Erwartungen

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POV: Wilhelm
Das durfte nicht wahr sein. Nichts hätte jetzt unpassender sein können, als dieser Besuch und als Wille gedacht hatte, er wäre bereit für die Konfrontation, lag er falsch. Zumindest konnte er ihnen nicht sagen, dass er mit Simon zusammen sein wollte. Nicht jetzt. Nicht in diesem Moment. Er hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Auf dem Weg von Simons Haus zum Fußballplatz hatte er sich überlegt, wie ihre Begegnung wohl ablaufen würde und er hätte nicht gedacht, dass er danach im Krankenhaus aufwachen würde und schon gar nicht hatte er erwartet, dass er die ganze Sache nun auch noch seinen Eltern erklären musste. Zumindest hatte er gehofft, dass er es vor ihnen verheimlichen könnte, doch da sie jetzt an der Tür standen,
verlief Wilhelms Plan nicht mehr so, wie gedacht.
„Wilhelm, was ist hier los?", fragte die Königin entsetzt, besorgt und enttäuscht zugleich. Man konnte all diese Emotionen in ihrer Stimme hören, als sie versuchte, autoritär zu klingen. Jedoch erkannte Wille, dass hinter ihren strengen Worten, eine Menge Sorgen steckten. Vor allem aber, klang es, als hätte sie Angst und er wusste, dass es dabei nicht nur darum ging, dass ihr Sohn im Krankenhaus lag, sondern darum, wer bei ihm war. „Du wirst keinen Kontakt mehr zu ihm haben!" Die Worte seiner Mutter, die sie ausgesprochen hatte, nachdem alle das Video gesehen hatten, hallten in seinem Kopf nach, wie eine Drohung, vor der Wilhelm keine Angst mehr haben wollte, doch als seine Eltern im Raum standen, wurde ihm plötzlich klar, dass diese Angst nie weg gewesen war. Was Wille fürchtete, war die Trennung von seiner Familie oder eben die Trennung von Simon. Er musste eine Entscheidung treffen, doch eigentlich hatte er keine Wahl, oder? Zu gerne wollte er, dass Simon die richtige Wahl war, doch er war nunmal der Kronprinz. Es gab Erwartungen, die er unbedingt erfüllen musste und er kannte keinen Ausweg. Wie hatte Erik das alles geschafft? Wie hatte er diesem Druck Stand gehalten? In seinem Kopf schwirrten unzählige Fragen herum, die ihm nie jemand beantworten würde und egal wie sehr er sich anstrengte, um ihre Antwort herauszufinden, er würde sie nicht bekommen.
Wilhelm gab seiner Mutter keine Antwort auf ihre Frage, sodass sie erneut nachhaken musste: „Was tust du denn hier? Wir haben uns Sorgen gemacht, als man uns anrief, um uns mitzuteilen, dass du im Krankenhaus liegst." Ratlos starrte Wille zur Wand und suchte dann mit seinen Blicken Hilfe bei Simon. Doch dieser saß weiterhin still auf dem Bett und sah ebenso hilflos aus, wie er selbst. Kurz nachdem die Königin und ihr Mann das Zimmer betreten hatten, hatte Simon zu Boden geschaut, damit sich ihre Blicke nicht treffen konnten, doch bisher hatte es ihm nicht geholfen. Wilhelms Mutter sah nun immer fordernder aus und sie wartete ungeduldig auf eine Antwort von ihrem Sohn. Es schmerzte ihn, dass er seinen Eltern nicht sagen konnte, dass er Simon liebte. Sein ganzes Leben lang waren sie die Personen, denen er vertrauen konnte. Immer wenn es Probleme gab oder er das Gefühl hatte, etwas würde schief laufen, redete er einfach mit seiner Mutter oder seinem Vater, doch nun war alles anders. Wilhelm musste Dinge vor ihnen verstecken, musste sich rechtfertigen, für alles was er tat und vor allem hatten sie Anforderungen an ihn, die er nie erfüllen konnte. Nun hatte er einfach ständig das Gefühl, nicht gut genug zu sein und nicht einmal in der Liebe tat er das Richtige. Für seine Familie war Wilhelm eine komplette Enttäuschung. Also entschied er sich, nichts zu sagen und überspielte die ganze Sache mit einer Lüge.
„Ich war am Hillerska und bin beim Training gestolpert. Es ist keine große Sache, mir geht's gut." Zunächst sah er, wie ihn seine Eltern unglaubwürdig anschauten und dann drehte er seinen Kopf in Simons Richtung. In diesem Moment wünschte er sich, dass er ihnen gesagt hätte, was er wirklich dachte, doch er konnte es nicht. Er erkannte Simons Enttäuschung in seinen Augen und es brach ihm das Herz. Schon wieder musste er seine Höhen und Tiefen miterleben und das, obwohl er sich geschworen hatte, ihn nicht mehr mit reinzuziehen. Die Königin kam näher zum Bett, sodass sich Simon immer weiter von ihm entfernen musste, um ihr Platz zu machen. Sanft strich sie Wilhelms Haare aus seinem Gesicht, um seine Wunde an der Stirn zu betrachten. Dabei zuckte er leicht zusammen, doch das schien sie nicht zu irritieren. Es fühlte sich unangenehm an, ihre Hand auf seiner Stirn. Schon fast fremd und Wilhelm bemerkte, dass sie ihn kontrollieren wollte. Seine Mutter glaubte seit seiner Geburt, dass sie wüsste, was das Beste für ihn war. Und es mochte auch jahrelang funktioniert haben, doch nun war der Augenblick gekommen, an dem sich das geändert hatte. Wilhelm wusste aber, dass sie dabei nicht mitmachen würde. Sie verstand es einfach nicht. Ständig hatte sie das Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Ihr war offenbar nicht klar, dass er sie dazu nicht brauchte. Er wusste, was er tun musste, er wusste welche Schule die richtige für ihn war und vor allem wusste er, wen er liebte und mit wem er zusammen sein wollte. Wilhelm brauchte ihre Hilfe nicht, um das Richtige zu tun.
Fast als würde er gequält werden, drehte er seinen Kopf zur Seite, damit seine Mutter ihre Hand wegnahm. Sie sah verwirrt aus, als sie bemerkte, dass Wille nicht mit ihr reden wollte.
„Ich werd dann mal gehen. Tut mir leid, dass ich hier war, ich habe Wilhelm nur hergebracht, weil ich ihn gesehen habe, als er verletzt war", sagte Simon, wohl um ihn zu unterstützen, doch Wille konnte dabei sehen, wie unglücklich er war. Unglücklich, enttäuscht und wütend. Nachdem er sich höflich bei allen verabschiedet hatte, stand Simon kopfschüttelnd auf und verließ den Raum.
In Wilhelm wurden alle Gefühle durcheinander geworfen. Es war, wie ein Spalt, der alles auseinanderriss und seine Emotionen in zwei Seiten einteilte. Auf der einen Seite standen die Gefühle, die er für Simon hatte und auf der anderen Erwartungen, die er für seine Eltern erfüllen musste. Und diese Dinge waren verschieden, wie Tag und Nacht. Wilhelm wusste genau, was er davon wollte und was nicht, doch seine Stellung als Kronprinz existierte nun mal und er konnte nichts daran ändern. Eriks Tod hatte dafür gesorgt, dass nun alles auf ihm lastete und dass für ihn alles falsch schien, was er tat. Wilhelm fühlte sich dem nicht gewachsen. Nicht ohne Erik und auch nicht ohne Simon. Ihm war klar, er musste einen Weg finden, wie Simon an seiner Seite sein konnte, doch noch hatte er keine Ahnung, wie er das hinbekommen würde.

Young Royals Staffel 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt