Hold me right - Jikook

Kapitel zwei - der Boden zum Tanzen

Jimin 

Ein Wettbewerb. In unserer Stadt würde es ein Wettbewerb geben. Ich spürte meine allbekannte Aufregung in mir auflodern. Das Feuer, welches mich immer ergriff, wenn ich das Wort Wettbewerb hörte. Ich machte meinen Vater stolz damit, wenn ich gewann, und das fühlte sich gut an. Es fühlte sich immer gut an gelobt zu werden. Ich nickte bei den Worten von Hoseok und hörte ihm aufmerksam zu. Der Wettbewerb bestand also aus einen selbst choreografierten Paartanz. Zumindest die erste Runde. Der ganze Kurs würde in die Paare eingeteilt selbst Choreografien entwickeln, wir, also die, die am Wettbewerb teilnehmen würden, hatten dazu zusätzliche Auflagen. Zum Beispiel musste es Mann und Frau und mindestens eine Hebefigur geben.

Ich hatte meinen Tanzpartner, erst durch Hoseoks wink, zwischen den anderen entdeckt. Er wirkte verschüchtert und bisher hatte ich ihn noch nie hier gesehen. Vielleicht aber auch, weil ich die letzte Woche noch nicht da gewesen war, weil mein Vater auf meine Lerneinheiten bestanden hatte. Schule durfte ich neben meiner tänzerischen Karriere nicht vernachlässigen. Da achtete er peinlich genau drauf. Hoseok endete nun seine Erklärung, hielt mich aber mit einer sanften Berührung an der Schulter auf. „Jimin", sagte er ernst und bedeutete mir ihm einen Moment aufmerksam zuzuhören. „Jungkook ist erst letzte Woche zu uns gestoßen, habe also Nachsicht mit ihm, wenn er noch viele Fehler macht und versuche dich auf nur eine Hebefigur zu reduzieren. Ich weiß nicht in wie weit er das schon hatte. Außerdem würde ich dich bitten als Frau zu tanzen. Du hast mehr Erfahrung damit full-point* zu tanzen. Außerdem sieht es bestimmt authentischer aus, du bist ja ein bisschen kleiner als er."

Hoseoks Blick war ernst. Mein Blick glitt kurz zu Jungkook herüber, er starrte blass auf die Tür und sah nicht danach aus als würde er sich wirklich wohlfühlen. Prima. Ich nickte Hoseok zu. „Ich nehme darauf Rücksicht", nickte ich und machte meine ersten Schritte in Richtung Tanzpartner. Der Boden glitt unter meinen Füßen hinweg und fast augenblicklich bekam ich Lust wieder allen zu zeigen, dass dies nur mein Boden war. Mein Boden zum Tanzen. Sobald ich Ballettschläppchen oder Spitzenschuhe trug, fühlte sich der Boden anders an. Ich lief nicht wirklich. Ich machte keine wirklichen Schritte mehr. Ich flog, ich schwebte ich tanzte mit jeden Schritt über den Boden, der zum Tanzen gemacht war.

Der Boden glitt viel zu schnell unter meinen Füßen hinweg und ich stand viel zu schnell vor der Person, welcher mir gründlich meinen Sieg versauen konnte. „So, du bist also mein Tanzpartner.", meinte ich und musterte den Jungen vor mir. Er hatte verstrubeltes schwarzes Haar, welches ihm wild in die Stirn hing. Meinem Geschmack nach war es viel zu lang, aber das war nicht wirklich meine Sache. Sein Körper war schmal, aber athletisch und an den Armen konnte ich Muskelansätze erkennen. Also untrainiert war er nicht. „Jungkook, nicht wahr?", fragte ich ihn und legte meinen Kopf schief. Er blickte auf den Boden, nickte schüchtern. Gott, peinlicher ging auch nicht. Was für ein Weichei. „Ich bin Jimin. Hoseok hat beschlossen, dass ich die Frau tanzen soll, meinst du, du kannst mich heben? Eine Hebefigur müssen wir ja einbauen."

Ich wartete bestimmt länger als eine Minute, bis er die Schultern zuckte. Gott! Er konnte mich nicht mal anschauen! Wie sollten wir so zusammen tanzen? „Ich habe bisher keine getanzt." Beinahe hätte ich ihn nicht verstanden, weil er so leise vor sich hinmurmelte. Und dann auch noch in Richtung Boden. Herrgott ich stand direkt vor ihm und hatte kaum ein Wort verstanden! Und hatte er gerade gesagt er hat noch nie eine getanzt? Wie zum Geier war er dann in den Fortgeschrittenenkurs gekommen? Da lernte man das nicht, da konnte man das schon! „Wie lange tanzt du schon Ballett?" fragte ich misstrauisch. Viellicht hatte er ja jahrelange Erfahrung an einer anderen Schule, welche ihn hier her verschlagen hatte. „V-vielleicht so s-seit einem h-h-halben Jahr?"

Ich spürte wie meine Augen sich ungläubig weiteten. Ein halbes Jahr? Warum zum Geier stotterte er jetzt bitte? Aber ein halbes Jahr? Er war Anfänger! Selbst ich hatte Jahre gebraucht, um in den Fortgeschrittenenkurs zu kommen! „Aber freizeitlich tanze ich schon seit mehreren Jahren", murmelte er und nuschelte dabei so sehr in seinen nicht vorhandenen Bart, dass ich ihn am liebsten erwürgt hätte. Himmel! Mann sollte sich klar ausdrücken – wie mein Vater immer zu sagen pflegte und eindeutig hatte er recht. Gut, dass ich nie so ein Weichei geworden bin.

„Prima", sage ich und merke selbst wie gereizt ich klinge. Gar nichts war Prima. Aber vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren. „Komm mit. Ich denke wir mieten uns einen der Räume und trainieren ab sofort dort zu zweit, dann kann auch keiner unsere Choreo stehlen." Meine nächsten Schritte führten mich zurück zu Hoseok, den ich gleich um einen extra Raum bat. Er nickte das nur ab und deutete auf das Schlüsselboard. Wir hatten also freie Bahn. Ich nahm die beiden Schlüssel für Raum zwei vom Haken und drückte meinem Tanzpartner einen davon in die Hand. Wir hatten für jede Tanz-Art einen großen Raum, während es zusätzlich für jede Tanz-Art noch mal kleine Räume gab, in denen man üben konnte, wenn die großen Räume belegt waren. Für diese meldete man sich beim entsprechenden Kursleiter und durfte dann die Schlüssel an sich nehmen, wenn man als zuverlässig genug galt, sich ordentlich um den Raum zu kümmern.

Schnell trug ich noch unsere Namen in die Liste ein und reservierte uns den Raum für die Zeit bis zum Wettbewerb. Ich hatte mal weder keinen Plan, wann ich dazu Zeit finden würde zu trainieren. Da würde sich Jungkook wohl an mich richten müssen. Vor allem wenn so gar nichts von ihm kam. Grob schloss ich den Raum auf und trat ein. „Zeig mir was du Freestyle kannst", forderte ich ihn auf und deutete auf die kleine Stereo-Anlage. Unsicher machte er einen Schritt vorwärts und schluckte sogar so laut, dass ich es hören konnte. Himmel, das konnte was werden.

Kleines Lexikon:

*full-point = auf ganzer Spitze, mit Spitzenschuhen (auch: ganze Spitze oder ganzer Fuß)

demi-pointe = auf halber Spitze, meistens mit Schläppchen, man geht nur auf den Fußballen, nicht auf die Fußspitze