46. Etwas...

410 30 5
                                    

John schaute verblüfft in Leifs leicht außer Atem wirkendes Gesicht. Er brauchte kurz, um sich wirklich sicher sein zu können, dass das kein Traum war, dass Leif wirklich vor ihm stand.


"Ähm..", begann er seinen Satz genauso wie Leif, "Klar..", Er zögerte kurz, "Ich sag nur kurz meiner Mum bescheid." Leif nickte verständnisvoll, doch die Ruhe und Selbstgelassenheit, die er sonst immer ausgestrahlt hatte, war einer gewissen Unruhe gewichen. "Mach nur. Ich rauch in der Zwischenzeit noch eine." Seine Hände schien leicht zu zittern, als er nach der Kippenpackung kramte und sich letztlich fast als sei es der reinste Genuss nikotinhaltigen Rauch einzuatmen eine anzündete. John blickte noch einmal zu Leif, ehe er sich umdrehte. Was machte er hier? Normalerweise schrieb er eine SMS, wenn er in der Gegend war. Normalerweise fragte er vorher, ob er überhaupt zuhause war. Und warum sah er so verdammt mitgenommen aus?


Vollkommen in Gedanken nahm John die drei Stufen zur Wohnungstür und blickte suchend in der Wohnung umher. "Mum?", kam es fragend von ihm. Er ging den Flur entlang zur Küche, in welcher sich seine Mutter befand und das Geschirr des Mittagessens in die Geschirrspülmaschine einräumte. Er schluckte, ehe er ansetzte: "Leif ist da." Seine Mutter blickte mit gerunzelter Stirn auf. "Klingt er nicht vorher immer bei dir durch?" John nickte. "Ähm ja .. sonst macht er das immer." Seine Mutter hob eine Augenbraue. "Aber?", hakte sie nach. John zuckte mit der Schulter.


"Er hat gefragt, ob ich kurz mit rauskomme..." John verstummte und ein flaues Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Er wusste was ihm bevorstand: Leif hatte sich entschlossen zu reden. Spontan - so wie er eben war. Deshalb hatte er vorher keine SMS geschrieben. Deshalb hatte er nicht kurz angerufen, um zu fragen, ob er zuhause war. Deshalb sah er so seltsam mitgenommen aus.


Eine bedeutungsvolle Stille breitete sich im Raum aus und ihm war nur zu gut bewusst, was für eine Frage sich gemeinsam mit der Stille in der Küche eingenistet hatte. "Wirst du mit ihm reden?", sprach seine Mutter diese schließlich aus. John seufzte, doch seine Mutter lächelte ihm aufmunternd zu. "Ich sollte wohl, hm?" Seine Mutter nickte mit einem liebevollem Lächeln auf den Lippen. "Ja, solltest du.", bestätigte sie ihren Sohn, welcher noch einmal tief Luft holte, doch dann selbst nickte. "Ja, sollte ich..."


Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging er wieder aus der Küche, hinaus auf den Flur und hinunter zur Eingangstür, wo Leif an den Türrahmen gelehnt wartete. Der Punk blickte kurz auf, als John wieder in Sichtweite kam. Nervös zog er ein letztes Mal an seiner Kippe und schnippte sie dann ins Gebüsch. "Sorry.", nuschelte, als ihm bewusst geworden schien, dass er sich hier auf dem Grundstück der Kellermanns befand und seine Filter nicht überall einfach verteilen konnte. John winkte kurz ab. "Macht nix." Sie schwiegen. "Hab bescheid gesagt.", informierte ihn John, welcher sich auf die letzte Stufe der Treppe gesetzt hatte und schnell seine Chucks anzog.


Gemeinsam ging es die Auffahrt entlang zur Straße. Der Gehweg in diesem Viertel war in der Regel breit genug, um nebeneinander zu gehen, trotzdem wäre John etwas mehr Abstand gerade im Moment lieber gewesen.


"Und wie geht's so?", kam es nach einigen hundert Metern, die sie schweigend nebeneinander hergegangen waren, von John, der die Stille nicht länger hatte ertragen können. Doch anstatt einer Antwort geschah etwas Unerwartetes: Leif war stehen geblieben und hatte auch John mit einem einzelnen Handgriff dazu gebracht von der Bewegung aus in den Stillstand zu wechseln. Der Punk schaute ihn nicht weiter an, er drückte ihn nur gegen die Betonmauer, die an den Gehweg grenzte und zu dem Haus eines Zahnarztes, der in diese Straße wohnte, gehörte. Noch ehe John irgendwie hätte reagieren können, irgendetwas hätte sagen oder tun, spürte er bereits den kühlen Beton an seinem Rücken. Und er spürte Leifs festen Griff, der ihn gegen eben diese presste. Verzweifelt blickt John zu dem Punk, der seinen Blick noch immer abgewendet hatte.


Der Punk hatte innegehalten, doch der Druck, mit dem er John gegen die Mauer presste, hatte nicht einmal im geringsten nachgelassen. John versuchte tief ein und aus zu atmen, während sein Puls auf 180 schnellte. Er musste sich irgendwie beruhigen...


Er hatte Angst vor dem, was als nächstes passieren würde. Angst davor die Rechnung für etwas zu kassieren, das er so nie wirklich wahr haben wollte. Doch es kam anders. In Leifs Glieder war wieder Leben gekommen. Sein Griff hatte sich etwas gelockert, doch noch im selben Moment hob der Punk seinen Blick und schaute mit seiner grün-braun-gesprenkelten Iris direkt in die Augen von John, der noch immer hilflos gegen die Wand gedrückt einfach nur da stand und zu warten schien.


Leif kam näher, schloss die Augen und küsste ihn. Zärtlich. John spürte die feinen Unebenheiten auf Leifs Lippe, er spürte die zwei kleinen Metallringe, Spiderbites, wie es ihm der Punk einst erklärt hatte, und er spürte Leifs Hand in seinem Nacken, die ihn sanft streichelte, fast beruhigen zu versuchte. Eigentlich hätte er den Moment genießen sollen. Eigentlich hätte sein Gehirn im Freudentanz den stärksten Hormoncocktail aller Zeiten mixen können und ihn somit komplett ins Nirvana befördern, doch stattdessen rann eine kleine Träne seine Wange hinab.


Leif lies von ihm ab und auch sein Griff löste sich. Schnell wischte John die kleine Träne hinfort. Er wollte nicht, dass der Punk sie bemerkte. Am liebsten hätte er sich auf den Boden fallen lassen. Seine Knie fühlten sich nicht so an, als würden sie seine Körpergewicht noch lange tragen können. Es schien als sei er außer Stande noch länger unter der Last seiner Psyche leiden zu müssen.


"Sag mir, was du gespürt hast.", kam es von dem Punk, dessen Stimme irgendwie seltsam klang, weniger rau als sonst, zitternder. John schaute hilfesuchend zu Boden und blieb still. "John?", sprach ihn der Punk nun direkt an, als ihm bewusste geworden zu sein schien, das sein Gegenüber nicht von selbst antworten würde. "Was hast du gespürt?!"


Er fühlte die Blicke des Punks auf sich ruhen, traute sich jedoch nicht aufzuschauen. John holte tief Luft. "Etwas...", kam es dann zögerlich aus seiner Kehle geronnen.


———————


So ich hab mein Abi hinter mir und ich hab jetzt fast fünf Monate frei *jei* und was macht man, wenn man so lange frei hat?! RICHTIG! Man schreibt endlich die Geschichten fertig, die in den letzten Monaten so kläglich vernachlässigt worden sind!


Ich hoffe ihr verzeiht mir ein weiteres Mal. Das nächste Kapitel ist ebenfalls bereits halb fertig und sollte nicht lange auf sich warten lassen. :)


LG Eure Heide :x

Wer ist schon wieder dieser John? (Slash)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt