden kämpfen aber du musst versuchen, ihn zu überzeugen. Meine Worte konnten ihn nie wirklich erreichen."
„Mmmmm", macht Peter müde und reibt seine Nase etwas an Thors rotem Umhang. Im Gegensatz zu Loki riecht er relativ neutral, doch die Wärme ist angenehm, die Muskeln die er spüren kann lassen ihn für einen Moment alle Gefahren und Probleme vergessen. „Ich will nicht mit ihm reden... Er hört eh nie zu."

Peter will eigentlich nicht mal mehr an ihn denken, zumindest nicht im Augenblick. So lange galten seine Gedanken fast immer nur ihm und mittlerweile bereut Peter, wie viel Zeit er damit verschwendet hat. Am liebsten will er dieses Kapitel seines Lebens nur noch endgültig abschließen. Aber vorher wird er ihm wohl noch einmal gegenübertreten müssen.
Und erneut: Es ist nicht so, dass er den Gott nun hasst. Dass er ihm schlechtes wünscht. Dass sich nicht immer noch irgendwie ein Teil von Peter nach ihm sehnt. Aber er ist darüber hinweg. Er ist erwachsen geworden.

Loki wird sich niemals ändern. Und deswegen wird aus ihnen auch niemals etwas werden können. Es hat eine Weile gedauert und die Erkenntnis war schmerzhaft aber gleichzeitig bedeutet sie auch einen Neustart für Peter.
„Du hast ihn aufgegeben...", sagt Thor leise. Der Mensch kann sein Gesicht nicht sehen, doch der Tonfall verrät Trauer und Enttäuschung.
Einem Moment weiß er nicht was er erwidern soll, legt seinen Kopf auf die andere Seite, sodass er nun weit entfernt Umrisse von Häusern und Lichter sehen kann, weiter oben die Sterne, die den Himmel erleuchten.
„Ich... war naiv", flüstert er nach einer Weile. „Loki ist verrückt, Thor. Niemand kann ihm helfen."

Peter und LokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt