Kapitel 8

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Die Tore schwangen nach innen. Ein Luftzug wehte Legolas entgegen und spielte mit seinen Haaren.
Er trat ein. Die Halle war so riesig, als wäre sie Teil des Königreichs unter dem Berg. Ihre Größe hatte eine bedrückende Wirkung, als verlange sie, dass sich ein jeder eng zusammenkauerte, der sie betrat.  Legolas legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke empor. Ein Kreuzgewölbe aus schwarzen Glas spiegelte den Boden und sein blasses Gesicht, als wolle es ihm zeigen, wie wenig er hierher gehörte.
"Willkommen in meinen Hallen, junger Prinz", sagte jemand.
Legolas wandte sich um und aus einem Torbogen hinter ihm trat eine Gestalt, dreimal so groß wie er selbst, schlank und auf eine bizarre Weise anmutig.
Der Gott der Toten trug einen langen Rock aus schwarzen Schleiern die wie Nebel um ihn herum waberten.
Seine Gürtelschnalle zierte ein großer Smaragd, der auf eine merkwürdige Weise von innen zu leuchten schien.
Sein Oberkörper war nackt, und als er an Legolas vorbei in die Halle ging, wandte er ihm für einen Moment den Rücken zu.
Eine breite Rückenmuskulatur hielt die Ansätze zweier gewaltiger Flügel an ihrem Platz. Schwarze Federn wie die von Raben raschelten, als die unteren Enden den Boden streiften.
Legolas biss sich auf die Lippe.
Er wusste nicht, mit was er gerechnet hatte, aber das war es nicht gewesen.
Der Gott der Toten wandte sich um und bedachte ihn mit einem milden Lächeln.
"Was ist dein Begehr, junger Elb?"
Es verunsicherte ihn ein wenig, auf diese Weise angesprochen zu werden, während die Halle unter einer dumpfen Präsenz zu vibrieren schien, die offenbar die des Herrn der Toten war.
Es war, als würde er mit jeder Sekunde, die verstrich, mehr betonen, dass er der Ältere, der Mächtigere war.
Ehrfurcht erfüllte ihn, eine Ehrfurcht, die selbst Galadriel ihm niemals geboten hatte.
"Es geht um meinen Freund", sagte er. "Nun ja, Verlobten...Er ist gestorben"
"Und nun willst du, dass ich ihn gehen lasse?" Der Mundwinkel des Gottes zuckte.
Legolas nickte hastig.
"Warum" Der Gott begann vor seinen Augen zu schrumpfen, bis er Legolas' Größe erreicht hatte. Er trat näher und legte die Hand unter sein Kinn, hob es an. "Warum, junger Elb, sollte ich das tun?"
"Ich liebe ihn"
"Oh, das tue ich auch. Ich liebe jeden meiner Toten. Jeden einzelnen. Denn ich habe in ihre Seelen geblickt" Er fuhr mit dem Finger über die Konturen seines Gesichts. Dort, wo er es berührte, schien es zu glühen, als wären es glühende Kohlen, die über seine Haut strichen.
Ein Drang überkam ihn, zurückzuweichen. Zurückzuweichen, und ihn mit panischem Blick anzusehen, als könnte das irgendetwas besser machen.
Er blieb stehen, regungslos, und wartete.
"Du liebst ihn", sagte der Gott der Toten.
Legolas nickte. "Das tue ich"
"Sieh nicht zurück, wenn du gehst. Sieh nicht zurück, denn dann ist deine Chance vertan und dein Verlobter auf ewig tot" Der Gott trat zurück, und mit jedem Schritt rückwärts schien er erneut zu wachsen. "Gelingt es dir, ihn nach oben zu geleiten, ohne ein einziges Mal zurück zu blicken, so wird er leben"
"Danke, mein Herr"
"Du lebst und bist unsterblich, ich bin alles, aber nicht dein Herr, Elb. Spar dir das", fuhr er ihn an.
Er zuckte zusammen. "Wie Ihr wünscht"

Aralas- Schau nicht zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt