Schock

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POV: Wilhelm
Am Morgen des nächsten Tages wurde Wilhelm durch Sonnenstrahlen geweckt, die durch sein Fenster direkt auf sein Gesicht fielen. Damit er schnell zu sich kam, rieb er sich die Augen und setzte sich auf. Müde lehnte er sich gegen die Wand und atmete tief durch. Irgendwie hatte er zu diesem Zeitpunkt das Gefühl, dass der heutige Tag unter keinem guten Stern stand. Zum einen musste er ein Interview zusammen mit August geben und zum anderen konnte er immer noch nicht mit Simon sprechen. Alles fühlte sich so leer und unbedeutend an, solange sich die beiden nicht sahen und nicht miteinander redeten.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Was Wilhelm jetzt aber gar nicht brauchte, war Besuch. „Wer ist da?", fragte er mit genervter Stimme. Wer konnte es sein? Etwa wieder August? Oh nein, darauf konnte er verzichten. Den würde er auf keinen Fall in sein Zimmer lassen, denn wozu auch? Er hatte ihm nichts mehr zu sagen.
"Ich bin's, mein Schatz." Gerade wusste Wilhelm nicht, ob es das jetzt besser machte, oder schlimmer, dass seine Mutter vor der Tür wartete. Wahrscheinlich wollte sie ihn wieder unter Druck setzen, oder ihm ausreden, dass er zu Simon geht. Von Gespräch zu Gespräch wurde ihr Verhältnis immer angespannter und sein Vater hielt sich einfach raus. Nie redete er mit ihm über seine Probleme, nur über sein Amt als Kronprinz. Seine Mutter übernahm die persönlichen Dinge.
Seufzend drückte sich Wilhelm mit seinen Händen auf der Matratze ab und erhob sich von seinem Bett um die Tür zu öffnen. "Was ist los, Mama? Was machst du hier?" Und gerade, als Wille gefragt hatte, fiel es ihm wieder ein. Das Interview. "Oh natürlich. Ich muss ja wieder mit den Journalisten sprechen. Worum geht es diesmal?", fragte er, um vorzugeben, dass er neugierig sei, dabei war es ihm völlig egal. Es war immer der gleiche Ablauf und Wilhelm hatte es satt, von diesen Menschen nicht behandelt zu werden, als wäre er einer von ihnen. "Soweit ich weiß, sind es die gleichen Fragen, wie immer. Wahrscheinlich werden sie dich etwas zu Erik fragen und wie du damit umgehst, dass du jetzt mein Nachfolger bist. Du kennst das ja. Es wird nichts neues sein." Wille nickte, dabei wollte er am liebsten nein sagen und seine Mutter wegschicken.
Als er sich angezogen hatte, führte sie ihn zum Auto, wo August schon auf die Beiden wartete. Mit einem Grinsen im Gesicht schaute er in ihre Richtung und nahm seine Sonnenbrille ab. Er lehnte gegen das Auto und hielt dann der Königin die Tür auf, als sie näher kam. Wie immer versuchte er so charmant wie möglich rüberzukommen, doch bei Wille hatte er keine Chance mehr. Außerdem hoffte er, dass die Höflichkeit seiner Mutter reine Formalität war.
Mit wütendem Blick stieg er ins Auto ein und sprach kein Wort mit seinem Cousin. Weder auf der Fahrt, noch als sie am Schloss angekommen waren.
Dort parkten schon einige Autos, was Wilhelm jedoch gewohnt war. Langsam betrat er den Raum, in dem er vor mehreren Wochen noch das Interview mit seiner Familie gegeben hatte. Neben ihm hatte da jedoch Erik gesessen und nicht August. Es fiel ihm wirklich schwer, diesen Platz einzunehmen. Und auch wenn er das hier schon unzählige Male getan hatte, er würde sich nie daran gewöhnen. Vielleicht irgendwann mal, doch für ihn war klar, er würde es wohl nie mögen. Nun waren alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet, alles was er sagte wurde sofort gehört. Von so vielen Menschen da draußen. Jeder konnte es sehen, doch niemand wusste, was gerade in ihm vorging. Im Moment fühlte sich einfach alles unangenehm an, was er tun musste.
"Es ist mir eine Ehre, Prinz Wilhelm", erklärte die Journalistin, die gerade den Raum betreten hatte. Sie stellte sich ihm und August vor und dann begannen sie mit dem Interview.
Zuerst kamen die gleichen Fragen, wie immer. Die Dinge, die seine Mutter ihm prophezeit hatte. Doch dann kam etwas, was Wilhelm in diesem Interview nicht erwartet hätte. Er hatte gehofft, nicht mehr von der Presse damit genervt zu werden. Im Hintergrund konnte er erkennen, dass seine Mutter ihn verwirrt anschaute, denn auch sie war darauf nicht vorbereitet.
"Wie erklären sie das Video mit diesem Jungen? Man sieht jedenfalls deutlich, dass sie das sind." Gerade als seine Mutter aufstehen wollte, um ein Drama zu verhindern, stoppte Wilhelm sie. Er gab ihr ein Zeichen, denn er wollte das selbst in die Hand nehmen. Währenddessen schaute ihn die Journalistin erwartungsvoll an und sie sprach aus, was der Rest der Welt dachte. Immerhin hatte jeder, der die Königsfamilie kannte, Wilhelm in diesem Video gesehen. Wahrscheinlich hatten die Wenigsten der Verneinung der Gerüchte geglaubt.
Wille begann, schwer zu atmen. Sein Herz schlug wie verrückt und plötzlich fühlte sich sein Kehle an, als würde sie jemand zuschnüren. Panisch versuchte er, seinen Kragen zu lockern, außerdem konnte er nicht mehr still sitzen. Was sollte er nun sagen? Er hatte all die Lügen satt, doch er wollte seine Familie nicht enttäuschen.
Scheinbar bemerkte die Journalistin seine Sprachlosigkeit, also hakte sie nach: "Alles in Ordnung mit dem Kronprinzen?" Wilhelm nahm all seinen Mut zusammen. Das Verstecken hatte von nun an ein Ende. Er wusste, er würde damit einiges auslösen, doch er wollte ehrlich sein. Mit der Konfrontation musste die Königsfamilie klar kommen. Vielleicht würden sie dann endlich lernen, was Akzeptanz bedeutete.
"Ja, das in dem Video bin ich. Die Gerüchte sind wahr. Ich hätte von Anfang an ehrlich sein sollen. Dass ich gelogen habe, war falsch und ich will mich dafür entschuldigen, doch ich muss mich nicht dafür rechtfertigen, wer ich bin und wen ich liebe. Niemand sollte das müssen. Ich möchte sagen, dass ich zu all den Menschen stehe, die ähnliches durchmachen, wie ich und ich glaube, dass unsere Welt mehr Akzeptanz verdient. Jeder von uns."
Während Wilhelm seine Worte mit der Welt teilte, spürte er, wie er immer mehr mit dem Herzen sprach. Es war nicht mehr nur der Kopf, der ihn leitete, nein. Das laut auszusprechen, fühlte sich so richtig an, wie nie zuvor.
Als er fertig war, sah er sich um und blickte in verwirrte, schockierte und erstarrte Gesichter. Sogar die Journalistin wirkte, als hätte sie eine solche Antwort nicht kommen sehen. Hinten dran saß Wilhelms Mutter und sie sah aus, als hätte sie jeden Augenblick einen Herzinfarkt und es wirkte nicht wirklich, als würde sich das in den nächsten Stunden ändern. Ein paar Leute aus dem Schloss waren ebenfalls im Raum und hatten alles mit angehört. Es war schrecklich, wie alle so entsetzt starrten. August riss die Augen weit auf und er war sprachlos, wie alle anderen. Scheinbar hatte niemand erwartet, dass dieses Thema erstens in diesem Interview aufgegriffen wird und zweitens, dass Wille so darauf reagieren würde.
Auf einmal sprang seine Mutter auf. "Schneiden Sie das raus! Stoppen Sie das Interview! Sofort!" Sie brach in völliger Panik aus, doch um sie herum waren alle noch immer wie erstarrt. Mit leiser Stimme traute sich die Journalistin nun, etwas zu sagen: "Es tut mir leid, aber das hier ist live." Und dieser Satz schien bei der Königin fast noch schlimmeres auszulösen, als die von Wilhelm davor gesagten. Scheinbar war gerade ihre Hoffnung darauf, das alles nur zu träumen oder es wenigstens ungeschehen machen zu können, verschwunden. Gleich würde wohl noch einiges auf Wilhelm zukommen, doch in diesem Augenblick, bewegte sich alles um ihn herum in Zeitlupe. Er war frei, endlich! Trotz all den Dingen, mit denen er sich ab jetzt wohl konfrontieren musste, war er einfach glücklich.
Und dann kam ihm der Gedanke: Simon hatte das Interview ganz bestimmt auch gesehen! Vielleicht sah er sogar in diesem Moment noch zu und das brachte Wille zum Lächeln. Langsam hob er den Kopf und schaute in Richtung Kamera, denn er war sich sicher, Simon lächelte mit ihm.

Young Royals Staffel 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt