Kontrollverlust

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POV: Wilhelm
Sein ganzes Leben lang hatte er zu ihm aufgesehen. Erik war sein Vorbild und er wollte seinem Beispiel folgen, doch Wilhelm wusste nicht wie. Es fiel ihm unendlich schwer. Seit seinem Tod lief nichts mehr, wie es sollte. Und jetzt durfte er nicht einmal mehr er selbst sein.
„Schatz, ich habe dir doch gesagt, dass es besser ist, wenn du ihn nicht mehr triffst." Wilhelm wurde innerlich wütend, doch er kämpfte damit, es nicht zu zeigen. Immer noch lag er im Krankenhaus und mal wieder ging es nicht darum, wie er sich fühlte. Nein, seine Eltern hatten nur das gute Benehmen im Kopf, nur den guten Ruf der Königsfamilie. „Er hat mich nur hergebracht. Er wollte mir nur helfen", fuhr Wille seine Mutter an. „Wieso verstehst du mich denn nicht? Du versuchst es ja nicht einmal. Ich weiß, dass ich jetzt eine wichtige Aufgabe habe, aber ich bin auch nur ein Mensch." Je mehr Wilhelm sagte, desto wütender wurde er und während er dabei immer lauter wurde, bemerkte er eine Träne, die langsam über seine Wange lief. Seine Mutter schaute ihn mit besorgter Mine an und er konnte erkennen, dass sie Mitleid mit ihm hatte. Vor ein paar Wochen hatte sie ihm zwar gesagt, dass sie auch eine unglückliche Romanze hatte, bevor sie Willes Vater heiratete. Doch das spielte keine Rolle für ihn. Vielleicht war diese Romanze anders, wie das, was er mit Simon hatte. Zumindest redete er es sich ein, denn seine Hoffnung, das alles irgendwie hinzubekommen, bestand nach wie vor. Nach und nach spürte Wilhelm, wie seine Wut immer größer wurde. „Bitte geht! Ich brauche Zeit für mich alleine." Er konnte nichts dagegen tun. Diese Sätze kamen einfach so aus ihm heraus. Immer mehr verlor er die Kontrolle über seinen Körper. Die ständigen Panikattacken, die Wutausbrüche, dass er vorhin ohnmächtig geworden war und so viele Emotionen und Ängste, die ihn beherrschten. Gefühle durchströmten ihn, die er bisher nicht kannte. Wenn Simon vor ihm stand, konnte er nicht klar denken. Es war etwas völlig neues für Wilhelm, so zu fühlen. Und so sehr er auch versuchte, glücklich zu sein, das Negative kehrte immer wieder zu ihm zurück. Das einzige, worauf er sich konzentrieren konnte, war seine Liebe für Simon. Er wusste genau, wenn das mit ihm nicht funktionieren würde, dann würde alles aus dem Gleichgewicht geraten.
„In Ordnung. Wir gehen. Wir schicken dir jemanden vom Schloss, der dich zurück zum Hillerska bringt." Seine Eltern verabschiedeten sich und verließen dann den Raum. Endlich herrschte Ruhe.
Ein paar Minuten später wurde Wilhelm entlassen und von seinem Chauffeur zum Internat gefahren. Auch wenn er kurz überlegt hatte, zu Simon nach Hause zu fahren, wollte er sich diesen Gedanken schnell wieder aus dem Kopf schlagen, denn er war sich sicher, dass er ihn jetzt nicht sehen wollte. Schließlich hatte Wille sein Wort wieder nicht gehalten. Natürlich hoffte er, dass Simon ihm verzeihen würde, aber wahrscheinlich brauchte er Zeit. Die Höhen und Tiefen waren nicht gerade leicht zu ertragen, das wusste er selbst. Aber es fiel ihm trotzdem schwer, das Gefühlschaos in seinem Kopf zu beenden.
Inzwischen war es spät geworden. Wilhelm lief im Dunklen zur Tür des Internats und wurde dabei von Angestellten aus dem Schloss bewacht. Beim Betreten des Gebäudes konnte er die anderen Mitglieder der Bruderschaft hören. Seit der Sache mit August fühlte er sich jedoch nicht mehr zugehörig.
„Ich hab gewonnen!", hörte er Vincent laut rufen und als er gerade auf dem Weg zu seinem Zimmer war, stand plötzlich August vor ihm. Wieder einmal wollte er mit Wille reden, doch was dachte er sich dabei? Glaubte er etwa, dass es so einfach war, sein Vertrauen zurückzugewinnen? Vielleicht hatte er zuvor bei allem mit dem Finger geschnippt und schon bekam er das, was er wollte. Das Mindeste was er jetzt tun konnte, war Wilhelm in Ruhe zu lassen. Immerhin war er dafür verantwortlich, dass August weiterhin auf diese Schule gehen konnte. Er kam immer näher auf ihn zu, schaute ihn dabei mit weit aufgerissenen Augen an, seine Mine war todernst. Ein Blick, der zeigte, August wollte sich nicht einfach nur einschleimen. Plötzlich blieb er stehen und streckte seine linke Hand nach vorne, um Wille zu zeigen, dass er stehen bleiben sollte, doch dieser wollte es ignorieren. Er sah keinen Grund für eine solche Unterhaltung, doch er konnte es nicht verhindern. Bei dem Versuch, auszuweichen, drückte August seine Hand gegen seinen Brustkorb und hielt ihn an seinem Pullover fest. Wilhelm verdrehte die Augen und schaute ihm ins Gesicht. „Was willst du von mir? Ich dachte wir hätten das geklärt." Auch sein Blick wurde jetzt immer ernster und seine Stimme immer bedrohlicher. Erneut stieg die Wut in ihm auf, dabei war er doch hierher gekommen, um sich zu beruhigen und Abstand von Stress zu gewinnen. „Komm runter, Wille. Es geht mir nicht darum." August grinste für einen kurzen Moment und redete dann weiter. „Die Königin hat mich vorhin angerufen und gesagt, ich soll mich um dich kümmern. Außerdem geben wir morgen zusammen ein Interview. Darüber wollte ich dich noch informieren." Wütend drehte Wilhelm seinen Kopf weg und starrte die Wand an. Wieso musste ihm seine Mutter ständig in den Rücken fallen? August hatte sein Leben zerstört und das, obwohl er ihm vertraut hatte. Wie konnte so etwas in der Familie akzeptiert werden? Um sich zu beruhigen, holte er einmal tief Luft und sah August dann wieder an. „Du kümmerst dich ganz sicher nicht um mich. Du tust gar nichts mehr für mich. Ich will, dass du mich in Ruhe lässt, klar?" Entschlossen drückte Wille Augusts Hand weg und wendete sich von ihm ab. Sein Zimmer war nur noch ein paar Türen entfernt, also ging er so schnell er konnte darauf zu. Zwar versuchte er, zu ignorieren, dass August ihm etwas hinterher rief, als er wegging, doch er konnte es nicht. „Das wirst du noch bereuen, Wille, glaub mir!" Er hatte nun verstanden, wozu August fähig war und eigentlich wollte er sich nicht mit ihm anlegen, doch es ging nun mal nicht anders. Doch jetzt sah er ihn als eine Art Bedrohung und er wusste nicht, was er tun sollte. Ihm zu verzeihen, konnte auf keinen Fall die Lösung sein, das war ihm klar, aber je länger dieser Streit ging, desto schlimmer wurde es. Außerdem stand Wilhelms Mutter scheinbar auf Augusts Seite und schützte ihn, so gut sie konnte. Das war nicht fair. Wille war ihr Sohn, wieso konnte sie dann nicht zu ihm halten, anstatt zu dem, der ihn verraten hatte? Niemand in dieser Familie schien zu begreifen, wie gefährlich August war. Nicht einmal Erik hatte sich von ihm abgewendet und das, obwohl er wusste, wie August wirklich war. Und der Tod seines Vaters war eben auch keine Entschuldigung für sein Verhalten. Immer hatte Erik versucht, alle zu verstehen. Er war so ein guter Mensch und er war wie für den Thron gemacht. Wilhelm glaubte, da nicht mithalten zu können. Sein Vorbild hatte immer alles richtig gemacht, doch er schien in allem zu versagen. Es fühlte sich nicht richtig an, hier zu sein, auf Eriks Position, und dem, was alle von ihm erwarteten, nicht gerecht zu werden.
Mit diesen Gedanken im Kopf lag Wilhelm in seinem Bett, starrte aus dem Fenster und wartete darauf, dass dieser Tag endlich vorbeiging.

Young Royals Staffel 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt