Kapitel elf - die Asche eines Vulkans

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Jungkook

Ehrlich gesagt, hatte ich gar keine Lust mehr auf Ballett. Die ganzen letzten Tage schon war ich nicht ein einziges Mal tanzen gegangen. Ich hatte überlegt, ob Jimins Fall vielleicht wirklich meine Schuld war und kam zu dem Schluss das wir beide wohl oder übel schuld dran waren. Ich hätte nicht stolpern und er nicht seine Körperspannung verlieren dürfen, dann wäre alles gut gegangen und ich hätte mir seine Meinung nicht anhören müssen. Jimins Worte waren in den letzten Tagen immer mal wieder durch meinen Kopf gegangen. Aber ich konnte mir absolut keinen Reim darauf machen, was sein Problem genau war.

„Mama?", fragte ich vorsichtig, als ich sie an meiner Zimmertür vorbeilaufen sah. Es war früher Mittag. Mein Stiefvater war noch arbeiten und meine letzten Schulstunden waren ausgefallen. „Was ist?", fragte sie und lugte durch meine Zimmertür. An meinem Ton hatte sie wohl erkannt das etwas los sein musste, denn sie verschwand nicht, sondern trat ein und kam zu mir zum Bett. „Momentan beim Tanzen, da ...", begann ich ihr zu erzählen und sie hörte aufmerksam zu. Sie runzelte zwischendrin die Stirn, nickte verstehend, bevor sie am Ende seufzte. „Ich verstehe nicht, was er mit dem letzten Zeug alles meint...", endete ich und sie nahm mich in den Arm.

Tränen hatten sich schon längst in meinem Augen gebildet. Jimin war mein Vorbild gewesen, ich hatte ihm gerne auf der Bühne zugeschaut und noch immer taten mir solche Worte weh. Er war daran Schuld meinen schönen leeren Raum zerbrochen zu haben. Ich hatte keinen Zugang mehr zum Tanzen. „Es ist wirklich eine komplizierte Sache. Ich denke ihr seid dem anderen gegenüber ein bisschen Blind. Hast du ihn gefragt, warum er den Sieg so gerne haben mag? Oder warum er so sehr auf das traditionelle Ballett fixiert ist?", fragte sie und ich konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. Sowas hatte ich ihn bisher nie gefragt. Ich hatte mich ja nie wirklich getraut den Mund auf zu machen, bis meine Wörter im Kopf hervorsprudelten. Wie ein Vulkan den er angezündet hatte.

Die ersten Tage war ich nach diesem Streit echt sauer gewesen, mittlerweile war ich einfach nur traurig darüber. Der Vulkan war erloschen und hatte nur schmerzende Asche zurückgelassen. „Warte einen Augenblick", bat sie mich und kehrte mit einer CD im Schlepptau zurück. „Das hier ist meine Lieblingsmusik, also pass gut auf sie auf, ja?", nickte sie und drückte mir die CD n die Hand. „Der achte Track, hört euch beide den an. Vielleicht trifft das euren Geschmack. Und Jungkook. Versuche dich in seine Laage zu versetzten, zu begreifen, was Jimin denken könnte. Vor allem aber solltet ihr Klartext über das Reden, was ihr denkt und fühlt." Ich glaubte, dass sie noch etwas sagen wollte, aber das wurde sie von dem Weinen meines Geschwisterchens unterbrochen. Sie schaute mich entschuldigend an, bevor sie aus dem Raum verschwand. Mein leises Danke konnte sie nicht mehr vernehmen.

Es fühlte sich gut an über alles einmal geredet zu haben. Es fühlte sich gut an, befreiter. Ich sollte Jimin verstehen lernen... Da stellte sich nur die Frage wie. Ich hatte nicht vor mich wieder mit Jimin zu streiten und seufzte tief. Auch wenn meine Mutter mir jetzt die CD gegeben hatte, war es vielleicht besser ohne als Tanzpartner einen Neuanfang mit Jimin zu wagen. Vielleicht wäre er dann eher geneigt mir zuzuhören, damit wir wenigsten uns in Zukunft besser verstehen würden. Ich wollte nicht als Neuankömmling Unruhe in die restliche Gruppe bringen.

Ich seufzte tief und drehte die CD in meinen Händen. Sie war selbstgebrannt, staub lag auf der Hülle, doch ansonsten war sie makellos. Kein Kratzer zierte sie. Einen lesbaren Titel hatte die CD auch nicht wirklich, sie begann irgendwie mit J und hatte in der Mitte ein k, aber ansonsten war der Filzstift abgerieben. Das war also die Lieblings-CD meiner Mutter. Ich steckte sie sorgsam in meine Sportasche und überlegte, ob ich sie mitnehmen oder dalassen sollte, wenn ich gleich zu Hoseok gehen würde. Ich wusste er war heute da und machte sich sorgen, weil ich zu dem letzten Training nicht erschienen war. Schlussendlich griff ich die Tasche und zog mich an. Besser war es gleich um einen neuen Tanzpartner für Jimin zu bitten, wenn er es selbst noch nicht getan hatte.

Die Länge des Weges zur Tanzschule fühlte sich an, als wäre ich nur zum Nachbarhaus gelaufen. Der Weg selbst fühlte sich an, als würde ich eine Aschespur hinter mir herziehen, die mich immer mehr nach hinten zog. Mein Herz war so schwer. Meine Füße waren schwer. Keinen Schritt würde ich jetzt tanzen können. Überrasch blieb ich an dem Raum stehen, welchen Jimin uns reserviert hatte. Der Schlüssel für die Tür steckte außen im Schloss. Das konnte nur bedeuten, dass Jimin da war. Er war hier und trainierte. Unsicher legte ich meine Hand auf die Türklinke und überlegte, ob ich nun eintreten sollte oder nicht, als einer der jüngeren Tanzschüler, welcher verbotenerweise durch den Gang rannte, mich anrempelte und ich die Tür öffnete.

Mein Herz blieb stehen, als ich Jimins Kopf sofort zu mir umdrehen sah. Mein Blick glitt an ihm herab. Zwei Sachen fielen mir sofort auf: Die Full-Point- Haltung von Jimin und der Verband an seinem Fuß.

Hold me right - JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt