12.Kapitel

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Er muss zugeben, Peter sieht besser aus. Seine Haut ist nicht mehr so blass, er wirkt entspannter, selbst im Schlaf.
Loki konnte dem Bedürfnis nicht mehr widerstehen, nach ihm zu sehen. Es hat eine Weile gedauert, bis er ihn in diesem Zimmer gefunden hat und der Anblick vom schlafenden Wade Wilson auf dem Sofa hat ihn beinahe alle seine Pläne über den Haufen werfen lassen.
Aber am Ende hat er es doch gelassen und jetzt, wo er unsichtbar im Schneidersitz neben Peters Bett schwebt, ist er auch ganz froh darüber. Sie schlafen getrennt also ist der Söldner keine Konkurrenz.
Loki hat so etwas noch nie erlebt, diese unglaubliche Sehnsucht nach einer anderen Person. Dieses Gefühl, dass erst alles wieder in Ordnung ist, wenn man bei ihr ist.
Bei Peters Anblick hat er genau das. Vor allem jetzt wo der Mensch nicht mehr ihm gehört, wo dessen Liebe und Treue nicht mehr ihm gilt, sehnt sich alles in Loki so unendlich danach, es ist entwürdigend.
Er lächelt im Schlaf. War da schon immer diese leichte Ansatz eines Grübchens?
Peter hat sich offenbar rasiert, doch seine Haare sind noch immer so lang wie zuvor. Und sie gefallen Loki mit jedem Millimeter mehr und mehr.
Das Lächeln verschwindet langsam wieder, was dem Gott eigenartig missfällt. Peter ist immer unmenschlich schön, zweifellos der ästhetischste Mensch, den Midgard zu bieten hat, doch wenn er glücklich ist, strahlt er so eine Wärme aus, dass sie sogar Loki berührt.
Es kostet ihn viel Stärke, den Mann in dem Bett zu lassen, ihn nicht zu berühren, nicht mit ihm zu reden, ihn nicht fort zu teleportieren.
Er wird Peter verzeihen, das hat Loki schon entschieden. Es geht gar nicht anders, ohne den Menschen hat die Herrschaft über Midgard keinen Sinn.
Aber vorher muss der Andere aus freien Stücken zu ihm zurückkommen. ER muss es sein, der seinen Fehler einsieht und ihn ihren Bund erneuern lässt, sodass Loki wieder Zugriff auf den Seelenstein erhält. Und dann- nun, dann wird er Peters Seele wohl wieder dort verwahren müssen. Es ist weniger befriedigend als den Menschen mit Bewusstsein bei sich zu haben, aber es ist immer noch besser als ihn gar nicht zu besitzen. Sollte er ihn wieder verlassen, irgendwo hin gehen, wo Loki ihn nicht so schnell findet, oder sollte er sterben oder sollte er sein Herz jemand anderem schenken- All das kann der Gott auf keinen Fall riskieren. Dann behält er ihn lieber seelenlos aber sicher in seiner Nähe.

Es ist später Nachmittag als Peter in seinem Anzug den Helikopter betritt, mit dem T'challa am Vormittag angereist ist. Thor war zwar nach wie vor dagegen, dass der Mensch mitkämpft und Peter musste ihm versprechen, es erst mit reden zu versuchen, aber der ist sich ohnehin schon sicher, dass das nicht funktionieren wird. Loki wird nicht auf ihn hören, egal was Thor glaubt zu wissen.
„Petey, alles okay?", fragt Wade, der neben ihm auf der Sitzbank Platz nimmt, daneben Scott und ihnen gegenüber Valkyre und Heimdall. T'challa agiert im Cockpit als Co-Pilot und Thor fliegt neben ihnen her, weil er den Luftraum sichern will. Schließlich wissen sie alle, dass sie garantiert erwartet werden...

„Ja. Ja, alles in Ordnung."
Peter hat keine Angst, obwohl sein Puls beschleunigt ist und ihm leicht schlecht wird. Nein, der Grund dafür liegt in der Konfrontation, die vor ihm liegt. Nach allem was geschehen ist, was Thor gesagt hat, was er für sich entschieden hat, was er Wade versprochen hat. Was soll er überhaupt sagen?
„Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn Loki an dich heran möchte, muss er vorher über meine Leiche steigen. Und dann werde ich sofort hinter seinem Rücken wieder aufstehen und ihn so fertig machen, dass er nicht mal mehr wissen wird dass die Erde eigentlich eine Scheibe ist!"
Peter sieht, wie die Asen ihnen gegenüber einen irritierten Blick wechseln, doch er lächelt nur und lehnt seinen Kopf an den Anderen.
„Danke, Wade."

Lokis Laune ist unterirdisch. Er hat wieder die ganze Nacht nicht geschlafen, die meiste Zeit damit verbracht, dem Menschen dabei zuzusehen und dann in den frühen Morgenstunden alles für eine Verteidigung vorzubereiten.
Aber es passiert nichts. Nichts. Warum kommt niemand?

Loki langweilt sich. Er hat schon über den Tag verteilt gelesen, eine weitere Verkündung für die Menschen gemacht, seine Kräfte und die Benutzung der Steine etwas trainiert aber- Nichts.
Während er mit überkreuzten Beinen in seinem Thron sitzt, fragt er sich ob es für immer so bleiben wird. Nur er alleine, niemand zum reden, zum lachen, zum anbrüllen und hintergehen.
Dabei ist es nichts neues für ihn, er war schon als Kind viel und gerne einsam. Und er kann auf die Anwesenheit der meisten Menschen und Asen verzichten. Eigentlich allen. Außer Peter.
Er kommt nicht. Dabei war Loki überzeugt gewesen, dass er zurückkehren würde.
Wie lange soll er denn noch warten?

Sie erreichen ihr Ziel erst in der Dämmerung, landen einige Kilometer entfernt von dem Schloss, das T'challa am Vormittag mit etwas Recherche und moderner Technik ausfindig machen konnte. Tony wäre sicher noch schneller gewesen aber- Sie müssen mit dem arbeiten, was sie gerade zur Verfügung haben. Und das ist reichlich wenig...
Während sie zu Fuß den Rest des Weges durch einen Wald gehen, bis auf Thor, der voraus fliegt und Spiderman, der von Wade huckepack getragen wird, schweigen sie. Peter hat wieder den Kopf nur auf der Schulter des Anderen abgelegt, die Arme hängen locker um Wades Brust. Ein Glück, dass der Söldner ein Stück größer ist als er.
Der Grund, warum er sich tragen lässt ist ziemlich einfach: Er traut seinen eigenen Beinen nicht. Peter hat das Gefühl, sobald er selber gehen muss, wird das Bedürfnis abzuhauen die Überhand gewinnen. Er WILL nicht zurück in dieses Schloss, das so lange sein Gefängnis war, ohne dass er davon wusste.Und schon der bloße Gedanke an Loki lässt ihn übel werden.
Zum Glück ist Wade wie immer mehr als nur glücklich, ihm einen Gefallen tun zu können. Er ist wirklich ein guter Freund. Einer seiner besten. Den er schamlos ausnutzt...

„Ich glaube, da vorne ist es", durchbricht Valkyres Stimme die Stille. Sie geht vorne voran und dreht sich nun im Gehen zu ihnen um. „Am besten teilen wir uns schon einmal auf. Peter, es wird wieder Zeit zum selber gehen."
Wade zieht ihn an seinem Oberschenkel nach vorne, sodass er plötzlich den Mann von vorne sieht, der seine Arme an seinem Hintern hat. Wade lässt ihn runter und umarmt ihn dann eng.
„Ein Wort und ich komme sofort, Pete. Sei vorsichtig. Und mach ihm die Hölle heiß."
Der Söldner platziert noch einen Kuss auf seiner Stirn und gibt ihm dann einen Schlag auf das Hinterteil, ehe er, unberührt von den Blicken den Anderen, auf Valkyre zugeht.

„Was ist los? Gehen wir jetzt oder was?"
Heimdall ist der erste, der sich wieder in Bewegung setzt. Ihm folgt T'challa, die beiden verschwinden links zwischen den Bäumen. Wade wirft ihm noch einen letzten Blick zu, während Valkyre die Augen rollt, dann gehen sie rechts entlang und Peter ist alleine.
Und fühlt sich als hätten seine Füße gerade Wurzeln geschlagen. Ihm ist kalt und schlecht. Sein Kopf tut weh. Er fühlt sich eigenartig beobachtet, obwohl Loki ihn dort unmöglich schon sehen kann. Trotzdem sieht er sich nervös um. Nichts.

Nach einer gefühlten Ewigkeit setzt er schließlich doch langsam einen Fuß nach dem Anderen vorwärts, bis Thor ihm entgegen kommt.
„Peter, wo bleibst du so lange? Die anderen sind schon auf Position. Komm."
Er will nicht. Peter Benjamin Parker fiel es schon immer schwer, Entscheidungen zu treffen, doch diese erfordert eine Überwindung, die ihn geradezu lähmt. Der Mensch wird niemals wissen ob er in diesem Moment nicht abgehauen wäre, würde Thor nicht einen Arm um seine Hüfte legen und dann mit ihm direkt bis vor den Haupteingang des Schlosses fliegen.
Es ist soweit.

Peter und LokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt